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der Straße von Cesena nach Rimini uns noch aufbewahrt: Ultra hos fines arma proferre liceat nemini.

Cäsars Übergang über den Rubicon, der die wichtigsten Zeitpuncte der alten Weltunterjochung vorbes reitete, zeichnete diesen unbedeutenden Fluß, der in den Sommermonathen kaum ein Regenbach zu heis Ben verdiente, fast herrlicher aus, als Tiber, Donau, Rhein und Rhone in den Jahrbüchern der Geschichte glänzen. Auch ihn hat ein barbarisches Zeitalter um= getauft, wie den Liris, und er schleicht nun ruhmlos, unter dem Nahmen Pisatello, feinem Ziele, dem lautrauschenden Fiumesino, entgegen. Die um= wohnenden Landleute nennen das Flüßchen Rucon. Unverkennbar das verstümmelte Rubicon.

Nun gelangten wir, nach dem einschläfernden Durchkriechen einer weiten Sandwüste, wo die Räder, ben trockenem Wetter, eben so wenig, als in einigen Gegenden der Mark Brandenburg, Gleise ¡urücklassen, an den größten Pinjenwald von ganz Ita lien gewiß, und von der ganzen Erdfläche wahrscheinlich, welcher, zwischen Cervia und Ravenna, vier Miglien lang, sich herabzieht.

Die Pinjen, eins der Titanengeschlechter unter den Forstbäumen, nehmen, in so reicher Zusammens stellung, einen Charakter von Erhabenheit an, den keine Wortschilderung zu erreichen vermag.

Boccaz wählte dieses Waldrevier, in einem der muchwilligen Phantasiegemählde feines Decameron, zum Tummel- und Irrplaße grotesker Erscheinungen,

die den Damen von Ravenna tödtliche Furcht bee reiteten, und sie, nach der Behauptung leichtfertiger Spottgeister, geneigt und willig machten, auf ih= ren Promenaden dem Schuße der begleitenden DienstCavaliere sich vertrauender hinzugeben.

Die Hauptmerkwürdigkeit von R a venna, Theos dorichs Grabmahl, stellten diese Versuche schon vors läufig mehreren der wichtigsten Monumente griechis scher und römischer Architektur in einer kurzen Schilderung gegenüber. Noch haben sich vom Pallaste des um die Stadt hochverdienten Gothenkönigs, der zu ihrem Heil auch Trajans Wasserleitung wieder in Gang brachte, ansehnliche Trümmer erhalten, in welche man den porphyrnen Sarkophag, der vormahls in der berühmten Rotunde Theodorichs Asche bewahrte, nach Art eines Brunnentrogs, einmauerte.

In der Domkirche wird Guido's viel belobter Manna Regen gewiß durch seinen Engel übertroffen, der dem Anachoreten Elias Trank und Speije reicht. Schwerlich erschuf der, nicht selten mit allzu rascher Ungeduld auf das Pinxit hinarbeitende Guido, ein in allen Theilen vollendeteres Bild, als diesen herrlich schwebenden Himmelsbothen. Für des Tempels wunderliche Bauart halten uns die zwey und fünfzig Marmorsäulen aus Griechenland schadlos. Vierfach gereiht, gewähren sie einen wahrhaft majestätischen Anblick. Diesen Eindruck vollständig zu rechtfertigen, bedarf es nur der Bemerkung, daß wir im Dome zu Ravenna lebhaft an das prachtvolle Säulenlabyrinth in der Paulskirche bey Rom erinnert wurden. Die Thüren des Doms be

haupten dadurch einen ansehnlichen Rang unter den sogenannten Hübner s - Curiositäten, daß man fie, durch den gewaltigen Maßstab unabgeschreckt, aus Bretchen von Rebenhol, mühselig zusammenseßte. Des edlen Weinstocks gedenkt schon der ältere Plinius, als eines der widerspenstigsten und undankbarsten Schreinermaterials.

Die St. Vitaliskirche, von achteckiger Form, wurde mit Marmorschäßen fast eben so reich ausgestat

tet,

wie der Dom. Sie enthält für den Kunst- und Alterthumsfreund manchen interessanten Gegenstand. Der bedeutendste darunter schien uns der Neptun sthron, ein Basrelief, in einem Style kühn und kräftig ausgeführt, der auf die Sculpturperiode des zweyten Jahrhunderts deutet. Der gelehrte Pater Belgrado in Parma unterzog sich der, nach einflimmigem Urtheile von Ganz- und Halbkennern, ge= wiß nicht undankbaren Mühe, darüber mit einer lis terarisch artistischen Abhandlung aufzutreten, betitelt: Il Trono di Nettuno. Dreyzacke, Delphine, Muscheln und andere auf dem Deakmahle gar nicht sparsam angebrachte Neptuns Attribute, seßen es völlig außer Zweifel, daß der Thron, welchem noch überdieß ein furchtbares Wafferungeheuer zur Schußwache dient, einem andern Gotte, als dem finsterlockigen Erderschütterer geweiht seyn könne.

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Das große Bild von Baroccio in der Sacristen, des heiligen Vitalis Martyrthum vorstellend, lägt auch den eigensinnigsten Kenner, über den aus. trucksvollen Kopf des Richters, und hauptsächlich über die unübertreffbare Mutter mit dem Kinde, die

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Verworrenheit in der Zusammenseßung kaum flüchtig wahrnehmen.

Auf dem Kirchhofplaße des Benedictinerklosters, wozu die St. Vitaliskirche gehört, erhebt sich eine Marmor-Capelle, zur Familiengruft erbaut von der Kaiserinn Placidia, Theodosius des Großen Tochter. Außer der klugen und vielgeprüften Fürstinn selbst liegen darin begraben ihr Bruder Honorius, ihr Sohn Valentinian der Zweyte, und wahrscheinlich auch ihr Gemahl Constantius.

In der Kirche S. Maria di Porto sahen wir eine treffliche Copie von Correggio's beiligem Georg. Sie verhält sich als Mahlerwerk ganz genau zum Original in der Gallerie zu Dresden, wie sich als Dichterwerk Vossens Odyssee zur Odyssee des Mäoniden verhält.

7.

Ferrara, Juny 1796. Bevor wir der ehrwürdigen Alten, wie Ravenna von den Italienern zubenahmt wird, Lebe wohl sagten, warfen wir andächtig noch einen Lorberzweig auf Dante's Grabmahl, der durch die wunderbare Verschmelzung von Paradies, Fegfeuer und Hölle den Rang eines der ersten Apostel des heis ligen Drenklangs aller großen und erhabenen Din ge sich auf immer zusicherte. Das deutsche Sprich wort von dem profanen Dreyklang aller guten und jovialischen Dinge datirt seinen Ursprung bey weitem später.

Wenn unser Todtenopfer an Dante's Gruft in

Ravenna vielleicht einer stillen Seelenmesse zu vers gleichen war, so konnte die gleichbedeutende Feyers lichkeit an Ariost's Ruhestatt in Ferrara sicherlich ohne Widerspruch für ein vollstimmiges Hochamt gels ten. Solches gebothen Dankbarkeit und Bewunderung patriotischen Deutschen; denn ohne den herrlichen Meister Lodovico hätten wir uns ja schwerlich des magischen Dreyklangs aller überirdischen und vergöt ternden Dinge zu erfreuen in den Zauberdichtungen Idris, Amadis und Oberon.

In dieser Stadt, wo Tasso's Bild, neben den Bildern der engelschönen Leonoren sich, einer nur leids lich erregbaren Phantasie, auf jede Fensterscheibe des alten Herrscherpallasts zeichnet, weihten wir den Ma= nen des unglücklichen Sängers ein frommes Ruh' in Frieden, nicht unter den Lorberwipfeln, in deren dichterischen Schatten er die lieblichen Harmonien seines Aminta träumte, sondern im schwarzen Kerkers gemache, wo er sieben schreckliche Jahre lang vergeb= lich um freye Luft und um freye Bewegung flebte. Als endlich die Stunde der Erlösung schlug, konnte dem Erlösten kein Heil mehr daraus entspringen, weil hinter den geöffneten Pforten des Gefängnisses der Tod schon lauschte.

So hatten wir den abgeschiedenen Geistern der großen Triumvire von Italiens Parnasse in kurzer Frist geopfert und gehuldigt. Wo war dieß nicht schon alles zuvor der Fall gewesen, im Laufe unserer Wallfahrten zum Gedächtniß dieser und anderer Heroen der Wissenschaft und Kunst! Wie lebendig schwebten, auf ihren Schaupläßen in Pisa und Rimini, die

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