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etwas völliger Mann, der das Herz auf der Zunge trägt und einen trefflichen Verftand hat. Diefen hat er in der grofsen, erprobten Schule der alten Griechen und Romer gebildet, von denen er den Homer, den Euripides, den Horaz und Virgil beinah wortlich weiss. Jetzt hat er fechs Kinder, welche zufammen eine der fchonften Familien ausmachen, die ich je gefehen habe. Die ältefte, Peggy, ein Mädchen von achtzehn Jahren, hat alle Reize ihrer fanften Mutter, und verfteht neben den weiblichen, Arbeiten nicht nur die Alten trefflich, macht la teinische und griechische Verfe, fondern ist auch befonders in der vaterländifchen Literatur bewandert, und dichtet fo fchon, dafs fie, wenn ich nicht irre, über lang oder kurz unter den Dichtern der Nation mit Lobe auftreten wird. Seit kurzer Zeit hat fie bei Gelegenheit etlichev in der Stadt zugebrachter Wochen unfre Landessprache zu lefen angefangen, und spricht von Oberon, von Werthers Leiden, von Ifflands Jägern mit Entzücken. Ich wun derte mich, dafs fie nicht Mufik lernte: aber darüber entrüftete fich der Vater beinah, weil er glaubt, die Mujik unfrer Zeit öffne der Empfindeley Thür und Thor, vergifte das Herz und morde die Zeit. Seine drei Söhne find wahre männliche Schönheiten. Der ältefte, Peter, hat fich den grofsen Redner Erskine zum Muster genommen, folgt ihm Schritt für Schritt, und denkt einst als Rechtsgelehrter ihm beizukommen. Täglich lernt er, nebft den mathematischen Wiffenfchaften, die er über alles liebt, ein Stück aus Demofthenes, Cicero u. f. w., und deklamirt etwas in der kleinen väterlichen Schule. Sein Bruder Wilhelm ift der Nimrod der Familie. Sobald feine Studien vorbei find, nimmt er den Wanderstab und durchftreift die Gegend weit umher, reitet, jagt, fährt Schlitten, fucht Mineralien, und je unfreundlicher das Wetter draufsen ift, defto lieber fliegt er aus. Selten lief't er in der Stube, immer im Walde. Ihn kennt jeder Bauer, und er weifs genau, wie es um die Felder, das Vieh, das Wildpret und die Gehölze fteht. Ihn fchickt der Vater auf die Märkte. Er wird ein Oekonom. Der dritte, Ben (Benjamin), ist der schöne Geift, und, welches fonderbar dazu pafst, der_Chemiker. Jetzt, wo die Soldatenwuth das ganze Land ergriffen hat, hat er feiner Satyre den Zügel fchiefsen laffen, und ein artiges fatyrifches Gedicht über die Heldenthaten der Miliz gemacht. Seine Talente find noch im Entwickeln. Aber den Nicholson, Four croy, Kirwan, Lavoifier, Bergmann u. a. Chemiker lieft er mit grossem Eifer:

feine Mutter und Schwestern hadern oft mit ihm über die Gläfer und Retorten, die er überall stehen hat, um Experimente zu machen; deswegen muss er die Köchin mit manchem Schilling beftechen, um ihn frei laboriren zu laffen. Marie, die jüngere Tochter, lief't zwar auch ihre Bücher und geniefst die allgemeine Erziehung,' aber ihr behagt die Wirthschaft am meisten, und fie weiss fich befonders viel mit ihrer Kocherei, Nätherei und der Art, das Feder- und Hausvich gedeihlich zu ziehn. Der kleine Sohn ift das Hätfchelchen der Familie, und wird von jedem in dem unterrichtet, was am nöthigsten z feyn Scheint. Aber wer erzieht denn die Kinder überhaupt? Blos der würdige Vater. Unten hat er in einer Kellergefchofse, dergleichen durch ganz England gewöhnli find, eine kleine Schulftube angelegt, welche mit Büchern, Charten, Planen, Bildern ausstaffirt ist, und regelmäßig befucht wird Weil der Vater aufser der alten Literatur und drei neuern Sprachen feine Kinder weiter nichts lehren konnte, so schaffte er ihnen Bücher, aus denen fie ihren Durft nach Kenntniffen geftillt, und Mathematik, Schöne Wiffenfchaften und andre allgemeinnützige Kennt niffe gefchöpft haben. Der Abend ift der allgemeinen Lektüre gewidmet. Hier werden die alten nie absterben den Meisterstücke des Shakespeare, Young, Pop oder der Spectator, Johnson u. f. w. immer wied und wieder gelesen. Das kleine Vermögen, wekke von der Mutter herrührt, erlaubt der Familie made Bequemlichkeiten; daher felten eine Woche vorbeigeht, i der nicht ein Freund einfpräche, um unter diefer fchuldigen wohlgezogenen Familie einen Abend zuzubrin gen: drei Bettkammern find deshalb immer für Fremde ledig. Mittwochs kommt der Tanzmeifter aus der Stadt, in welche der Vater feine Kinder auch zur Ball zeit nimmt. Alles dies fchleift den Dorfrost in etwas ab. Der gute Prediger ift ein wahrer Vater feiner Pfarrkinder, und hat theils aus eigner Milde, theils durch milde Beiträge ein Armenhaus erbaut, wo die Dürftigen Arbeit, Kleidung und Unterhalt bekommen. Sie follten ihn nur des Sonntags in der Kirche fehen, wohin e fich allezeit mit feiner ganzen Familie verfügt, ehe noch die ganze Gemeinde erscheint. Die gereimten Pfalmen, welche muficirt, d. h. hier auf dem Dorfe von einem Violoncell und einer Violine begleitet werden, erbauen mich mehr, als die Musik in Westminster, weil alles wahre tiefgefühlte Andacht athmet. Diefes Kirchspiel ist weit und breit wegen seiner Frömmigkeit berühmt.“

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THE TRAVELLER,

AND

THE DESERTED VILLAGE

BY

OLIVER GOLDSMITH.

Vorerinnerung.

Die deutfche Literatur ist vor kurzem durch Herrn Bürde mit einer vortrefflichen Ueber fetzung der hier mitgetheilten Gedichte Goldfmith's, the Traveller and the deferted Vil lage, befchenkt worden; fie führt den Titel: Das verlaffene Dörfchen und der Reifende, aus dem Englifchen new überfetzt, Breslau 1802.

Eine Be

urtheilung der Originale findet der Lefer in der oben mitgetheilten Biographie unfers Dichters von Anderfon.

I.

THE TRAVELLER

OR, A PROSPECT TO SOCIETY. 1765.

то

THE REV. HENRY GOLDSMITH a).

Remote, unfriended, melancholy, flow,
Or by the lazy Scheld b), or wandering Po c);
Or onward, where the rude Carinthian d) boor
Against the houseless stranger shuts the door;

a) Henry Goldfinith. So hiefs der Bruder unfers Dichters. b) Die Schelde, ein bekannter Fluss, der fich an der ehemaligen Brabantifchen Gränze in zwei Arme theilt, deren weftlicher fich zwischen den Infeln Cadfand und Walchern, der öftliche aber zwifchen den Seeländifchen Infeln Walchern und Schouwen in's Meer ergiefst.

Das Beiwort lazy giebt ihr der Dichter wegen ihres. nicht schnellen Laufs.

c) Der Po, der anfehnlichfte Flufs Italiens, durchftrömt in vielen Krümmungen (daher das Beiwort wandering) den nördlichen Theil diefes Landes, und ergiefst fich in das Adriatische Meer.

d) Carinthian boor (und nicht Corinthian, wie felbft die meiften Englifchen Ausgaben lefen), die Landleute im Herzogthum Kärnthen (lateinisch Carinthia). Es gränss an das Venetianische,

S

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