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richten und erquicken könnte, dagegenstellt. Es ist allerdings viel Wahrheit in seinen Schilderungen, aber auch eben so viel spitzfindiges Raisonnement und grundlose Uebertreibung, und es ist unbegreiflich, wie ein Mann von Geschmack, mit Gefühl für sittliche Schönheit begabt, auf solche Irrwege gerathen und sich solche Stoffe auswählen konnte. Doch trifft ihn dieser Vorwurf nicht allein; in neuester Zeit haben vors züglich die Romantiker sehr oft und wohl aus Opposition zu der freilich etwas altjüngferlichen Keuschheit der Klassiker, die Verderbtheit der menschlichen Gesellschaft und die daraus entspringenden Folgen, als einen passenden Gegenstand für die Poesie betrachtet, und sich ihre Stoffe in den Spelunken des Lasters und der Sünde aufgesucht. Ihre Muse liebt es nicht mehr, allein mit großartigen Menschen zu wandeln, Spißbuben und Lumpen sind ihr auch recht, und sie besucht eben so gern Spiel- und andere verrufene Häuser, als den Pallast der Großen oder die Hütte der Unschuld, um sich ihre Helden auszuwählen. Leider haben nicht unbedeutende Dichter daran Gefallen gefunden, und die Menge der Nachahmer folgt ihnen gierig nach, in anekelnder Uebertreibung, Misverstandenes psychologisches Interesse mag bei jenen wohl eine der Hauptursachen seyn, und wie immer gehen die Jünger leider über die Grenzen hinaus, wie z. B. Janin in seinem Ane mort et la Femme guillotinée, wo er den gänzlichen Ruin eines jungen Mädchens durch alle Stufen hindurch bis zur niedrigsten Entartung, ausgespickt mit sogenannten philosophischen Raisonnements, schildert.

Sehr glücklich in solcher Genremalerei ist dagegen Paul de Kock mit seinen Romanen, welche sich jedoch fast Alle nur in der Sphäre des niederen Lebens bewegen. Eine ungemein glückliche Laune und eine gesunde Heiterkeit sind höchst angenehme Eigenschaften, bei denen man manches Störende in de Kock's Arbeiten übersieht. La maison blanche, La Femme, le Mari et l'Amant, und vorzüglich le

Coen,) find die gelnngensten Romane dieses fruchtbaren Erzählers.

Der historischen Erzählung scheint sich Paul Lacroir, der unter dem Namen und der Maske eines sehr bejahrten Bibliophilen, Mr. Jacob schreibt, vorzugsweise gewidmet zu haben. Er behandelt nur Stoffe aus der französischen Geschichte, und diese meist mit großem Erfolg, wozu seine außerordentliche Kenntniß der Sitten und Begebenheiten früherer Jahrhunderte nicht wenig beiträgt. Es fehlt ihm keinesweges an Phantasie und Talent, doch versteht er nicht seinen Characteren die gehörige Haltung zu geben und sie consequent durchzuführen, auch erschwert sein Eigensinn, die Personen in dem Jargon ihrer Zeiten reden zu lassen, die Lecture seiner Arbeiten und giebt seinem Styl etwas störend Buntscheckiges.

Sein Roman Les mauvais garçons ist wohl das Beste, was er geschrieben hat; auch enthält eine Sammlung Erzählungen unter dem Titel Soirées de Walter Scott, manches Angenehme. Sein anderer Roman Les deux Fous ist in der Anlage glücklicher als in der Ausführung; sein letztes Werk aber, Le Roi des Ribauds, obwohl in geschichtlicher Hinsicht das treueste, beruht auf einer so) unanständigen Grundlage, daß man erröthen müßte, wollte man es em= pfehlen.

Das historische Drama ward nicht ohne Glück mit stren= gerer Rücksicht auf die Form von Alexandre Dumas, dem Sohn des bekannten Generals gleichen Namens, in seinem Henri III. et sa cour, und Stockholm, Fontaine

*) Man nehme keinen Anstoß an dem Titel dieses Buches, des fruchtbaren Verfassers neuester Arbeit. Tiefe Kenntniß des menschlichen Herzens, wie der Welt, geistreiche Auffassung und Darstellung der einzelnen Charactere, und ein höchst angenehmer Styl find nicht die geringsten Zierden derselben, umgeben von einer Menge scharfsinniger Bemerkungen und glücklicher Einfälle.

bleau et Rome, und ohne Rücksicht auf das Aeußere von Vitet in seinen Barricaden u. s. w. behandelt.

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Es wäre noch manches Anziehende hier zu erwähnen, aber ich darf, ohne den anderen Nationen Eintrag zu thun, bei der mir gewährten Zeit mich nicht länger mit den Franzosen beschäftigen, und erlaube mir daher, Sie, indem ich manche Bemerkung über den Geist der jetzigen französischen Nationallitteratur im Allgemeinen, die sich wohl aufdringen möchte, unterdrücke, zu dem benachbarten Inselvolke zu führen.

Sechste Vorlesung.

England.

Blick auf die Geschichte der englischen Sprache und Litteratur.

Byron. Sein Leben.

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Characteristik desselben als Dichter Seine kleineren lyrischen Gedichte. - HeMiscellaneous poems. Proben. Childe

Die englische Sprache, wie sie jetzt gesprochen wird, ist eine Mischung germanischer und romanischer Mundarten. Fremder Einfluß wirkte von jeher nachtheilig auf sie, und es dauerte lange, ehe sie zu einiger Selbstständigkeit, die doch immer keine ursprüngliche ist, gelangen konnte. Das seit Hengist's und Horst's Niederlassung vorherrschende Sächsische wurde, obwohl nur mühsam und niemals gänzlich, durch das Französische, welches die Normannen mitbrachten (seit 1066) unterdrückt. Im Verfluß mehrerer Jahrhunderte verschmolzen die beiden Sprachen endlich zu einer einzigen, welche während der Regierung Eduard's III. (1327 — 1350) als Hof- und Landessprache angenommen wurde, und ihre Herrschaft seitdem vollgültig behauptete.

Aus sp widerstrebenden Stoffen zusammengeseßt, hatte sie sehr lange mit der Willkühr Einzelner zu kämpfen, und erfreute sich erst eines Anfangs zu grammatischer Regelmäßigkeit in den Zeiten der Reformation, vorzüglich durch die 1535 zuerst erschienene Uebersetzung der Bibel, und die in derselben Periode sich verbreitende größere Kenntniß der Schriftsteller des Alterthums, welche im sechszehnten Jahrhundert vielfach übertragen wurden. Für ihre Ausbildung ward dann viel durch einzelne Dichter gethan, doch erst im achtzehnten Jahrhundert begann sie durch das Bemühen geistreicher Männer sich zu ei ner festen Regelmäßigkeit zu erheben, und ist seitdem, da ausgezeichnete Forscher sich eifrig mit ihr beschäftigten, immer mehr und mehr zu einer festen Ausbildung gelangt. Will man erborgte Schäße gelten lassen, so kann man ihr einen umfassenden Reichthum des Ausdruckes nicht absprechen, wogegen es ihr, streng genommen, an Wohllaut und an Wechsel des Klanges fehlt. Im Ganzen ist sie mir immer als ein eigensinniges Kind vorgekommen, das in der Schule nichts gelernt hat, und sich erst später, durch die Verhältnisse des Lebens gezwungen, obgleich immer mit Widerstreben, und wann und wo es kann, sich gehen lassend, strengen allgemein gültigen Gesetzen und Regeln fügt.

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Die Poesie eines Volkes unterliegt immer denselben Einflüssen wie seine Sprache, und Beide gehen in ihrer Bildung Hand in Hand. Wie bei dieser verschmolzen auch in der englischen Nationallitteratur zwei Stoffe mit einander, der ger manische, reich an Heldensagen einer schönen Zeit, und die nordfranzösische Ritterpoesie. Beide bewegten sich aber eine Zeitlang neben einander, dieser bei den Großen, jener im Volke, bis auch sie sich einander immer mehr näherten und endlich mit einander verbanden, wozu sich denn noch ein drittes, aus dem Studium der Dichter des Alterthums geschöpftes Element gesellte. Aus diesem Vereine entwickelte sich eine Nationalpoesie, welche, da sie gleiches Gedeihen mit dem Volke selbst fand, bald in schönster Blüthe stand, und vor

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