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Widerspänstigkeit oder sonst etwas gegen Regel und Gesetz zu Schulcen kommen ließe, so würde darauf die Strafe unausbleiblich erfolgen, Verzicht auf den Besuch bey der Mutter zu leisten, welcher täglich um die Mittagszeit Statt findet.

Schon oft wurde Delbrück vom Kronprinzen dringend aufgefordert, jedes Mahl, wenn er ihn in der Gefahr schweben sehe, einer bösen, oder auch nur unartigen Gewohnheit nachzugeben, mit Nachdruck und Strenge sein hülfreicher und rettender Genius zu werden. Nicht unausgeseßt Herr seiner lebhaften und beweglichen Einbildungskraft, kam er noch vor eini gen Wochen bisweilen in den Fall, beym Erzählen von Zeitgeschichten oder Tagesneuigkeiten, die sein Interesse vorzüglich angezogen hatten, ein wenig in das Gebieth der Poesie hinüber zu schweifen, und von der Linie der Wahrheit entweder allzuweit rechts oder allzuweit links abzuweichen. Da sagte Delbrück mit liebreichem Ernste: „Prinz Friedrich, es be trübt mich sehr, ie auf dem Wege zu erblicken, eines der hassenswerthesten Laster anzunehmen.” Hocherröthend entgegnete der Kronprinz: „Ich, ein Laster annehmen? Nun und nimmermehr! Aber ich bitte Sie, um alles in der Welt willen, mir gleich zu sagen, welches Laster Sie meinen!" „Hintanseßung der Wahrheit!" war des Lehrers Bescheid. Nun ges rieth sein überraschter Zögling in die auffallendste Gemüthsbewegung, ging einige Mahl mit hastigen Schritten im Zimmer auf und nieder, und brach dann in die Worte aus: „Abscheulich! ganz abscheulich! , wenn Sie mein Freund sind, so geben Sie wir

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auf der Stelle das beste Mittel an, der Wahrheit niemahls untreu zu werden." Delbrück that, was Fenelon bey gleichem Anlasse wahrscheinlich auch gethan hätte. Er hohlte die Bibel, schlug die Sprűche Salomo's auf, und hieß den eifrigen Zögling drey Stellen darin aufsuchen, wovon er vorhersagte, daß ihre directe Beziehung auf das eben geführte Gespräch ihn gewiß treffend und lebendig ansprechen werde. Bald war das Werk vollbracht. Der Prinz nahm eis nen Bogen Papier, verzeichnete darauf, mit Nahmensunterschrift und Datum, die drey glücklich her. ausgefundenen Sentenzen (Sprüche Salomo's XII, 17, 19, und XX, 28.) und übergab dem Lehrer das Document mit den Worten: „Bewahren Sie das Pas pier auf, und so bald Sie mich wieder ertappen, haben Sie mir es nur zu zeigen. Das ist schon genug !"

Viele Tage verflossen, ohne daß des mahnenden Blattes gedacht werden durfte. Als aber die Nachricht von einem glänzenden Sieges der Flotte Britanniens über die Flotte Frankreichs eintraf, hatte der junge Adler auf einmahl den poetischen Flug wieder so hoch genommen, daß Delbrück nicht umhin konnte, der getroffenen Abrede gemäß zu verfahren. Mit lebhaf tem Unwillen gegen sich selbst, sagte der Kronprinz bey Wiedererblickung des wohlbekannten Papiers; "Zum ersten und legten Mahle sollen Sie mir das gezeigt haben! daran bitte ich Sie zu glauben." Und Wort hat er gehalten, wie ein Knabe nicht, sondern wie ein Mann.

Nur einige Züge zur Charakteristik des hoffnungspollen Thronerben zu Preußen sollen hier noch

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flüchtig eingeschaltet werden. Was die Wahrheit selbst dictirte, darf ihr unbestochener Freund, zu Nacheis ferung und Lehre, ohne alle weitere Berücksichtigung öffentlich aufstellen.

Der Kronprinz von Preußen, der gegenwärtig eilf Jahre zählt, schritt, wie schon oben bemerkt wur de, seinem Alter in der Geistesentwickelung bedeutend voraus. Verständig in Fragen, reif im Urtheilen und nicht selten bis zur Unbefriedigung wißbegierig, wird er durch interessante Gespräche ernster Erwachsenen stärker angezogen, als durch leere Plaudereyen muths williger Knaben.

Recht und Unrecht unterscheidet er, wie Licht und Finsterniß. Als ein Officier von geachtetem Rufe gegen ihn behauptete, Napoleon bleibe doch auf jede Weise immer ein großer General, man möge nun übrigens auch einzuwenden haben, was man wolle, ließ er sich also mit edlem Unwillen heraus: „Mag er auch ein großer Feldherr seyn, ein großer Mensch ist er deßwegen doch nicht. Er marschirte durch's Unspa= chische, und das war schändlich!”

Im Laufe eines Gespräches über Cooks Entdeckungsreise rief er, nach einigem Sinnen, mit seinem gewohnten Feuer plößlich aus: „Ich will eine neue Sprache erfinden, und alsdann Humboldt bitten, mir eine Insel zu entdecken. Auf dieser Insel wimmelt es von Wilden, die noch keine ordentliche Sprache haben, und die sollen die meinige lernen." Als Delbrück ihm den Einwurf machte, daß Hum= boldt schwerlich wieder zur See gehen, sondern sehr wahrscheinlich nur noch Landreisen durch Asien unter

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nehmen werde, hörten wir ihn im Tone der Begeis sterung aufjubeln: „O dann werde ich Cooks Geist beschwören, der soll schon Rath schaffen und mir eine Insel entdecken.".

In der Stralauer Straße stand ein Haus in Flammen. Auf die erste Nachricht von dem traurigen Ereigniß, umfaßte der Kronprinz den Lehrer mit dem schönen Ungestüm des zur That strebenden Mitleids. "Auf der Stelle laffen Sie uns hineilen!" waren seine flehenden Worte, „da müssen wir helfen und retten, was wir können. Bey solchen Gelegenheiten thut ein gutes Erempel das Meiste. Vielleicht sind schon Leute verunglückt." Der Gang nach der Brands stätte ward indessen nicht angetreten, weil die musterhaften Feueranstalten glücklicher Weise dem furchibaren Elemente mit gewohnter Schnelle bereits Ziel und Gränze gesetzt hatten.

In Betrachtung seines noch so jugendlichen Alters müssen des Kronprinzen Talente zum Zeichnen in der That vielversprechend und merkwürdig genannt werden. Was in Büchern oder Erzählungen ihn besonders, anspricht oder ergreift, davon pflegt er im Augen= blicke flüchtige Skizzen auf das Papier zu werfen, die er dann zum Theil in der Folge mit Fleiß und Bes harrlichkeit ausführt. Auf die verlangte Erzählung eines Mährchens wurde das erste das beste aus dem reichen Schaße der deutschen Volksmährchen vom geists vollen Musaus in Anspruch genommen. Kaum war der Vortrag beendigt, als mein aufmerksamer Zuhörer sogleich Blenstift und Lineal zur Hand nahm, und einen Großfolio-Bogen, nach der Weise des Damens

bretes, in Quadrate theilte. Jedes derselben stellt uns die Scenen und Situationen der Wundergeschichte dar, die seiner Fantasie sich am tiefsten eingedrückt hatten, gegen dreyßig an der Zahl. Keiner davon war, des äußerst verjüngten Maßstabes ungeachtet, richtige Anordnung und helle Deutlichkeit abzusprechen. Er beschenkte mich mit einigen seiner fantasiercichen Skizz zen zum Andenken. Als Belege meiner gerechten Belobung bewahre ich sie sorgfältig auf. Eine darunter schildert Herenscenen aus der Walpurgisnacht, und eine andere den Doctor Faust, im Zauberkreise seine Geister beschwörend, die über ihm in den seltsamsten und abenteuerlichsten Gestalten auf Rebelstreifen hers benschweben. Mit der meisten Liebe, und auch mit dem entschiedensten Erfolge übt sein emporstrebendes Talent sich an Land- und Seeschlachten.

Hier wird vielleicht am schicklichsten die Vers ficherung ihren Plaß finden, daß man allen, in diesen Wörlizer Blättern redend eingeführten Personen kein angedichtetes Wort in den Mund legte. Sogar Sprachfehler hätten, im vorgekommenen Falle, darin Gnade finden müssen; denn auch diese gehören zum Ganzen einer treuen Charakteristik.

Die Königinn, welche noch vor einem Jahr in Wörlig der fröhlichen Jugendgöttinn glich, erschien mir jest in Berlin, wie eine trauernde Iphigenia auf Tauris. Der Tod eines Kindes hatte dem edeln Mutterherzen tiefe Wunden geschlagen. Hierzu kam die düßter am Horizont heraufziehende Gewitterwolke, welche das Fortblühen des preußischen Völkerglücks mit furchtbarem Hagelschagel bedroht, und auch die

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