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Der vierte Aufzug spielt im Grabgewölbe Karl's des Großen zu Aachen. Kart ist wegen der Kaiserwahl nach Aachen gereist und verbirgt sich jetzt hier, um die gegen ihn Verschworenen zu belauschen. Diese erscheinen, unter ihnen Hernani und Silva. Sie wählen Hernani, durch Abstimmung, zu Karl's Mörder. Silva beschwört ihn, ihm den Stoß in Karl's Bruft zu überlassen, ja er will ihm sogar das verhängnißvolle Horn dafür wiedergeben; Hernani willigt jedoch durchaus nicht ein. Da werden plötzlich drei Kanonenschüsse, das Zeichen, daß Karl zum deutschen Kaiser gewählt ist, gehört. Karl erscheint, die Verschwornen hüllen sich in tiefes Dunkel, werden aber von des Monarchen Gefolge, das von allen Seiten hereinbricht, entwaffnet. Mittlerweile kommen die Kurfür ften, um Karl zu begrüßen. Dieser entläßt sie, befiehlt Donna Sol herbeizuführen, und darauf, nur die Herzoge und Grafen zu verhaften, alle Anderen aber zu entlassen. Da giebt sich Hernani als Johann von Arragonien zu erkennen und schlägt ihn zum Ritter und vermählt ihn mit Donna Alsdann befiehlt er, ihn allein zu lassen, und endigt mit folgendem Monologe den vierten Aufzug:

Karl
Sol.

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*) Don Carlos allein, sich vor dem Grabmal verneigend. Bist du mit mir zufrieden? Und legt' ich gut den Königsjammer ab?

*)

Ich war allein, vor einem Reich verloren

Und eine Welt um mich heult, braust, verschwört sich.
Dem Dånen Strafe, Lohn dem heil'gen Vater,
Venedig, Soliman, Luther und Franz,

Und tausend Dolche, schon im Dunkeln blinkend,

Don Carlos seul (s'inclinant devant le tombeau).
Es tu content de moi?

Ai-je bien dépouillé les miséres du roi.
Ah j'étais seul, perdu devant un empire;
Tout un monde qui hurle et bouillonne et conspire;
Le Danois à punir, le Saint Père à payer;
Venise, Soliman, Luther, François premier;
Mille poignards jaloux, luisant dejà dans l'ombre;

Fallstricke, Klippen und unzähl'ges Drohn.
Und zwanzig Völker noch, von denen Eins
Allein schon zwanzig Königen Furcht erregt;
Gedrängt und drångend Alles, auf ein Mal

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Zu thun. Da rief ich Dir: Womit beginn' ich?
Und du erwiedertest: Mein Sohn, mit Gnade. -

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Der fünfte Aufzug beginnt mit dem Schlusse der Hochzeitsfeierlichkeiten Hernani's und der Donna Sol. Die Vermählten kommen, glücklich in ihrer Liebe. Da ertönt plöhlich das verhängnißvolle Horn. Donna Sol entfernt sich auf kurze Zeit, eine Maske tritt auf, es ist Silva, der Hernani an sein Gelübde erinnert. Dieser wählt den Tod durch Gift. Donna Sol kehrt zurück, erkennt ihren Oheim, der unerbittlich bleibt. Sie entreißt dem Gatten die Phiole mit Gift und theilt sie mit ihm. Beide sterben in Liebe vereint und Don Ruy ersticht sich mit den Worten, als er Sol sterben sieht: Morte.. Oh, je suis damné.

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Etwas Geschraubteres, Unnatürlicheres und Unwahrscheinlicheres als die Reden sämmtlicher handelnder Personen während des ganzen Stückes, bis auf wenige Ausnahmen, ist nicht leicht von einem Dichter erdacht worden, und man fühlt sich gar sehr geneigt, mit jenem französischen Kritiker anzunehmen, Victor Hugo habe bei diesem Drama versuchen wollen, was er eigentlich seinen Landsleuten bieten könne und wie weit er gehen dürfe. Es ist nicht zu läugnen, daß die Erfindung des Sujets in seinen Hauptzügen sehr glücklich und dem spanischen Character angemessen ist (dafür sprechen ähnliche spanische Dramen, wie z. B. das bekannte ursprünglich von Lope de Vega geschriebene, doch nur in späterer Bearbeitung auf uns gekommene Sancho Ortiz de las Roëlas, (deutsch von

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Des piéges, des écueils, des menaces sans nombre,
Vingt peuples dont un seul ferait peur à vingt rois,
Tout pressé tout pressant, tout à faire à la fois.
Je t'ai crié » Par où faut-il que je commence, «
Et tu m'as répondu: Mon fils, par la clémence.

von der Malsburg und von Zedlih: der Stern von Sevilla), doch wie hier der Dichter ihn auffaßte, paßt der Stoff mehr für eine Romanze oder Ballade, nicht aber für ein Drama, dessen Aufgabe es ist, das Leben in seinen kleins sten Zügen, im vollen, wohl begründeten Zusammenhange mit ungeschwächter Wahrheit darzustellen! Die Charactere, die Hugo uns hier vorführt, handeln wie die Kinder und res den wie die Narren; sie haben gar wunderliche Einfälle, und plaßen in die wichtigsten Momente oft mit den kuriosesten Späßen hinein. Natürlich und den Dingen angemessen bes wegt sich Niemand während der sämmtlichen fünf Aufzüge, und mag es sich der Zuschauer auch noch so eifrig angelegen seyn lassen, sich in den Ideenkreis des Verfassers hineinzuversetzen, es wird ihm doch immer zu Muthe seyn, als sehe er Puppen spielen, die in einer sonderbaren Parodie alle Leidenschaften menschlicher Gemüther auf das Skurrilste und Uebertriebenste nachäffen und verspotten.

Und doch enthält der Hernani wahre und große Schönheiten, in welchen sich Victor Hugo's ganze Kraft und Liebenswürdigkeit beurkunden. So ringt unter Andern die dritte Scene des fünften Actes mit ähnlichen Arbeiten großer gefeierter Meister um die Palme, denn hier schöpfte Hugo aus seinem reichen Herzen, nicht blos aus seiner Phantasie, die ihm sehr oft Rauschgold und Flitter statt der echten, gediegenen, edeln Metalle darbietet.

Dritte Vorlesung.

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Marion Delorme, von Victor Hugo. Inhalt. Beurtheilung. Auszüge aus diesem Drama. Victor Hugo's Romane. Han d'Islande; Bug Jargal; Notre Dame de Paris; Le dernier jour d'un condamné. - Alphonse de Lamartyne. Dessen Leben. Characteristik seiner Leistungen. Bruchstücke aus dem Gedichte: Le poéte mourant. Ueber einige andere Gedichte dieses Verfassers.

-

Marion

arion Delorme ist das neueste Drama Hugo's, so wie überhaupt die neueste Arbeit des Dichters, welche durch den Druck bekannt wurde. - Obwohl er dasselbe noch früher als Hernani vollendete, so zögerte er doch aus edeln Motiven mit der Bekanntmachung. Nächst dem Romane Notre Dame halten wir Marion Delorme unbedingt für sein. bestes Werk, obwohl nach den deutschen Grundsätzen feiner Sitte und strengen Anstandes, das Thema, das er hier behandelt, oder vielmehr die Stellung und die Verhältnisse der Hauptperson schwerlich auf unserer Bühne geduldet würden. In dieser Hinsicht sind allerdings die anderen Nationen uns vorausgeeilt, wenn sie nichts von derselben ausschließen, sondern das ganze Leben mit allen seinen Verhältnissen, mit seinen Licht wie mit seinen Schattenseiten, als ein Eigenthum des Theaters betrachten, da es ein unbestrittenes Eigenthum des

Dichters ist, und es ihm durchaus frei stehn muß, auf eine edle Weise, jeden Punkt, der sich ihm darbietet, ergreifen und behandeln zu dürfen. Der wahre sittliche Adel wird ihn vor Verirrungen bewahren, der wahre sittliche Adel der Zuschauer wird aber auch nicht mit ihm zürnen, wenn er, vom Drange feines Genius getrieben, Flecken am geselligen Körper aufdeckt und hinstellt, die einmal da sind, und die wir im gewöhnlichen Leben zu erwähnen vermeiden, weil sie uns in unserem durch Convenienz und Rücksichten beschränkten Thun, störend berühren.

Die Heldin des Drama Marion Delorme ist nämlich eine berüchtigte zu ihrer Zeit sehr gefeierte Courtisane. In der Mitte ihrer schimmernden Laufbahn wird sie von heftiger Liebe zu einem jungen, hinsichtlich seiner bürgerlichen Stellung, höchst unbedeutendem Manne entbrannt. Sie folgt ihm nach Blois und lebt dort verborgen und unbekannt, ganz ihres Glückes sich freuend, denn Didier erwiedert ihre Gluth, und hält sie für die Reinste und Edelste ihres Geschlechtes. In Blois befindet sich jedoch ein Regiment in Garnison, und einer der Offiziere, der Marquis von Saverny, der zu Marion's Verehrern in Paris gehörte, hat sie an ihrem neuen Aufenthaltsorte ausfindig gemacht, und sich bei ihr Eingang zu verschaffen gewußt, gerade, als sie Didier erwartet. Mit vieler Mühe gelingt es ihr, ihn

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zum Fortgehn zu bewegen. Er hat sich jedoch kaum entfernt, als der Geliebte eintritt. Es folgt eine Scene voll der heißesten und reinsten Gefühle zwischen ihnen, während welcher Didier bei Gelegenheit eines Buches, das der Marion Delerme dedicirt ist, sich auf das Heftigste in seiner Unwissenheit über diese ausspricht. — Sie werden durch Waffengeklirr auf der Straße unterbrochen; Saverny ist von sechs Räubern angefallen und nahe daran ihnen zu unterliegen; Didier eilt ihm zu Hülfe, indem er vom Balcon herab auf die Straße steigt. — Als er ihn befreit hat, nimmt er denselben Weg zurück, und der Marquis folgt ihm, durch das Fenster in Marion's Zimmer, um sich bei ihm zu bedanken; er erkennt Marion und redet mit ihr, sie bittet ihn um Gottes Willen, zu ver

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