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Kehren wir zum Schloss zurück, um schliesslich einen Blick auf die Architektur desselben zu werfen. In seiner ersten Gestalt wurde das Aeussere in seiner Wirkung hauptsächlich durch die acht Eckpavillons bedingt (vgl. Fig. 74). Sie hatten über dem hohen Erdgeschoss ein oberes Stockwerk, über welchem sie mit einem kräftigen Consolengesims und balustradengeschmückter Terrasse schlossen. Von hier stieg ein oberes Geschoss in bedeutender Verjüngung auf, mit runden Dächern bekrönt. Die Architektur ist zugleich derb und reich: ersteres durch die kräftige Rustika am Sockel und an sämmtlichen Ecken, letzteres durch die mit Ornamenten, Laubwerk, Masken und Helmen bedeckten Wandfelder, welche die Flächen neben den Fenstern ausfüllen, sowie durch die reich componirten Trophäen, die über den Bogengiebeln der Fenster des obersten Stockwerks angebracht sind. Bemerkenswerth ist, dass wir hier eins der ersten Beispiele vereinzelter Rustikaquadern finden, welche den Rahmen des Fensters durchschneiden. Die runde Portalhalle der Vorderseite ist gleich dem einstöckigen Verbindungsbau durch gekuppelte korinthische Säulen und reich decorirte Friese zu einem Prachtstück herausgehoben. Ueber einer Balustrade ist der Mittelbau mit einem im Halbkreis durchgeführten und durch eine Laterne bekrönten Aufsatz abgeschlossen. So gewiss Manches in den Formen den unschönen Stempel der Willkür trägt, so ist doch das Ganze in wahrhaft künstlerischem Geiste so aus dem Vollen geschaffen, dass es einen bedeutenden Eindruck macht.

Die inneren Hoffaçaden (Fig. 75) sind auch hier durch feinere, zierlichere Behandlung angemessen ausgezeichnet. Im untern Geschoss erheben sich auf hohen Sockeln elegant cannelirte gekuppelte dorische Pilaster, die im oberen Stockwerk als breite Lisenen, durch Nischen mit Statuen durchbrochen, fortgeführt sind. Den Abschluss bildet eine Attika mit glänzend decorirtem Geländer, über den Pilastern mit Trophäen bekrönt. In beiden Stockwerken sind hohe Fenster mit Kreuzstäben angeordnet, die mässig hohen Dächer dagegen haben keine Fenster. Besonders reich und edel ist der linke Flügel, der im Erdgeschoss statt der Fenster mit Arkaden durchbrochen ist (Fig. 75). Die Lorbeerzweige in den Bogenzwickeln, die Masken der Schlusssteine, die Trophäen auf dem vorgekröpften Fries, die Arabesken auf dem Pilasterfries des oberen Geschosses, die feine Ausbildung aller Glieder, namentlich das Blattwerk an den Gesimsen und Rahmenprofilen, das alles giebt dieser Façade eine decorative Fülle, die mit der Behandlung der inneren Louvrefaçaden wetteifert. In der Mitte der drei Hofseiten sind ausserdem Portale angebracht, im Erdgeschoss von gekuppelten dorischen Säulen, im oberen Stockwerk auf jeder Seite von zwei Karyatiden eingerahmt. Ueber dem Hauptgesims erhebt sich als Abschluss ein

Bogengiebel, reich ornamentirt und mit zwei sitzenden weiblichen Figuren bekrönt. Du Cerceau hat nicht Unrecht, wenn er sagt: >>..... si que je puis dire avec ceux qui se connoissent en tel besongne qu'icelle court ne trouuera gueres sa seconde.<<

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Die Umgestaltungen, welche der Herzog von Nemours mit dem Baue vornahm, betrafen hauptsächlich die Vereinfachung des Grundrisses und der äusseren Façaden. Da auf den Ecken. die beiden Pavillons in einen zusammengezogen wurden, so musste der laternenartige oberste Aufsatz beseitigt und in ein volles oberes Stockwerk verwandelt werden. Dadurch erhielten die Verhält

nisse mehr Schlankheit, die Umrisse mehr Ruhe und Harmonie. Uebereinstimmend damit wurden auch die Fenster in schlichterer Weise ausgebildet und der Schmuck überhaupt auf wenige Punkte, auf die originelle Bekrönung der Façade und des mittleren Eingangs beschränkt. Auch der letztere verlor seine Attika und wurde mit einer einzigen aber ziemlich colossalen Säulenstellung als Unterbau der Kuppel bekleidet. Während somit Alles vereinfacht und im Sinn einer grossartigeren Wirkung umgebildet wurde, entfaltete sich an dem neu hinzugefügten Vorbau gegen den Garten eine phantastisch tolle Pracht, die nur am weissen Hause des Schlosses Gaillon ihres Gleichen findet. Das grosse Halbrund und die Eckpavillons sind mit mächtigen korinthischen Säulen decorirt, die auf hohen Sockeln vortreten und üppig ornamentirte Friese tragen. Der Mittelbau schliesst darüber mit einer Balustrade, die Pavillons haben aber ein niedrigeres Obergeschoss, dessen Gliederung durch breite Pilaster über den Säulen bewirkt wird. An diesen Pilastern sind wunderliche hockende Satyrgestalten mit ägyptischem Kopfputz und doppelten Schmetterlingsflügeln, mit gespreizten thierischen Beinen, zwischen denen die Arme auf den Boden herabgreifen. angebracht. Aus ihrem Kopfputz wachsen zum Ueberfluss riesige Blätterkronen bis zum Gesimse empor. Verbindet man damit die überschwängliche Ornamentik aller übrigen Theile, die ruhenden Figuren über den Fenstergiebeln des Erdgeschosses, die in wilde Arabesken auslaufenden Rahmen der oberen Fenster, die mit gebrochenen Volutengiebeln bekrönt sind, die überreiche Verschwendung von Laubwerk an Friesen und sonstigen Flächen, endlich die vier colossalen Atlanten, die vier grossen Monarchieen vorstellend, welche das Portal einfassen, so muss man gestehen, dass hier ein förmlicher Fasching der Decoration entfesselt ist, der bei alledem indess die Hand eines bedeutenden Künstlers verräth.

Wer war dieser Meister, der am Vorderbau so maassvoll streng, an der Gartenfaçade so ausgelassen üppig sich geberdet? Wir glauben Jacques Androuet du Cerceau selbst als den Urheber dieser Theile zu erkennen. Wer die Erfindungen in seinen verschiedenen Werken, namentlich im Livre d'architecture von 1582 vergleicht, wird grosse Verwandtschaft der künstlerischen Richtung entdecken. Der Entwurf XXXVII hat nicht bloss im Grundriss, sondern auch im Aufbau. in den runden Dächern der Eckpavillons, dem Halbkreisgiebel über dem Mittelbau entschiedene Aehnlichkeit mit Verneuil. Die geschweiften Dächer spielen überhaupt in diesen Arbeiten du Cerceau's eine bedeutende Rolle. Der ernste, strenge Styl der Architektur am Aeusseren zu Verneuil findet in der Mehrzahl der Entwürfe seine Parallele. Aber selbst für die phantastisch-barocken Auswüchse des Gartenpavillons lässt sich in der »salomonischen Ordnung der Triumph

bögen (vgl. S. 197) ein Analogon finden. Dass er sich nicht als den Urheber des Baues nennt, kann nicht als Gegenbeweis gelten, denn fast niemals spricht er von den Architekten der von ihm aufgenommenen Schlösser, theils weil er diess als allgemein bekannt voraussetzen durfte, theils weil jene Zeit noch vom Mittelalter her die Gewohnheit haben mochte, den Künstler hinter sein Werk zurücktreten zu lassen. Werfen wir dagegen in die Wagschale, dass du Cerceau dem Herzog von Nemours nahe stand, wie aus der Widmung seines letzten Werkes hervorgeht, so wird unsere Vermuthung bis zur Wahrscheinlichkeit erhoben.

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§. 72.

Das Schloss Charleval.

Noch grossartiger als das im vorigen §. besprochene Werk war die Anlage des Schlosses Charleval, welches Karl IX sich in der Normandie nahe bei Andelys errichten lassen wollte, das aber noch weniger als das Schloss von Verneuil zur Vollendung kam. Brantôme sagt: »En cette forest il avoit fait jetter les premiers fondemens de la plus superbe maison, qui fut jamais en France, et la nomma Charleval, à cause de la situation qui est une vallée, et de son nom.<«< Und du Cerceau 2 berichtet: >>Le Roi feist composer un plan digne d'un Monarque et feist besongner après et commencer un corps à la basse court; et le fondement faict, eslevèrent le premier estage, y etablissant les offices . . . . . Si ce lieu eust esté parfaict, ie croy que c'eust esté le premier des bastimens de France, pour la masse dont il eust esté fourny.«

Diess Wort ist nicht zu stark, wenn wir einen Blick auf den Plan bei du Cerceau werfen. Derselbe zeigt eine zu bebauende Fläche, hinter deren Umfang selbst die ursprünglichen Pläne der Tuilerien weit zurückbleiben. Es wäre ein Palast geworden von einer Ausdehnung, wie sie sonst nur bei orientalischen Herrschersitzen gefunden wird, in hohem Grade geeignet, das Königthum glanzvoll zu repräsentiren, und doch seiner gesammten Anordnung und einsamen Lage nach nur als Privatwohnung des Fürsten zu betrachten. Das Ganze sollte ein fast. quadratisches Rechteck von 1080 Fuss Breite bei 1060 Fuss Tiefe bilden. Ein Wassergraben, über den an der Vorderseite eine Zugbrücke führte, sollte den Bau umschliessen. An der Rückseite vermittelte eine zweite Brücke die Verbindung mit einem ungeheuren Gartenparterre von beinahe gleichem Umfang, das

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ebenfalls rings von Kanälen umzogen, in der Mitte der Quere nach durch ein breites Wasserbassin getheilt, am Ende in ein mit luftigen Arkaden umgebenes, etwas elliptisches Rondell auslief. Den Garten liess Karl, wie du Cerceau bezeugt, noch vollenden; vom Schlosse selbst, dessen Bau durch des Königs Tod unterbrochen wurde, kamen nur einzelne Theile zur Ausführung.

Die Grundzüge der Anlage sind folgende. Aus der Portalhalle des vorderen Einganges gelangt man in den ungeheuren äusseren Hof (basse cour), der ein Quadrat von 480 Fuss bildet, von Arkaden und den Dienstwohnungen umschlossen wird. Zu beiden Seiten sind neben diesem Hofe in durchaus symmetrischer Anlage zwei kleinere Höfe angebracht, ebenfalls auf mehreren Seiten mit Arkaden umzogen. Von diesen beiden Höfen bildet der äussere den Vorhof und die Vorbereitung auf den innern, und man gelangt durch eine Doppelcolonnade und einen breiten Thorweg in den kleineren zweiten Hof, dessen Mitte jederseits eine Kapelle einnimmt. Der Hauptbau des Schlosses ist in der Breite des grossen Mittelhofes um einen quadratischen Hof als vierflügliger Bau mit mächtigen Pavillons auf den Ecken angelegt. Neben ihm dehnen sich zu beiden Seiten, von Terrassen mit Arkaden umschlossen, Blumengärten mit Laubengängen aus. Das Schloss zeigt in seiner Anlage dieselbe strenge Symmetrie wie alles Uebrige. Durch einen imposanten Thorweg gelangt man in ein breites Vestibül, von wo in doppeltem geradem Lauf eine stattliche Treppe, wohl das früheste Beispiel dieser Art in Frankreich, aufsteigt. In den Axen der beiden Seitenflügel sind ebenfalls Doppeltreppen, aber mit gewundenen Läufen, ähnlich der Haupttreppe der Tuilerien angebracht. Das Prachtstück des Baues ist der gewaltige Festsaal, der die Mitte des gegen den Garten gelegenen Flügels einnimmt, dreischiffig mit doppelten Säulenstellungen, 180 F. lang bei 72 F. Breite. Neben ihm jederseits ein Treppenhaus in Verbindung mit den übrigen Räumen. Eine doppelte Freitreppe in Hufeisenform führt von dem Saal in den Garten hinab. Die Form des Saales, der die bis dahin üblichen Galerieen durch seine grössere Breite in Schatten stellt, die imposante Entwicklung der Treppen, die streng durchgeführte Symmetrie des Ganzen lassen in diesem Bau den ersten energischen Versuch erkennen, an die Stelle der bisherigen Tradition eine neue Auffassung, die Richtung auf das Gigantische zu setzen. Der Versuch war verfrüht und wurde vereitelt. Erst unter Ludwig XIV sollte diese Tendenz zur Verwirklichung gelangen.

Was du Cerceau uns von der Architektur des riesigen Werkes aufbewahrt hat, entspricht, obwohl es nur die Gebäude des äusseren Hofes sind, diesem Streben in einer Weise, der man die Genialität nicht abstreiten kann, obgleich in den Formen und der Composition genug Willkür mitunterläuft. Der Architekt

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