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Nr. 4956 Staates, erzogen werden sollen, von der Theilnahme an dem Religionsunter(221). Preussen richte jener Schulanstalt befreit sein sollen (§. 11. Th. 2. Tit. 12. A. L. R.). 9. Juli 1871. Die competente kirchliche Behörde erklärt, dass Dr. Wollmann und seine Lehre sich im Widerspruche mit der Kirche und ihrer Lehre befinden, dass er eine von der katholischen Religion verschiedene Anschauung über wesentliche Glaubenspunkte hat; ja, sie hat ihn wegen seiner hartnäckigen und bewussten Opposition gegen die kirchliche Lehre mit kirchlichen Strafen belegt Viele Eltern haben in ihren sowohl an Ew. Excellenz als an mich gerichteten Schreiben ihn als einen solchen bezeichnet, der einen von dem ihrigen verschiedenen Glauben bekennt. Sie haben ein gesetzliches Recht darauf, und ich als Vertreter der Kirche fordere es, dass der ganze Glaubensinhalt unserer heiligen Religion rein und unverkürzt den katholischen Schülern des stiftungsmässig katholischen Gymnasiums in Braunsberg vorgetragen werde, und zwar durch einen nach dem Zeugnisse der Kirche dem katholischen Glauben treuen und mit seinem Bischofe in religiöser Gemeinschaft lebenden Priester. Wenn nun Ew. Excellenz trotz der von den Eltern und der rechtmässigen Behörde erklärten Glaubensverschiedenheit die katholischen Schüler auf dem Gymnasium zu Braunsberg verpflichten, den Unterricht des nicht katholischen Dr. Wollmann zu besuchen, so üben Ew. Excellenz einen von dem Gesetz ausdrücklich verbotenen Gewissenszwang und treiben widerstrebende Herzen durch moralische Nöthigung in Unterrichtsstunden, welche sie gemäss den Grundsätzen ihrer Religion gewissenshalber nicht besuchen dürfen. Ich muss hiegegen um so mehr Protest erheben, als durch diese Verpflichtung das durch die Bulle de salute animarum vorgesehene, durch Königliche Cabinetsordre vom 12. März 1841 genehmigte bischöfliche Convict für Schüler des Braunsberger Gymnasiums, welche sich dem Studium der Theologie widmen wollen, thatsächlich aufgehoben wird, indem die Alumnen desselben durch die Grundsätze und Bestimmungen der katholischen Kirche verhindert werden, dem Religionsunterricht des Dr. Wollmann beizuwohnen, damit aber, gemäss dem von Ew. Excellenz getroffenen Entscheide, von dem dortigen Gymnasium ausscheiden müssen, ohne irgend etwas Anderes gethan zu haben, als dass sie gewissenshalber sich weigern, den Religionsunterricht eines nicht katholischen Lehrers, der doch zu den gesetzlichen Anordnungen eines katholischen Gymnasiums für katholische Schüler nicht gehören kann, ferner zu besuchen. Zwar behaupten Ew. Excellenz, es bestehe keine gesetzliche Nöthigung zum Besuche des Gymnasiums in Braunsberg oder eines Gymnasiums überhaupt. Ich frage aber Ew. Excellenz: Besteht nicht ein gesetzliches Recht der katholischen Eltern auf diesen Besuch, und ist es gesetzlich erlaubt, ihnen die Ausübung dieses Rechtes zu verkümmern oder unmöglich zu machen? Ich frage ferner: Wenn keine gesetzliche Nöthigung besteht, ist nicht für Viele eine moralische Nöthigung vorhanden zu ihrer wissenschaftlichen Ausbildung, ein Gymnasium und gerade das Gymnasium zu Braunsberg zu besuchen? Soweit nun auf der Welt geistige Bildung als ein besonderes Gut des Lebens gilt, wird man es als einen be

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sondern Gewissenszwang ansehen, ihre Erlangung nur unter Bedingungen zu gestatten, welche mit der religiösen Ueberzeugung im Widerspruche sich be- Preussen. finden. Dieser Zwang wird jetzt an dem Gymnasium zu Braunsberg ausgeübt. 9. Juli 1871. Wollen daselbst katholische Schüler, den Grundsätzen der Kirche und ihrem Gewissen getreu, den Religionsunterricht eines von seinem Glauben abgefallenen Priesters nicht besuchen, so sind sie gezwungen und bereits hat die Ausführung dieser in Wahrheit grausamen Anordnung begonnen das Braunsberger Gymnasium zu verlassen, und nicht wenige müssen auf die durch die Gymnasialstudien zu gewinnende wissenschaftliche Bildung und die hiedurch bedingten Aussichten auf eine höhere Stellung im bürgerlichen Leben Verzicht leisten, weil ihre Verhältnisse es ihnen nicht gestatten, ein anderes Gymnasium zu besuchen. Ist eine solche Nöthigung mit den schützenden Bestimmungen des A. L. R. §. 11. Thl. II. Tit. 12 zu vereinbaren? Von dem bekannten Edicte des Kaisers Julian, welches der christlichen Jugend die alten griechischen und römischen Klassiker zu erklären verbot, sagten die Kirchenväter, es sei grausamer, als eine offene Verfolgung. Zwingt nicht der Entscheid Ew. Excellenz vom 29. Juni eine ganze Reihe talentvoller Jünglinge, auf eine classische Ausbildung und die dadurch zu gewinnende Lebensstellung Verzicht zu leisten, um nicht mit den Anforderungen ihres Glaubens und ihrem Gewissen in Conflict zu kommen? Ist das gesetzliche Schulordnung, wenn Schüler in einen Unterricht gezwängt werden, welcher mit ihrem Glauben nicht übereinstimmt, da doch das Gesetz gerade das Gegentheil vorschreibt? Ich erlaube mir, dieses der Erwägung Ew. Excellenz gehorsamst noch einmal zu unterbreiten und unter Berufung auf die gesetzlichen Bestimmungen sowie im Interesse der Wissenschaft, die ein Gemeingut aller Staatsbürger ohne Unterschied der Confession ist, gegen diesen Zwang und die durch ihn herbeigeführte Ausschliessung berechtigter Staatsbürger von der Wohlthat der Gymnasialbildung Verwahrung einzulegen. 3. Dass ferner der Charakter des stiftungsmässig katholischen Gymnasiums zu Braunsberg durch Ausführung des Entscheids vom 29. Juni d. J. alterirt und katholische Fonds zu nichtkatholischen Zwecken verwendet werden, liegt auf der Hand, da das Recht auf den Genuss katholischer Fonds nur jenen Katholiken zukommt, die nach Gesetz und Staatsverträgen, wie z. B. nach der Bulle de salute animarum, als wirkliche Katholiken zu betrachten sind, d. h. jenen, die mit dem Oberhaupte und den Bischöfen der katholischen Kirche in Communion leben. || Aber, sagen Ew Excellenz, die Stiftung des Gymnasiums in Braunsberg und die Widmung der zu seiner Unterhaltung dienenden Fonds gehören einer Zeit an, in welcher der Concilsbeschluss vom 18. Juli v. J. noch nicht bestand. Deshalb sei eine Verleugnung des katholischen Charakters jener Anstalt nicht vorhanden. || Ew. Excellenz übersehen, dass jene Stiftung und Widmung jedenfalls in eine katholische Zeit fallen und von Wohlthätern herrühren, die katholisch glaubten und lebten, der Lehrautorität der Kirche sich unterwarfen und das Recht der Kirche anerkannten, auf allgemeinen Concilien bindende Glaubensdefinitionen

Nr. 4956 zu erlassen, die deshalb von vornherein alle von der rechtmässigen kirchlichen (221). Preussen. Autorität gegebenen und zu gebenden Glaubensentscheidungen annahmen, und 9. Juli 1871. die, treu ihrer Kirche ergeben, nichts mehr verabscheuten, als die Auflehnung gegen das kirchliche Lehramt. Die ersten Begründer und grössten Wohlthäter der Anstalt, der berühmte Cardinal Hosius und sein trefflicher Nachfolger Cromer, waren sogar wissenschaftliche Vertheidiger des Glaubens an das unfehlbare Lehramt des Papstes, nicht minder die an der Anstalt während zweier Jahrhunderte wirkenden Jesuiten, zu deren Füssen der opferwillige Sinn der gläubigen Katholiken Ermlands ihre Gaben und Vermächtnisse zur festern Begründung, Erhaltung und Erweiterung der katholischen Anstält niederlegte. Ew. Excellenz werden nicht annehmen, dass jene katholischen Begründer und Wohlthäter derselben die Absicht gehabt hätten, durch ihre Opfer das Lehramt eines seiner Kirche untreu gewordenen Priesters zu unterhalten oder die Subsistenzmittel für Lehrer zu bieten, welche sich gegen die dogmatischen Entscheidungen einer allgemeinen Kirchenversammlung auflehnen und die Autorität des Papstes und der Bischöfe der katholischen Welt verachten, während das gesammte katholische Ermland, Klerus wie Laien, fast ohne Ausnahme sich in unwandelbarer Treue um seinen Bischof und das Oberhaupt der Kirche schaart. Nachdem ich Herrn Dr. Wollmann seit dem 8. December 1870 in verschiedenen seine Bedenken berücksichtigenden Schreiben zur Umkehr aufgefordert und ihm, da alle Bemühungen und auch ernstere Schritte fruchtlos blieben, vielmehr eine entschieden unkirchliche Gesinnung und Handlungsweise sich kundgab, nach einer letzten väterlichen Mahnung unter dem 14. Juni eine peremptorische Frist von 10 Tagen zur Unterwerfung unter das vaticanische Concil gesetzt hatte, sah ich mich nach einer am 24. Juni eingelaufenen ablehnenden Antwort in die schmerzliche Nothwendigkeit versetzt, unter dem 4. Juli durch richterliches Urtheil festzusetzen, dass er der durch das vaticanische Concil ausgesprochenen grossen Excommunication verfallen sei. Er ist mithin kein Glied der katholischen Kirche mehr, er ist durch freie und hartnäckige Leugnung ihrer Autorität und ihrer neuesten Lehrentscheidungen aus ihrem Verbande ausgeschieden, und diese Ausscheidung ist durch die allein hierin competente kirchliche Behörde constatirt. Ew. Excellenz mögen beurtheilen, welche Gefühle sich in dem Herzen katholischer Eltern regen müssen, wenn sie durch die staatlichen Behörden, von welchen sie Schutz der ihnen garantirten Glaubens- und Gewissensfreiheit mit Recht erwarten und fordern können, gezwungen werden, entweder ihre Kinder in den Unterricht eines excommunicirten Priesters zu schicken, welchen sie ihrem Glauben und Gewissen nach nicht besuchen dürfen, oder aber auf geistige höhere Bildung und die durch dieselbe zu gewinnende höhere Stellung im Staatsleben für ihre Kinder zu verzichten. Excellenz! Ihre Entscheidung vom 29. Juni hat mich und Tausende, ja Millionen treuer katholischer Unterthanen mit tiefstem Schmerze erfüllt. Sie ist ein Angriff auf unser höchstes, theuerstes Gut, unsern heiligen Glauben; sie ist eine Verleugnung der

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bisherigen preussischen Grundsätze in Behandlung confessioneller Angelegen- Nr. 4956 heiten; sie ist eine Verletzung der bestehenden Gesetze, der natürlichen und Preussen. verbrieften Rechte der Katholiken Preussens; sie ist ein verhängnissvoller erster 9. Juli 1871. Schritt auf abschüssiger Bahn. Möge Gott weiterhin gnädig abwenden, dass die Gerechtigkeit und der Friede in religiösen Dingen, das Palladium der Stärke Preussens, aus seiner Mitte weiche! Meine Diocesanen, nach dem Worte des Apostels stets bemüht, Gott zu fürchten, den König zu ehren, tragen mit mir ein dankbares Herz für alles Gute, welches uns durch unser Vaterland und sein theures Haupt zugeflossen ist und noch fortwährend zu Theil wird. Aber alle Güter des Vaterlandes bieten uns keinen Ersatz für die Verletzung unseres theuersten, von Gott gegebenen Gutes, unseres heiligen Glaubens, und können nicht den Schmerz stillen, welchen ungerechter Gewissenszwang, und wenn er auch nur eine einzige Seele zum Falle brächte, in unserem Innern hervorruft. Ich bitte von Herzen Ew. Excellenz, eine Entscheidung geneigtestens abändern zu wollen, die mit tiefem Misstrauen und Unmuth jegliches wahrhaft katholische Gemüth erfüllt, und die nicht zum Wohle unserer Provinz, nicht zum Wohle des preussischen und deutschen Vaterlandes gereichen kann.

Frauenburg, den 9. Juli 1871.

Der Bischof von Ermland
+ Philippus.

Nr. 4957. (222.)

RÖMISCHE CURIE. Erklärung Pius' IX. über die Ausdehnung der päpstlichen Unfehlbarkeit.

Das Münchner Pastoralblatt Nr. 31 theilt mit:

Nr. 4957 (222).

Am 20. Juli 1871 empfing der heilige Vater in seinem Thronsaale Rom. Curie. eine Deputation der Akademie der katholischen Religion, welche unter Füh- 20. Juli 1871, rung des Cardinals Asquini erschienen war, um in einer Adresse die Gefühle tiefster Verehrung und Dankbarkeit gegen einen Papst auszudrücken, welcher soviel für die Erhöhung und Ausbreitung der katholischen Kirche gethan. In der Erwiederung darauf ermunterte der heilige Vater die Mitglieder der Akademie zur Vertheidigung der Wahrheit und zur Bekämpfung der Irrthümer, welche sich ihr gegenüber stellten. Unter den verschiedenen Aufgaben, die sich ihnen in dieser Beziehung darbieten, erscheine ihm eine von besonderer Wichtigkeit, nämlich die Behauptungen zu widerlegen, mit welchen man den Begriff der päpstlichen Unfehlbarkeit fälschen wolle. Unter den übrigen Irrthümern sei der maliciöseste (Fragli altri errori, piu di tutti essere malicioso) jener, welcher behaupte, es sei in ihr das Recht eingeschlossen, Fürsten abzusetzen und die Völker vom Eide der Treue zu entbinden. Dieses Recht sei einigemal in äusserster Noth von den Päpsten

Nr. 4957 (222). Rom. Curie.

20. Juli 1871.

ausgeübt worden, habe aber mit der päpstlichen Unfehlbarkeit durchaus nichts zu thun. Es sei eine Folge des damals geltenden öffentlichen Rechtes und des Uebereinkommens der christlichen Nationen, welche im Papste den obersten Richter der Christenheit erkannten, gewesen, dass die Päpste auch in weltlichen Dingen über Fürsten und einzelne Völker richteten. Die gegenwärtigen Verhältnisse seien aber ganz und gar verschieden von den früheren, und nur Bosheit könne so verschiedene Dinge und Zeitverhältnisse mit einander vermengen, als hätte ein unfehlbares Urtheil über eine Offenbarungswahrheit irgend welche Beziehung zu einem Rechte, welches die Päpste nach dem Willen der Völker ausüben mussten, wenn es das gemeinsame Beste verlangte. Die Absicht, warum man eine so absurde Behauptung aufstelle, an welche Niemand und am wenigsten der Papst denke, liege klar zu Tage. Man suche nach Vorwänden, selbst den frivolsten und unwahrsten, um die Fürsten gegen die Kirche aufzureizen. „Einige wünschten," fuhr der heilige Vater fort, „dass ich die conciliarische Definition noch weiter und bestimmter erklärte. Ich will es nicht thun. Sie ist deutlich genug und bedarf keiner weiteren Commentare und Erklärungen. Wer das Decret mit aufrichtiger Gesinnung liest, dem liegt sein wahrer Sinn leicht zu Tage. Euere Aufgabe nur ist es, mit eurer Gelehrsamkeit und eurem Scharfsinne diese Irrthümer zu bekämpfen, welche täuschen und berücken und Unwissende verführen können."

Nr. 4958

(223).

Preussen.

Nr. 4958. (223.)

PREUSSEN. Erlass des Cultusministers (v. Mühler) an den Bischof
von Ermland. Zurückweisung des bischöflichen Protestes vom 9. Juli.
(Vergl. Nr. 4956 [221].)

Die Gesichtspunkte, von welchen aus Ew. Bischöfliche Hochwürden nach Inhalt des geehrten Schreibens vom 9. d. Mts. Verwahrung gegen die in meinem 21. Juli 1871. Schreiben vom 29. v. Mts. ausgesprochenen Grundsätze und deren Consequenzen einlegen, habe ich bereits vor meiner Entscheidung über die bei dem Gymnasium in Braunsberg entstandene Differenz sorgfältig erwogen. Es ist nicht meine Absicht, über die Berechtigung und die Angemessenheit jener Entscheidung in Erörterungen mit Ew. Bischöflichen Hochwürden einzutreten, welche von vornherein keine Aussicht auf gegenseitige Verständigung darbieten. Den katholischen Bischöfen Deutschlands ist es nicht unbekannt gewesen, und sie haben es vor den Beschlüssen des vaticanischen Concils wiederholt selbst bezeugt, dass diese Beschlüsse für Deutschland den Keim von Verwickelungen zwischen Staat und Kirche in sich tragen. Diese berechtigte Warnung ist an der entscheidenden Stelle unbeachtet geblieben. Nachdem die Beschlüsse gefasst und verkündet sind und auch diejenigen Bischöfe, welche deren Erfolg vorausgesehen haben, die unbedingte Durchführung derselben sich zur Aufgabe gestellt haben, ist von dergleichen Verhandlungen ein Erfolg nicht wohl ab

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