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und früher wohl auch nicht in den andern litterarischen Salons, da die Presse über Thiessés Übersetzung schwieg. Wenn man die begeisterte Aufnahme, welche der Übersetzung von 1819 sofort zu teil wurde, mit dem Misslingen vor Thiessés Versuch im Jahre 1816 vergleicht, sieht man, wie viel das Auftreten des Vampire in dem Jean Sbogar-Cyklus für Byrons Berühmtheit gethan hat. Einen Begriff von dem Enthusiasmus bei Stapfer giebt uns Délécluze, wenn er sagt, Stapfer, Ampère und die anderen. haben so eifrig über Scott und Byron diskutiert, dass er sich ärgern musste, weil er kein Englisch konnte und infolgedessen sich nicht an. ihren Erörterungen zu beteiligen vermochte. Er erzählt, wie sich eine Gelegenheit, englisch zu lernen, durch eine zufällige Familienbeziehung bot, und wie er sie ausgenutzt hat, um jene Schriftsteller zu lesen. Dies war der Salon Stapfer, wo Mérimée sich zum ersten Male mit der litterarischen Welt berührte. Zwar war er im Jahre 1817 erst 14 oder 15 Jahr alt, sodass der Bericht von Filou (Prosper Mérimée et ses amis), in dem kein Datum angegeben wird, sich auf die Zeit nach der Übersetzung beziehen kann (vergl. aber Délécluze oben S. 13). Man kam jeden Sonntag bei Délécluze zusammen, um von Litteratur zu reden; Mittwochs versammelte man sich zu gemeinschaftlicher englischer Lektüre. Ce qu'il savait (Mérimée), il le savait au fond. C'était merveille, paraît-il, de l'entendre lire et commenter Don Juan. In dieser Gruppe, die aus Ampère, dem jungen Stapfer, dem intimen Freunde Mérimées, der mit 20 Jahren Faust zum ersten Mal ins Französische übersetzte (1820), Beyle, Courier u. a. bestand, war Duvergier de Hauranne der eingefleischte Romantiker, und Viollet-le-Duc der Hauptverteidiger der Klassiker. Charles Loyson war auch befreundet. mit den Stapfers. Im Jahre 1819 begründete er das Lycée Français, zu welchem Bruguière de Sorsum die einzigen Übersetzungen1) aus Byron beitrug, die vor der Ladvocatischen erschienen sind. Es sind dies 1) Darknesse (sic), in Versen, welchen ein Abschnitt der Edinburgh Review von 1816 vorausgeht; 2) Parisina, in Prosa, die als Beispiel von Byrons Dichtung am Schlusse nach einer Besprechung Don Juans steht. Sonst bringt das Blatt noch einen Artikel über Mazeppa, den es als eine der unbedeutendsten Schöpfungen des Dichters bezeichnet. Es nimmt besonders Anstoss an den komischen Zügen, die mitten in den fürchterlichen Szenen vorkommen. Besonders lobenswert in Byron findet es die originalen Beschreibungen, in diesem Urteil mit dem Journal des Débats zusammentreffend; aber es fügt hinzu:,,ses poésies satiriques

1) Abgesehen von Thiessé (siehe oben S. 5).

sont peut-être celles où il a le plus fortement imprimé la marque d'un génie original." Diese Bemerkung enthält die strikte Wahrheit, findet sich aber nur bei diesem Kritiker, der sich J. V. L. unterzeichnet. Auf genügende Anerkennung der witzigen Seite Byrons müssen wir bis De Musset warten, und diesem selbst fehlt der Sinn für Satire.

III. Byron Chef d'Ecole.

Die Umstände, die zur Übersetzung von Byrons sämtlichen Werken führten, sind schon dargestellt worden. Die erste Lieferung, Bd. I und II, erschien im Sept. 1819, und die andern folgten schnell aufeinander; Bd. III und IV im Okt. 1819 und der Rest im Jahre 1820. Wäre Byron in Paris gewesen, er hätte hier ein zweites 1812 erlebt1). Es ist für ihn eine Nemesis gewesen, dass er, der nichts von dem klassischromantischen Kampf wissen wollte, weil es ein Beweis von Geschmacklosigkeit wäre, dass überhaupt etwas wie Romantismus existiere"), als Haupt der Schule hingestellt wurde. Im Journal des Débats (20 juillet 1820) liest man:

De toutes les productions dues à une muse étrangère, les œuvres de Lord Byron sont sans contredit celles qui, dans ces derniers temps en France, ont obtenu le plus de succès. Accueillies avec un empressement bien rare dans un moment où les grands intérêts de la politique semblent occuper tous les loisirs, elles ont fait particulièrement les délices des partisans de la littérature romantique

Am 9. Dez. 1820 heisst es:

La gloire de Lord Byron a traversé le détroit. Le poète favori de l'Angleterre compte aujourd'hui presque autant d'admirateurs sur les bords de la Seine que sur le rivage de la Tamise. Il ne reste qu'une petite bande de vieux Gaulois pour défendre le temple saint que Corneille et Voltaire, Racine et Boileau élevèrent en France au bon goût et à la raison . . . Le monstre romantique devient plus redoutable. Caché longtemps sous le modeste in-douze, Lord Byron a revêtu l'in-octavo plus menaçant ... il a passé dans l'élégant boudoir des petites-maîtresses. Partout on

...

1) Schon Ende 1819 schrieb Lesueur im Jahresberichte über die Litteratur im Jahre 1819 (L'Annuaire Historique Universel 1819): M. Nodier, l'un des coryphées de l'école romantique, que la France aurait peut-être mis à côté de W. Scott ou même de Lord Byron, s'il n'avait été trop distrait dans la route où son génie veut trouver de l'air et de la liberté. 2) Brief an Goethe 1820.

traite de froids et de barbares les critiques sévères qui s'obstinent à trouver ses folies souvent bien tristes, et sa tristesse souvent très plaisante. Marino Faliero, obgleich noch nicht erschienen, wird als Gegenstand der Erörterung aller Londoner Salons erwähnt. Byron wird wie Scott jetzt im Auge behalten; nicht nur werden die schon veröffentlichten Werke besprochen, man sieht auch den zukünftigen mit Spannung entgegen:

Des traducteurs français sont déjà partis en poste pour nous donner le chef d'œuvre tragique de Lord Byron, aussitôt qu'il aura paru. La concurrence va s'établir; on assure même qu'une compagnie littéraire pour devancer les entreprises rivales doit placer une ligne télégraphique qui partira de Covent Garden, et viendra apporter par signaux les vers de la tragédie anglaise au comité du Théâtre-Français. La poésie romantique qui se perd toujours dans les nuages, ne saura voyager d'une manière plus convenable. Der Artikel ist unterzeichnet ,,R". Am 16. Dez. 1820 veröffentlicht derselbe R" einen Artikel über Scott, in dem am Schlusse es heisst:

Si on les juge d'après les principes de notre littérature, autant la raisom l'emporte sur la folie, et le bon sens sur un abus intolérable du talent, autant selon moi, W. Scott l'emporte sur Lord Byron.

Im Jahre 1818 lautete das Urteil der Débats gerade umgekehrt. Somit wird schon der Ton des Globe angeschlagen, der die letzte Etappe des Kampfes vertritt, in der die verbündeten1) Romantiker die klassische Festung, das Theater, umzingeln und schliesslich einnehmen. Am 23. April 1821 bringt das Journal des Débats den ersten von einer Reihe jener pamphletenartigen Artikel, die es aus seinem unter dem Banne des Klassizismus stehenden Redaktionsbüreau von Zeit zu Zeit in den Kampf schleuderte. Unter der Überschrift: Œuvres complètes de Lord Byron, trad. par Chastopalli Ladvocat, führt der schon erwähnte,,R“ aus: Dans la littérature comme dans la politique tout semble remis en question Un critique . . . doit faire la guerre à tous ces insectes que le vent du septentrion nous apporte sur ses ailes; et son état n'est-il pas en quelque sorte d'écheniller le Parnasse?

,,R" hat schon von dem fast ausschliesslichen Interesse des Publikums für die Politik in dieser Zeit gesprochen, jetzt sagt er wieder:

Quoiqu'on lise peu maintenant ... l'on a vu ses (sc. Byrons) poésies exciter presque autant de sensation qu'une brochure politique.

1) Vgl. die Stelle im Nain Jaune (1815), die Maigron citiert, wo ein angeblicher Schutz- und Trutz-Vertrag zwischen Deutschland, England, Italien etc. gegen die französische Litteratur gedruckt ist. Einer der Artikel bestimmt Leipzig zum Hauptquartier der Verbündeten. Um diese Zeit hat der Zeitungskrieg zwischen Klassikern und Romantikern angefangen.

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Hier fangen die Anklagen gegen die Romantiker an:

A ceux qui prennent quelquefois l'enflure pour la grandeur, l'obscurité pour la profondeur... Byron parut un dieu digne de leur culte et de leur encens. Die andere Partei hielt ihn für ein „mélange confus de beautés assez rares et de défauts très nombreux". Dies ist eine ziemlich genaue Schilderung der gewöhnlichen klassischen Kritiken über Byron. Diese Partei, fährt er fort, unterstützt die Litteratur, welche Mme. de Staël pétrifiée nennt, ohne Zweifel, weil sie allen Angriffen des schlechten Geschmackes wie ein Felsen Widerstand leistet.

Parmi les admirateurs en France le plus important est Lamartine. Il rendit le plus bel hommage à Lord Byron en paraissant le choisir pour son modèle, et il eut encore avec lui cette noble ressemblance que son talent, comme le génie du chantre de Lara, ne connut point d'aurore.

Hier tritt also die doppelte Einwirkung Byrons, als Schriftsteller und als Mensch, deutlich hervor. Er gilt als Vorbild für Lamartine, und zweifellos hat sein plötzliches Auflodern ohne „aurore" die jugendlichen Phantasieen entflammt und zur Nacheiferung angeregt. Hier wird auch Lamartines Epitre à Lord Byron citiert. Schliesslich heisst es: Lord Byron me semble de beaucoup inférieur aux grands hommes qui ont illustré notre littérature parce qu'en s'ouvrant une carrière

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plus vaste, il va bien moins loin. Alle Charakterzüge stimmen zusammen: du vague im Gesicht, du vague in den Bewegungen und der Rede, du vague im Kopfe des Dichters. Die Eintönigkeit ist grösser als in den Werken, die die klassischen Regeln beobachten, weil die Romantiker den gewöhnlichen Lauf der Dinge verlassen und sich eine ideale Welt schaffen, und die Einbildungskraft des Menschen ist enger und bietet weniger Mannigfaltigkeit als die Natur. Gewissermassen als Gnadenstoss fügt „R“ folgendes hinzu: Shakespeare und Schiller mögen gross sein, obgleich sie Romantiker sind, aber nicht, weil sie Romantiker sind. Klassiker wie Laharpe, Delille, Fontenelle mögen im zweiten Rang folgen, aber, fährt er fort, la littérature du Nord ne peut avoir de second ordre: c'est une armée où il faut être général. Byron rückt schon in den Mittelpunkt des Streites1). Ende 1819 erschien die erste Nummer des CONVERSATEUR LITTÉRAIRE, herausgegeben von den drei Brüdern

1) Juli 1821 bespricht das Journal des Déb. Byrons Letters on the writings of Rev. W. L. Bowles. Es hebt besonders die auffällige Verteidigung von Pope durch Byron hervor, da, heisst es, letzterer als Führer der romantischen Schule zu betrachten ist.

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Hugo. Es ist die erste Zeitschrift der Romantischen. Gegen Ende des ersten Bandes steht eine Kritik der MEDITATIONS von V" (Victor Hugo). Wie alle anderen citiert er mit besonderem Lobe das Gedicht auf Byron. In der Lieferung vom Dezember 1820 steht ein Artikel über Byron von De Vigny. Er sollte der erste einer Reihe sein, denn am Anfang steht „ler Article“ und am Ende verspricht De Vigny: „Je n'examinerai plus dorénavant ses œuvres que sous des rapports purement littéraires'. Dieser 1. Artikel befasst sich nämlich teilweise mit Betrachtungen über Byrons Charakter, wie er sich in seinen Werken kund giebt. Der Conservateur Littéraire hört im März 1821 auf zu erscheinen, und die ARCHIVES DE LA LITTÉRATURE ET DES ARTS, die seit 1820 erschienen, nehmen seinen Platz als royalistisches litterarisches Blatt ein, ohne dass V. Hugo sich daran beteiligte. Die anderen Artikel von De Vigny erschienen nicht. Es wäre besonders interessant gewesen zu wissen, was er damals über Byron ausschliesslich vom litterarischen Standpunkte aus im Einzelnen gesagt hätte. Er ist bei weitem der wichtigste der früheren Romantiker, die dauernde Einwirkung von Byron erfahren haben. Da er Byron nicht als Romantiker behandelt (— dieser Name wird ja noch 1824 im zweiten romantischen Organ LA MUSE FRANÇAISE immer ausdrücklich geleugnet), ist es besser, das Nähere über seine Stellung zu Byron in diesen wichtigen Jugendjahren in einem späteren Kapitel über das Verhältnis der Dichter zu Byron zu erörtern. Aber bei unserm Überblick über die Presse im Jahre 1820 konnte die Erwähnung eines so wichtigen Blattes nicht gänzlich unterbleiben. Nur sei hier bemerkt, dass De Vigny, wie die andern Kritiker, auch den Mangel an Plan bei Byron hervorhebt. Er nimmt Lara als Beispiel und sagt: das Stück wird durch diesen Mangel anstatt zu einem Bilde zu einem dichten Schleier, durch welchen die Personen wie Schatten oder nebelhafte Phantome der Dichter des Nordens vorscheinen. Dieses Zeugnis De Vignys, eines der bedeutendsten der neuen Dichter, für die Anlehnung der neuen Poésie du vague an Byron ist zu beachten, da sie die allgemeine Klage der klassischen Kritiker bildet und in der gleich zu erwähnenden Kontroverse über Byron von dem jungen Kenner der englischen Litteratur, Philarète Chasles, geleugnet wurde.

LA REVUE ENCYCLOPÉDIQUE enthält für Januar 1820 einen Artikel von Thiessé über Byron, der den Inhalt des Vorwortes zu seiner Übersetzung von 1816 wieder vorführt. Thiessé war vielleicht während des ganzen Verlaufes des Streites der unermüdlichste Kämpfer auf klassischer Seite und wird in verschiedenen Zeitungen wiederholt als Sachkundiger mit der Rezension der Werke Byrons beauftragt. Es ist vielleicht

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