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Nr. 4959 liken, sondern auch für die Andersgläubigen, die gar keinen Grund haben die Bayern. Judicatur der katholischen Kirchenoberen über staatliche Angelegenheiten anzu27.Aug.1871 erkennen, die Grundlage der Entscheidung über das Kirchenstaatsrecht und über

die wichtigsten Interessen des Staates und damit auch die Entscheidung über die Hauptsache selbst in die Hand der kirchlichen Autorität gelegt. Da solch ein Verfahren offenbar unstatthaft ist, so erübrigt der Staatsregierung nur, sich selbst ein Urtheil auch über die Vorfrage zu bilden, indem sie aus der reichen, über den Gegenstand erschienenen Literatur die Gründe für und wider sich vergegenwärtigt und nach ihren Kräften abwägt, den historischen Verlauf der Sache in Betracht zieht und die Autorität der Stimmen würdigt, die sich ausgesprochen haben. || Ew. Excellenz werden es begreiflich und gerechtfertigt finden, wenn der Unterzeichnete es hier nicht für angezeigt erachtet, diese Aufgabe gleichsam vor den Augen Ew. Excellenz zu lösen und zu diesem Behufe hier eine Gegenüberstellung der Gründe für und wider zu bieten, und wenn er von dem Versuch einer eingehenden wissenschaftlichen Motivirung einer bestimmten Ansicht Umgang nimmt. Hier kann nur die Erklärung eine Stelle finden, dass die Literatur, welche über das Dogma von der päpstlichen Infallibilität erschienen ist, und die er gewissenhaft zu prüfen sich bemühte, dem Unterzeichneten die Ansicht aufgedrängt hat: dass diejenigen Recht haben, welche behaupten, durch Definirung des Dogma von der Infallibilität des Papstes sei eine wesentliche Neuerung an der Lehre der katholischen Kirche begründet worden. Diese Ansicht wird unterstützt durch das grosse, Menschenalter hindurch anerkannte, Ansehen verschiedener Kenner und Lehrer der einschlägigen wissenschaftlichen Disciplinen, solcher Männer der Wissenschaft, deren Liebe zur Kirche über allen Zweifel erhaben und deren Rechtgläubigkeit wenigstens bis in die neueste Zeit von Niemandem bestritten worden ist. Nichts bedarf weniger der Rechtfertigung, als dass die Staatsregierung den bisher von allen Betheiligten hochgehaltenen Autoritäten nicht lediglich deshalb den Rücken kehrt, weil eine Meinungsverschiedenheit sich erhoben hat. Von grossem Gewicht. ist für den Unterzeichneten auch der geschichtliche Verlauf der Concilsverhandlungen gewesen. Mit Recht wird man fragen: ob der Ausspruch der Erzbischöfe und Bischöfe, wenn er auch nicht sofort als endgültig maassgebende Sentenz betrachtet werde, nicht wenigstens dazu geeignet sei, das Gewicht der wissenschaftlichen Sommitäten auszugleichen, die sich gegen das neue Dogma erklärten. Nur die Erwägung, dass der Wahrheit jederzeit und ohne Rückhalt die Ehre gegeben werden muss, auch wenn es uns noch so schwer ankommt, dieselbe zu bekennen, gibt dem Unterzeichneten den Muth, im Angesicht Ew. Exc. für seinen Theil diese Frage zu verneinen. Der Unterzeichnete ist des Dafürhaltens, dass es die Erzbischöfe und Bischöfe bei ruhiger Abwägung aller Verhältnisse nicht befremden kann, wenn ihre Unterwerfung unter das Dogma von der päpstlichen Infallibilität nicht jedermann über dasselbe zu beruhigen im Stand ist, ja wenn man sich sogar, um zu beweisen, dass das Infallibilitätsdogma eine Neuerung enthält, auf ihr eigenes Verhalten

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Bayern. 27.Aug. 1871.

beruft. Um die Art der Erwägungen zu kennzeichnen, mit welchen er seinen Nr. 4959 Ausspruch rechtfertigen zu können glaubt, will der Unterzeichnete sich beispielsweise berufen auf die von mehreren Erzbischöfen und Bischöfen Galliens, Deutschlands, Oesterreichs und Ungarns, Englands, Irlands und Nordamerika's den Präsidenten des Concils überreichte, von Cardinal v. Rauscher verfasste und auch von bayerischen Bischöfen unterzeichnete Bitte vom 10. April 1870, in welcher, auf eine Art, die nicht mehr überboten werden kann, gegen das Dogma von der Infallibilität des Papstes Zeugniss gegeben und dessen Unvereinbarkeit mit den Einrichtungen der heutigen Staaten dargethan ist, dann auf die von vielen Bischöfen zu dem Schema eingereichten Animadversiones, in welchen bezeugt ist, dass die Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes in vielen Gegenden dem Volk und selbst dem Katechismus für die Pfarrer bisher unbekannt gewesen, und dass die von Lutheranern, Calvinisten etc. aufgestellte Behauptung: die Katholiken müssten auch dem Papste glauben, von jeher als Verleumdung bezeichnet worden sei. Der höchst bezeichnenden, von andern Erwägungen als der unzweifelhaften Wahrheit des Dogma ausgehenden Art und Weise, wie die Unterwerfung unter das Dogma von der päpstlichen Unfehlbarkeit von manchen Würdenträgern motivirt worden, soll hier nur vorübergehend gedacht werden. Die Erzbischöfe und Bischöfe können es unmöglich auffallend finden, wenn diejenigen, die ausserhalb der Streittheile stehen und sich eine Meinung darüber bilden müssen, welches die richtige Entscheidung sei, aus dem Widerstreben so bedeutender und wohlunterrichteter Concilsväter gegen die Definition des Dogma einen Beleg dafür abnehmen zu dürfen glauben: dass es sich bei dem Concil um etwas anderes als um die Fixirung einer längst geglaubten, unbestrittenen und unzweifelhaften Lehre handelte. | So wohl begründet als die Meinung, dass die Lehre von der persönlichen Infallibilität des Papstes eine wesentliche Neuerung an dem Lehrbegriffe der katholischen Kirche enthält, ist nach des Unterzeichneten festgewurzelter Ueberzeugung auch der Ausspruch: dass diese Neuerung sammt ihren Consequenzen nicht bloss die inneren Verhältnisse der katholischen Kirche, sondern auch die Beziehungen zwischen Staat und Kirche alterirt und dazu geeignet ist, Fundamentalssätze des bayerischen Verfassungsrechtes in Frage zu stellen und insbesondere die staatsbürgerlichen Rechte der Nichtkatholiken des Landes zu gefährden. Die Rechtfertigung für diese Behauptung liegt in der Erwägung: dass in das Gebiet desjenigen, worüber der Papst in der Folge für sich allein verbindliche Normen aufzustellen berechtigt sein soll, solche Dinge gezogen werden können und wirklich schon gezogen worden sind, welche, wenn nicht ausschliesslich, so doch zugleich der Rechtssphäre des Staates angehören, dass sonach die Staatsangehörigen künftig auch für das dem Staat anheimfallende Gebiet Gesetze aus der Hand des Papstes hinzunehmen hätten, die möglicherweise mit dem weltlichen Recht und mit den, alle modernen Staaten beherrschenden Principien in unlöslichem Widerstreite stehen. Ew. Exc. könnten geneigt sein, einzuwenden, dass der Kirche das Prädicat der Infallibilität von

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Bayern.

Nr. 4959 jeher und unbestritten und auch zu der Zeit vindicirt worden sei, in welcher die dermalen geltende Ordnung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche 27.Aug. 1871. festgestellt worden ist, und dass die Infallibilität des Papstes ebensowenig dem Staate Gefahr zu bringen geeignet sei, als ihm die Handhabung der kirchlichen Infallibilität durch ökumenische Concilien im Vereine mit dem Papste Gefahr gebracht habe. Der Unterzeichnete vermag es leider nicht, einem solchen Einwande gegenüber alle Bedenken zu unterdrücken und um dieses Einwandes willen das neue Dogma als nicht staatsgefährlich anzusehen. Wenn man sieht, was mit dem jüngsten vaticanischen Concil, trotz kräftiger Einsprache der Wissenschaft und trotz einer ziemlich tief gehenden Opposition aus seiner Mitte, dennoch zu Stande gebracht werden konnte, so könnte man sich allerdings zu dem Satze verstehen: dass auch schon die der Gesammtkirche zugeschriebene und von dem gesammten Episcopat auszuübende Infallibilität eine Gefahr für die Staaten enthielt. Doch leuchtet Jedermann ein, dass die Infallibilität, welche bisher ausschliesslich der Gesammtkirche beigemessen war, und die regelmässig in einem Ausspruche der auf einem ökumenischen Concil frei berathenden und beschliessenden Väter auf Grund einer mehr oder weniger exclusiven Stimmeneinhelligkeit ihren Ausdruck zu finden hatte, ein weit weniger bewegliches und zum Missbrauche sich eignendes Institut ist, als die Infallibilität, welche, wie oben behauptet, neu eingeführt worden ist und von dem Kirchenoberhaupt allein gehandhabt werden soll. In einer, aus Bischöfen des ganzen Erdkreises, aus Mitgliedern der verschiedensten Staaten zusammengesetzten Versammlung liegt eine grosse Garantie dagegen, dass einstimmige Beschlüsse zu Stande kommen, mit welchen in die Rechtssphäre der Staaten übergegriffen wird, und dass die das weltliche Gebiet beherrschenden Grundsätze umgestossen werden. Diese Garantie wird künftig fehlen. Es ist nicht Frivolität, nicht Gehässigkeit gegen die Kirche, wenn man weiter geht und behauptet, dass die Befürchtungen, welche an den Mangel dieser Garantie geknüpft werden, bereits eminente geworden sind. Denn es ist nicht allein die Absicht documentirt worden, für den Fall Bedürfens in das weltliche Gebiet einzugreifen, sondern es sind in der That diese Uebergriffe bereits erfolgt. Bezüglich dessen, was der ergebenst Unterzeichnete hier zu behaupten sich erlaubt hat, bezieht sich derselbe abermals auf die reiche Literatur über das Infallibilitätsdogma. || Auch mit eingehenden Erörterungen über das hier Gesagte würde er die Grenzen überschreiten, welche dieser Zuschrift durch die Natur der Sache gesteckt sind. Die Auffassung, die der Unterzeichnete hier ausgesprochen hat, findet ihre Begründung und Bestätigung in den Gutachten der juristischen Facultäten des Landes, in den wissenschaftlichen Erörterungen fast aller deutschen Kirchenrechtslehrer von Bedeutung und anderer hocherleuchteten Männer der Wissenschaft, die ein langes ehrenhaftes Leben hindurch zu den treuesten Söhnen der katholischen Kirche gehört haben, und deren Aussprüche nicht erst jetzt, in der Zeit kirchenfeindlicher Opposition, wie Ew. Excellenz die entstandene Bewegung bezeichnen, sondern lange

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vor dem 18. Juli 1870 als wohlmeinende Warnung erfolgt sind. Männer dieser Nr. 4959 Art kann der ganz ergebenst Unterzeichnete unmöglich nach dem Beispiele Bayern. so manches dem Dogma freundlichen Blattes mit Ungläubigen und Indifferenten 27.Aug. 1871. oder mit Abtrünnigen auf eine und dieselbe Stufe stellen. Der Unterzeichnete will Ew. Exc. nicht mit Aufzählung der mannichfachen Erlasse früherer Päpste zur Last fallen, mit deren Inhalt die eben angeführten Autoritäten ihre Behauptungen begründet haben. Es soll hier nur, um ein einziges Beispiel anzuführen, das Rundschreiben des jetzt regierenden heil. Vaters aus dem Jahr 1864 „,quanta cura" und der demselben beigegebene Syllabus errorum Erwähnung finden. Dass die in dem Syllabus aufgestellten Sätze zum grossen Theil in einschneidendster Weise auf das weltliche Gebiet übergreifen, und dass neben denselben zahlreiche Einrichtungen der modernen Staaten nicht fortbestehen können, wird einer näheren Ausführung nicht bedürfen. || Auch das wird sich nicht mit Erfolg bestreiten lassen, dass der Syllabus alle diejenigen Merkmale an sich trägt, welche nach den Concilsbeschlüssen vom 18. Juli 1870 die Erlasse eines ex cathedra sprechenden Papstes kennzeichnen. Wäre hiefür nicht der Inhalt der erwähnten Erlasse selbst entscheidend, und wäre gleichwohl noch ein Zweifel übrig geblieben, trotz aller von der „Civiltà Cattolica" entwickelten Theorien, so würde er durch den Ausspruch des Hrn. Bischofs von Regensburg, in seinem Hirtenbriefe vom 22. Sept. 1870, beseitigt worden sei, woselbst die Encyclica vom 8. Dec. 1864 in einer Weise, die keiner Missdeutung fähig ist, unter die infalliblen päpstlichen Aussprüche gerechnet wird. Ew. Exc. werden auch zugeben, dass die äusserst vorsichtige Art und Weise, wie sich Bischof Fessler in seiner Schrift: „Die wahre und die falsche Unfehlbarkeit der Päpste," über den Syllabus gegen Dr. Schulte ausgesprochen hat, nicht dazu dienen kann, um den Unterzeichneten in seiner Ansicht wankend zu machen. Wenn aber auch mit Erfolg dargethan zu werden vermöchte, dass alle bis jetzt ergangenen Aussprüche der vorbezeichneten Art nicht als Aussprüche ex cathedra betrachtet werden können, so wäre damit höchstens so viel bewiesen: dass bis jetzt noch kein kirchlicher Glaubenssatz existirt, welcher mit dem Staat und seiner Verfassung im Widerspruche steht. Die Gefahr für die weltlichen Regierungen wäre darum noch nicht beseitigt; denn bei dem Mangel einer durchgreifenden Abgrenzung des kirchlichen Bereiches vom Glauben und insbesondere von den Sitten würde Niemand einen künftigen Papst zu hindern vermögen, dass er mit der Erklärung: es handle sich um das Gebiet der Sitten, die in der Beilage zum oben bezeichneten Rundschreiben besprochenen Gegenstände in einem sonst nicht mehr gangbaren Sinne zum Object von Kathedralentscheidungen macht. Mindestens dafür, dass der Hinweis auf diese Möglichkeit nicht aus der Luft gegriffen ist, bildet die auch in neuester Zeit in der Encyclica vom Jahr 1867 bekundete Absicht, an die weltlichen Staatsordnungen corrigirend die Hand zu legen, einen treffenden Beleg. Es fragt sich, ob die von den Bischöfen schon vielfach abgegebene Erklärung: dass die Infallibilität des Papstes sich nur auf das kirchliche Ge

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Nr. 4959 biet von Glauben und Sitten, niemals aber auf das weltliche Gebiet erstrecke, Bayern. Beruhigung zu gewähren im Stande ist, oder, um von einem mehrfach an27.Aug. 1871. gekündigten, bis jetzt aber nur bezüglich der Absetzung von Fürsten verwirklichten Ereignisse zu sprechen, ob eine beschwichtigende Erklärung des römischen Stuhles von demselben Inhalt diese Kraft der Beruhigung ansprechen könnte. Der Unterzeichnete bedauert, auch diese Frage nicht bejahen zu können. Was die bereits vorhandenen päpstlichen Erlasse betrifft, so leuchtet ein, dass an dem Charakter derselben nun nach dem Abschlusse der maassgebenden Thatsachen nichts mehr geändert werden kann. | Entweder sind jene Erlasse, je nach den längst abgeschlossenen thatsächlichen Verhältnissen, unter denen sie erflossen sind, infallible und allgemein verbindliche Sätze, oder sie sind es nicht. Liegen die Thatsachen so, dass jeder, welcher unbefangen die Sache prüft, zu dem Schlusse kommen muss, dass die mehrbezeichneten Erlasse vom Papst in seiner Eigenschaft als oberster Hirt und Lehrer aller Christen kraft seiner höchsten apostolischen Gewalt ausgegangen sind, um als Lehre der Kirche alle Katholiken zu verbinden, dann vermag selbstverständlich der hiedurch bedingte Schluss auf das Vorhandensein eines dogmatischen Ausspruches dadurch nicht ferngehalten zu werden, dass wenige oder viele Bischöfe die Ansicht aussprechen: es fehle den Erlassen an irgend einer Voraussetzung der Infallibilität, namentlich dann nicht, wenn weder die Erlasse noch die fehlenden Qualitäten concret bezeichnet würden. Allgemein gehaltenen beschwichtigenden Erklärungen der eben gedachten Art würde eine grosse Dehnbarkeit eigen sein, und es würde doch wieder die Entscheidung über die Bedeutung jedes einzelnen Erlasses und darüber offen bleiben, ob er unter die Erklärung der Bischöfe fällt, oder nicht. Trotz solcher Meinungsäusserungen würden künftige Bischöfe und Päpste auf die Ansicht zurückkommen können: dass dennoch in diesem und jenem Erlass ein infallibler Ausspruch vorliege. Hiebei ist, wie in die Augen springt, ganz abgesehen von der erheblich veränderten Stellung, welche nach Ansicht der bedeutendsten Kanonisten die Bischöfe in Folge des Concils erhalten haben, und von den entgegengesetzten Aeusserungen anderer Bischöfe, wie eine solche oben angezogen worden. Nicht anders würde es sich mit einer etwa von Rom ausgehenden beruhigenden Erklärung verhalten können, da selbstverständlich kein Nachfolger des jetzigen Papstes daran gehindert wäre, die allegirten Bullen als Kathedralaussprüche zu behandeln, wenn auch die jetzige päpstliche Regierung die Meinung aussprechen sollte, dass sie keine infalliblen Sätze enthalten. Ja, es fragt sich, um zu allem Ueberflusse von einem Ereignisse zu sprechen, das wohl niemals eintreten dürfte, ob selbst ein Ausspruch des Papstes ex cathedra, in dem Sinne, dass diese und jene früheren päpstlichen Erlasse keine infalliblen Aussprüche seien, Beruhigung zu gewähren vermag. Denn hat in jenen Erlassen der betreffende Papst in seiner Eigenschaft als Lehrer der Kirche gesprochen, um eine alle Gläubigen verpflichtende Lehre festzustellen, so sind die Erlasse auf Grund dieser Thatsache infallible Aussprüche, sie sind selbst zur That

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