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4.

Ich wiederhohlte die zwey unvergeßlichen Reisen, welche mich durch Tyrol führten, an einem Regens tage, auf der Gallerie der Fürstinn, vor Anich s dort aufgestellter topographischen Karte, dieser, in statistischer, naturgeschichtlicher und mahlerischer Hinsicht gleich interessanten Gebirgswelt. Mehrere Jahre bereits vor der Erfüllung des alten Wunsches, sie selbst zu durchstreichen, war ich, durch Anich s treffe liches Kunstwerk im Geiste schon wie einheimisch darik geworden.

Der Landmann Peter Anich, dieser wunderbare Zögling der Natur, hatte, gleich den Helden der Selbstbildung, Columbus, Shakespeare und Cook, fremdem Unterrichte nur wenig, dem Ges nius und einsamer Anstrengung aber das Meiste zu danken.

Seine Karte von Tyrol, deren Erscheinung in das Jahr 1774 fällt, wird, selbst in unseren Togen, troß der vielfaben Concurrenz mit ähnlichen, eben so gut gelungenen Länderplanen, immer noch als ein vollendetes Meisterproduct anerkannt.

Weiler, Waldcapellen, Bäche, Breteritege und Alpenpfade sind eben so gewissenhaft auf dieser musterhaften Miniaturzeichnung angedeutet, wie Städte, Klöster, Flüsse, Brücken und Heerstraßen. Daher dürfte der Feldherr, welcher die schwere Aufgabe der Eroberung von Tyrol zu lösen hätte, sich dieses Wegs weisers nicht weniger freuen, als einer gewonnenen Schlacht.

Solches blieb von der weisen Maria Theresia Matth. Werke. 7. B.

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nicht unbeachtet, und mithin wurden die Kupferplats ten, nachdem die von ihr selbst bestimmte Anzahl der Abdrücke bewerkstelligt war, zerbrochen. Deßhalb ges hört Unics Karte nun unter die chalkographischen Seltenheiten, und hat, wie Hogarths Originale blätter, gar keinen Preis mehr.

Als mein Auge die Bergkette durchlief, welche die Natur am Ufer des Inn, der Hauptstadt nordwarts, aufthürmte, ward es durch ein gekrümmtes Felsenhorn, bezeichnet mit der seltsamen Benennung Frau Hütt, plößlich aufgehalten. Dem Ursprunge des wunderlichen Nahmens auf die richtige Spur zu kommen, war für den Augenblick unmöglich.

Als es mir durch erwünschte Schicksalsfügung endlich so gut wurde, des wackern Anichs Vaterland zu betreten, erhielt ich sogleich aufklärenden Bescheid über jenen räthselhaften Bergnahmen, durch meinen verewigten Freund Wolkenstein, dessen patriotischer Forschungseifer alles umfaßte, was mit seiner Vaterlandsgeschichte nur irgend in einer näheren oder entfernteren Beziehung gedacht werden kann, von der hellsten Thatsache bis zur dunkelsten Sage.

Das der fabelreichen Urwelt angehörende Mährchen von der tragischen Metamorphose der Frau Hütt haben alle Generationen Tyrols, bis auf den heutigen Tag, einander wie mit stehenden Lettern überliefert; und sogar nach der Jagdlegende von der Les bensrettung Marimilians des Ersten durch einen hülfreichen Engel wird dasselbe noch immer mit dem lebhaftesten Interesse vorgetragen und angehört.

147 NINA

Nicht lange nach der Sündflath hatte die mächtige und weiterobernde Riesenköniginn ihrem Zepter auch das Tyrolerland unterworfen, worin sie, zum größ, ten Verdruß ihrer übrigen Provinzen, für gut fand, ihr festbestehendes Heflager aufzuschlagen. Der heils fameren Luft wegen verlegte sie jedoch bald aus den Ebenen die Residenz auf die Gebirge, welche nun, abgeschält und kahl, dem freundlichen Innsbruc und dem grünlichen Innstrom zu Schußmauern und Bollwerken dienen. Damahls ruhte der Fluch der Verödung und Unfruchtbarkeit aber noch nicht auf diesen luftigen Regionen. Reiche Obstwälder, üppige Viehtriften, ergiebige Kornäcker und Naturschönheiten, würdig der Darstellung eines Claude oder Reinhart, rechtfertigten vor aller Welt den Einfall der Königinn, ein solches Eden zum Commeraufents halte zu erkiesen.

Eines Tages stürzte der kleine Erbpring, vom ge= gewohnten Morgenspaziergange heimkehrend, mit Schluchzen und Wehklagen in die mütterlichen Arme der vor Entsetzen bebenden Königinn. Schwarzer Schlamm überzog des Knaben Gesicht und Hände, und sein Leibrock glich an Farbe dem russigen Kittel eines Koblenbrenners.

Der junge Enaksenkel hatte sich nähmlich angeschickt, eine Tanne zum Steckenpferd abzuknicken. Der Baum stand an eines Morastes jähem Rande. Das Erdreich wich unter den Füßen des achtlosen Wildfangs, und im Nu schlug der Moder über seis nem Haupte zusammen. Indeß rettete glücklich ein günstiger Stern ihn wieder auf den festen Boden.

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Nachdem die Königinn seinen Thränen, durch die Förtlichsten Trost und Schmeichelworte, Einhalt ges than, und ihm, an der Stelle des verschlammten Leibrocks, einer. kostbaren Purpurmantel versprochen hatte, geboth fie dem Obersten der Kämmerlinge, mit der weichen Krume eines frischgebackenen Brotes dem bis zum Abscheu entstellten Lieblinge Gesicht und Hände zu säubern.

Kaum batte dieser das vorgeschriebene Werk bes gonnen, als plößlich der Himmel sich schwärzte, und grauenvolles Dunkel die freundliche Tageshelle vers schlang. Es that einen Donnerschlag, daß die Berge wankten, wie Lichtflammen im Zugwinde.

Als die Heitre nun wiederkehrte, waren die reis Hen Fruchtwälder, die üppigen Viehtriften, die ergiebigen Kornacker, die marmornen Palläste der Königinn und ihres Hofgesindes, sammt allen Zaubergärten, mit jeder Spur, aus dem Reiche der Wirks lichkeit verschwunden. Das herrlich blühende Paradies war zur unwirthbaren Steinwüste geworden, die selbst dem genügsamen Grashalme Wachsthum verweigerte, und in deren Mitte die Riesenköniginn schauderhaft majestätisch aufragte, durch des Himmels Zorngericht versteinert bis zum jüngsten Tage.

In vielen Gegenden Tyrols, besonders in der Nähe von Innsspruck, muß die Wundergeschichte der Frau Hütt zuchtlosen und übersatten Kindern, die sich Brotkugeln an die Köpfe werfen, oder auf andere Weise muthwilligen Unfug mit dem edeln Gute treiben, häufig zum warnenden Straferempel dienen. „Spart nur Brosamen für die Armen," pflegen dann

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Altern und Schulmeister den kleinen Huronen wohl zuzurufen, damit es euch nicht ergehe, wie der Frau Hütt!"

5.

Familienangelegenheiten riefen mich auf mehrere Tage nach. Berlin. Mein Freund und Landsmann Delbrück, des Kronprinzen würdiger Erzicher, lud mich ein, während meines Aufenthalts in der Königss stadt, mit seinem hoffnungsvollen Zöglinge und ihm töglich zu speisen. Ich machte von diesem freundlichen Anerbiethen einige Mahl Gebrauch, und hatte nun Ger ·legenheit, den vorbestimmten Thronfolger vielseitig,

nicht ohne die vollkommenste Genugthuung kennen zu lernen. Dem Körper nach erscheint er ein Knabe, dem Geiste nach ein Jüngling. Aber er wird für schwere Zeiten erzogen. Möge die Geschichte von ihm dereinst melden können, daß er gestählt ward in der rauhen Schule der Nothwendigkeit, und mit Heldenkraft jeden Machtverein zersprengen half, der den festbes gründeten Königsthron von Preußen zu erschüttern oder umzustürzen drohte.

Der Kronprinz hängt mit wahrhaft kindlicher Zärts lichkeit an seinem Lehrer, und wird von diesem väters lich wieder geliebt. Der ehrenvollste Lobspruch für Bende! Es ist ein Freundschaftsbund, und überhaupt eines der schönsten Verhältnisse, die man in solcher Beziehung sich denken mag. Nur zu warnen und zu ermahnen brauchte Delbrück bisher, noch niemahls eigentlich zu strafen. Sollte der Fall aber gegen alles Erwarten einmahl eintreten, daß der Zögling sich

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