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heit von Ketten und Banden gewährt, der Sklav Gehorsam verspricht in gleichem Maße, als wenn er in Ketten und Gefängniß läge 1). So ist für den Staat, welcher in dieser Weise sich bildet, die unbeschränkte Herrschaft der Obrigkeit gesichert.

Verwickelter ist das Rechtsverhältniß der Kinder zum Vater. Daß die Kinder vom Vater ihre Geburt haben, giebt ihm kein unbedingtes Recht über sie, besonders weil auch die Vaterschaft unsicher ist. Der Mutter kommt die natürliche Herrschaft über das Kind zu, nicht als Mutter, sondern weil sie das Kind zuerst in ihrer Gewalt hat. Sie kann es aussehen oder aufziehn. Wenn sie aber das legtere thut, so wird dabei der Vertrag vorausgeseßt, daß es nicht erwachsen ihr Feind werden solle, welches im Stande der Natur nicht ausbleiben würde. Daher steht das erzogene Kind vertragsmäßig unter der Herrschaft der Mutter, welche das Kind aufzieht. Doch würde diese Herrschaft auch auf jeden andern übergehn können, welcher das Kind aufzöge. Auch wenn die Mutter, welche das Kind aufzieht, in der Herrschaft eines andern ist, erwirbt dieser zugleich mit der Herrschaft über die Mutter die Herrschaft über das Kind. Es folgt daraus, daß auch das nachwachsende Geschlecht unter die Herrschaft der rechtlich bestehenden Obrigkeit kommt. Es folgt daraus nicht minder, daß der Vater, welchem die Mutter in der Ehe sich unterworfen hat, hierdurch Herr des Kindes wird. Die Ehe betrachtet Hobbes als einen Vertrag, durch welchen die Frau unter die Gewalt des Mannes

1) Ib. 8, 3 sqq.

kommt, nicht weil die Frau schwächer als der Mann ist, sondern weil nach unsern willkürlichen Einrichtungen die Herrschaft in der Ehe wie im Staate beim Manne ist 1). Hieraus fließt nun alles andere, was zur Herstel lung eines patrimonialen Reiches gehört. Der Familienvater gewinnt die unbeschränkte Herrschaft über seine Frau, ihre Kinder, über die Sklaven und ihre Nachkommenschaft und es läßt sich denken, daß auf diese Weise ein Staat sich bildet, welcher hinreichende Macht besigt um innere und äußere Sicherheit zu gewähren. Die Verhältnisse in ihm werden alsdann in derselben Weise sich geftalten, als wenn er durch künftliche Einrichtung entftanden wäre 2).

Da nun aber im Staate alles von der obersten Gewalt abhängen soll, so beruht auch die Verschiedenheit der Staatsformen nur auf der Weise, wie die oberste Gewalt bestellt ist. Es ist folgerichtig von Hobbes gedacht, daß er dabei nur die Zahl der Personen in der obersten Gewalt berücksichtigt, weil alles von ihrer persönlichen Willkür abhängen und im Naturzustande alle Personen gleich sein sollen. Demnach sind drei Arten der Staatsverfassung möglich. Entweder kann die höchste Gewalt beim ganzen Volke, oder bei einigen Vornehmen oder bei einem Manne sein. So unterscheiden wir Des mokratie, Aristokratie und Monarchie. Die beiden ersten Fälle werden jedoch auch dem dritten entgegengeseßt, weil sie mit einander gemein haben, daß bei einer Mehrheit

1) Ib. 9, 1 sqq.

2) Ib. 9, 10.

oder einer Versammlung der Bürger die Gewalt ist, und fallen deswegen für Hobbes meistens unter denselben Gesichtspunkt. Tyrannei dagegen, Oligarchie und Anarchie (Ochlofratie) gelten ihm nur als Schimpfnamen 1). Wenn er nun seiner Gewohnheit nach von dem künftlich eingerichteten Staate ausgeht, so ist ihm freilich die Demofratie vor allen andern Formen des Staates. Denn zuerst muß die ganze Bürgerschaft über die Staatseinrichtung entscheiden 2). Nachdem aber Verfassung angeordnet ist, eristirt das Volk nicht mehr, sondern nur die höchste Gewalt hat das Volk zu vertreten und ihr allein ist Gehorsam zu leisten 3). Von den drei Formen des Staats ist aber die Monarchie bei weitem die beste. Die Gründe, welche Hobbes für diesen Sag geltend macht, sollen nur Wahrscheinlichkeit gewähren; Hobbes meint, es wäre dies der einzige Saß in seiner Lehre vom Staatsbürger, welchen er nicht streng bewiesen hätte 4). Wir werden nicht nöthig haben in alle Erwägungen der Nüßlichkeitstheorie einzugehn, welche Hobbes hierbei vorbringt. Es mag erwähnt werden, daß er die Gefahren großer Versammlungen zur Berathung des Gemeinwohls weitläuftig erörtert und hervorhebt, wie sie der leidenschaftlichen und Leidenschaften erregenden Beredtsamkeit eine verderbliche Gewalt geben, wie sie Factionen begünstigen

1) Ib. 7, 1 sq.; Leviath. 19 p. 177; de corp. pol. II, 1, 3. 2) De corp. pol. II, 2, 1; die Beschränkung auf den künstlich eingerichteten Staat liegt in de cive 7, 5.

3) De cive 7, 5; 8 sq.; 11.

4) lb. praef. Quam rem unam in hoc libro non demonstratam, sed probabiliter positam esse profiteor.

und die unwissende Menge zur Gewalt reizen; er ist davon überzeugt, daß ein verständiger Mann bei weitem flüger sei, als die große Zahl des Volkes, und meint, daß die Freiheit der Einzelnen sich beffer dabei stehe, wenn sie nur einem Manne, als wenn sie der Masse des Volfes unterworfen ist. Auch der erblichen Monarchie redet er das Wort, indem er es als nüglich für das Volk ansieht, wenn es von der höchsten Gewalt als ein Erbeigenthum betrachtet und wie in einer väterlichen Herrschaft behandelt würde 1). Nicht ganz in Übereinstimmung mit seinem Eintheilungsgrunde zieht er doch die Aristokratie näher an die Monarchie als an die Demokratie heran, weil sie Erblichkeit begünstigt, weil sie die Berathung an wenige bringt und beständiger ist als der Wankelmuth der Demokratie 2). Es liegt aber freilich in seiner Denkweise im Allgemeinen, daß er die Aristokratie der Demokratie und die Monarchie der Aristokratie vorziehen muß, weil jene mehr, diese am meisten vom Naturzustande des Krieges Aller gegen Alle sich entfernt.

Die Berücksichtigung der Zeitumstände, welche durch alle seine politischen Lehren hindurchgeht, spricht sich doch in keinem Theile derselben so ausführlich aus als in seinen Lehren über die Verhältnisse des Staates zur Kirche. Bei der unbedingten Herrschaft, welche er der oberßten

1) De cive 10, 3 sqq.; de corp. pol. II, 5, 3 sqq.; Leviath. 19 p. 178 sqq.; vita Hobbes. p. 118. Et quantum coetu plus sapit unus homo.

2) De cive 10, 19. Von einer andern überlegung ist es, daß Demokratie doch im Wesentlichen nur Aristokratie sei, nemlich Herrschaft der Redner. De corp. pol. II, 5, 3.

Gewalt im Staate selbst über die Meinungsäußerungen
der Bürger beilegte, mußte ihm die Unabhängigkeit, welche
die Kirche forderte, den größten Anstoß geben. In den
kirchlich-politischen Bewegungen seines Vaterlandes sah
er die Gefärdung des Friedens, welche die Ansprüche auf
kirchliche Freiheit nach sich ziehen müßten, in rohester Gestalt
vor sich aufsteigen. Er zögerte nicht diesen Eingriffen der
Religion in die Rechte des Staats sich entgegenzusehen.
Den katholischen Theologen, von welchen seine Staats-
lehre manchen Grundsaß geborgt hatte, mußte er wider-
sprechen, weil sie die Herrschaft über die Seele von der
Herrschaft über den Leib unterschieden, wärend ihm ein
solcher Gegensat fremd war. In vollem Widerspruch ge=
gen sie erklärte er die höchste Gewalt für die Seele des
Staats und in einer ziemlich weitläuftigen Untersuchung
bestritt er die Lehren Bellarmins 1). Gegen die Protestan-
ten, welche sich auch auf ihr Gewissen, auf die hei=
lige Schrift und auf besondere Erleuchtungen beriefen,
machte er die Trüglichkeit in den Aussagen des Gewissens
und des Glaubens geltend 2) und bestritt die Erleuchtun-
gen, welche uns den Sinn der heiligen Schrift eröffnen
sollten, indem er dagegen die vernunftmäßige Auslegung
der heiligen Schrift mit seiner Staatslehre in Übereinstim-
mung fand, aber auch der Überzeugung war, daß in der

1) Leviath. 42 p. 344 sqq.

2) Hum. nat. 6, 8. Conscience I therefore define to be
opinion of evidence. Ähnlich über Glauben. lb. 11, 8. Doch
haben wir gesehn, daß er auf das Gewissen als forum internum
Gewicht legte. Vergl. Leviath. 15 p. 164. Auch hier ist eine Zwei-
deutigkeit seines Sprachgebrauchs nicht zu verkennen.

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