Vorwort. Der ernste Sinn, mit dem die Tonkunst in neuester Zeit erfasst wird; das rege Streben, auch das Historische dieser Kunst nicht zu übersehen; die Menge der Schriften, welche in diesem Jahrhundert erschienen sind und sich über jeden Zweig der Tonkunst verbreiten: alles dies macht eine Literatur der musikalischen Schriften nothwendig und zum wahren Bedürfniss. Erlaube ich mir daher, dem Publicum in dieser Gattung ein Werk zu übergeben, welches die Frucht jahrelangen Fleisses ist, so kann ich doch nicht umhin, um freundliche Nachsicht zu bitten. Mit dem festen Vorsatz hier das Dunkle zu erhellen, dort das Fehlerhafte zu berichtigen, hier das Falsche zu entfernen und dort Neues mitzutheilen, und mit heisser Liebe für den mir so wichtigen Gegenstand begann ich muthig das Unternehmen, aber wie sehr fühle ich, dass noch viel zu wünschen übrig bleibt. Auch ich empfand die ganze Wahrheit der Worte Scaligers: Omnes poenarum facies hic labor unus habet und oft wollte die Kraft ermatten. Doch der Gedanke, wie bedeutend der vorliegende Gegenstand für das ganze Studium der Tonkunst ist, stärkte mich stets und gab mir den Muth, kräftig das begonnene Werk fortzusetzen. 2 Wirft man einen Blick auf Vorarbeiten auf diesem Felde der Literatur, so finden sich zum Theil schätzbare Verzeichnisse musikalischer Schriften, z. B. von Draudius, Machado, Jöcher u. v. A.; aber da der Zweck dieser gelehrten und fleissigen Männer ein ganz anderer, ein weit umfassenderer war, so ist bei ihnen die musikalische Literatur ein einzelner Zweig der allgemeinen, welche der Hauptgegenstand ihrer Bemühungen blieb. Nur durch den trefflichen Johann Nicolaus Forkel erhielt der Freund der Tonkunst ein Werk (Literatur der Musik, Leipzig, 1792), wie noch kein ähnliches vorhanden war. Wie viele Schriften wurden hier mitgetheilt, welche man bis dahin zum grössten Theil nicht dem Namen nach kannte und um wie vieles erleichtert wurde der Gebrauch dieser Literatur durch eine, so viel es sich thun liess, scharf abgegrenzte systematische Form. Gleichzeitig und bald darauf erschienen Beiträge zu diesem Werke von Gruber, Blankenburg u. A., doch kann ihr Gehalt nur unbedeutend im Vergleich zu Forkels Forschungen genannt werden. Auch der fleissige Ernst Ludwig Gerber suchte nach allen Kräften Forkels Werk zu vervollständigen und sammelte mit Ausdauer and Glück; allein die in seinen Werken (Lexikon der Tonkünstler, Leipzig, 1790 und 1812) beobachtete alphabetische Ordnung erschwert das Auffinden solcher Schriften, deren Verfasser nicht bekannt sind. So war bis auf die neueste Zeit seit 43 Jahren für diesen Gegenstand in Deutschland der Hauptsache nach nichts geschehen, da die Notizen, wie sie sich bei Gerber oder in den musikalischen Zeitschriften u. s. w. in grosser Menge vorfinden, an und für sich nur Materialien zur musikalischen Literatur zu nennen sind. Das Ausland brachte in neuerer Zeit zwei Werke über diesen |