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Itinerarium Hispanicu(m) compillatum a me Fr(atr)e Simone Gansler Guardiano Landishutano et olim A(dmodum) R(everendi) P(atris) Baltasarj Weinhard ad Capitulum G(enera)le Vallisoletj celebratum) Provincia)lis Bavariae, A(nn)o 1669.

Die lateinischen Aufzeichnungen beginnen erst in Paris, sei es nun dass dem Wanderer erst in der Hauptstadt Frankreichs der Gedanke kam, seine Eindrücke und Erlebnisse zu Nutz und Frommen seiner reisenden Mitbrüder und sich selber zur frohen Erinnerung aufzuzeichnen, oder aus irgend einem anderen Grunde. Unerwähnt bleibt auch, warum die zwei Monche den Umweg über Nordfrankreich wählten, statt direkt über Bodensee und Schweiz zu den Pyrenäen vorzudringen.

Von dem Konvent der Patres Recollecti in Saint-Denis aus wanderten die beiden am Sonntag Laetare den 17. März des Jahres 1669 frohen Mutes der sinkenden Sonne entgegen, nachdem sie vorher noch die Sehenswürdigkeiten von Saint-Germain, den Königspalast und seine Gärten, das Mausoleum zu SaintDenis, die königliche Schatzkammer dortselbst und last not least. die Notre-Dame-Kathedrale von Paris bewundert hatten. Sie nahmen die Richtung gegen Orléans und zogen noch am selben Tage fünf Wegstunden fürbass. Frohe Heiterkeit strömt aus den Zeilen, mit denen Frater Simon das Wandern auf der wohlgepflegten französischen Chaussée beschreibt, wo allenthal

ben Handschrift; stereotype Ausdrücke und Redewendungen, häufig sogar blosse Merkwörter wiederholen sich bei bestimmten regelmässig wiederkehrenden Anlässen. Randnotizen und Einschaltungen mit Verweisen auf frühere Stellen sind ebenso häufig. Das deutsche Fragment ist im Gegensatz dazu mit äusserster Sorgfalt und Sauberkeit geschrieben, mit künstlerischen Initialen und genau ablinierten Rändern versehen. Hiezu kommt, dass es in ausführlicher wohldurchdachter Redeform abgefasst ist und jeglicher, auch der leisesten Korrekturen entbehrt. Von den gesamten 36 Blättern sind die 4 letzten in einer von der der übrigen abweichenden Handschrift geschrieben. Hierauf bricht die Schilderung plötzlich ab. Das Ms. stammt, nebenbei bemerkt, aus dem Minoritenkloster zu Tölz.

ben blühende Weinberge und malerische Schlösser das Auge grüssten; nicht minder erfreute die beiden Mönche, dass die Leute per illam viam Aureliacam versus satis humani, charitativi, civiles et erga Religiosos reverentiales sich benahmen. In etwa drei Tagreisen wird so die Strecke Paris-Orléans von den zwei Wanderern zurückgelegt. Zehrung und Unterkunft gewähren ihnen bald Klöster, bald gutherzige und gottesfürchtige Bauern am Wege, ab und zu kommt es auch vor, dass aliquis nobilis prandium solvit, oder dass domina aliquis misit ad hospitium collationem cum vino rubro optimo; hospes autem vinum illud clam auferendo dedit vinum album acetosum. Von Orléans geht es zu Schiffe die Loire hinunter bis nach Blois, dessen Naturschönheiten unserem Mönche ganz besonders gefallen; er lässt sich auch erzählen, dass hier zur Sommerszeit die vornehmen Leute aus aller Herren Länder zusammenströmten, um alle diese Schönheiten zu geniessen. Von Blois ziehen die beiden über Turon und eine lange Reihe kleiner und kleinster Landstädtchen, deren meist schlecht verstandene Namen unser Autor derart gründlich latinisierte, dass sie unmöglich mehr zu identifizieren sind, nach Bordeaux, wo sie am Mittwoch der Osterwoche ankommen. Unterhalb Bordeaux beginnen sodann für beide erst eigentlich die Mühseligkeiten und Entbehrungen der Reise: Terra sterilis, arida, arenosa, nec vinum nec frumentum crescit; oportet sibi facere provisionem ad duos dies tam de vino quam pane; pisces non habent. Gens et populus inurbanus, malitiosus, irreverentialis; sufficit dicere: ceu e un cascon. Ueber Bayonne gelangen sie endlich am 10. April nach Saint Jean de Luz, wo sie, wie Simon Gänsler zu erwähnen nicht vergisst, zum ersten male echten spanischen Wein zu kosten bekamen. Von hier ab tritt auch den Mönchen zum erstenmale die grandiose Wildheit der nordspanischen Landschaft unmittelbar vor Augen: zerklüftete Berge wechseln mit öden Tälern und sandigen Wüsteneien, und über allem brütet eine infernalische Hitze, die den Wanderern aus dem kühlne Norden besonders beschwerlich fiel. In sechs Wegstunden erreich

ten sie endlich mit Zuhilfenahme von muli hispanici die Stadt San Sebastian, wo sie in dem vor den Toren gelegenen Franziskaner kloster Einkehr hielten. Von dem Guardian des Stiftes wurde ihnen hier unter anderem auch ein Erlass des Ordensgenerals verkündet, demzufolge es den reisenden Brüdern bei Strafe der Exkommunikation untersagt wurde, während ihres Aufenthaltes in Spanien die Stadt Madrid unter irgend einem Vorwande zu betreten. Welcher Art die Gefahren sein mochten, vor denen der fürsorgliche Hirte seine Schäflein bewahrt wissen wollte, das können wir leider nicht einmal mit Sicherheit mutmassen, da unser Erzähler hierüber mit Stillschweigen hinweggeht. Ueber die Verhältnisse Nordspaniens im allgemeinen hören wir manche interessante Einzelheit. Klöster gibt es allenthalben und zwar die herrlichsten Bauten aus alten längstvergangenen Tagen; in ihren Kirchen sind unerhörte Schätze an Kelchen, Kruzifixen, Leuchtern und Altarschmuck jeglicher Art aufgehäuft. Die Provinz Kantabrien schöpft reichen Gewinn an Silber, Eisen und Erz aus ihren Bergwerken und hat das Ehrenmonopol der Waffenlieferung an die Herrscher des Landes. Ueber den Adel dieser Provinz bringt eine etwas unklare Stelle folgende Reminiszenz zu Tage: omnes sunt in hac regione Nobiles ex Privilegio Regis (soll offenbar heissen, dass alles gewisse königliche Privilegien genoss) quiaista sola natio Cantabrica Mauros expulit ex Hispania. So lebendig waren demnach noch damals die Erinnerungen an den Helden Pelayo und seine tapfere Schar, dass sich ihr Niederschlag sogar im Tagebuch unseres Wanderes fühlbar macht, der sonst nicht gerade viel für die Geschichte des fremden Landes übrig hatte. Von dem gewöhnlichen Volke jenes Landstriches hören wir ein nicht eben günstiges Urteil. Ich lasse dasselbe wörtlich folgen, um ihm nichts von seiner trockenen Kürze zu nehmen, die es besonders wirksam macht : Mulieres in hac provincia viros alere tenentur, viri autem continuo in foro otiando discurrunt de novellis; si virgines non laborant, non aquirunt virum, quod ipsis maximo pudori est. Im übrigen ist das Volk allenthalben

gegen die Mönche voll Verehrung; Männer, Frauen und Kinder begrüssen dieselben durch ehrfürchtiges Küssen des Mantel

saumes.

Von San Sebastian aus geht die Wanderung gleichmässig und eintönig über Dörfer und kleine Städte, Villafranca, Villaval, Vitoria, Puebla, Miranda, ohne viel Aufenthalt und auch ohne besondere Erlebnisse. Vier bis sechs Stunden Wegs jeden Tag, dann Einkehr in einem Kloster oder Herbergshause, spärliche Kost um Gotteslohn (pro amore Dei) und ein hartes Lager für die Nacht, das ist der Durchschnittsreisetag unserer Mönche. Erst in Bribiesca, wo gewaltige und langewährende Regengüsse einbrechen, gibt es wieder längere Rast im Kloster des heiligen. Franciscus. Zum erstenmale nach langer Zeit erlaben sich die beiden wieder nach deutscher Art an edlem Kalbfleische; und während sie die vom Regen durch nässten Kutten am Feuer trocknen lassen, ergötzen sie sich an den grotesken Figuren spanischer Tänze 2.

Burgos, das in den letzten Tagen des April passiert wird, bleibt vorerst ziemlich ohne Eindruck auf unseren Wanderer. Von der Gräfin-Witwe von Aragon, die dort ihren Witwensitz hat und eine besonders fromme Frau gewesen zu sein scheint, tauscht er Reliquien (wie ein Stück aus dem Schleier Marias und einen Splitter aus dem Stabe Sankt Petri) gegen Heiligenbildchen ein, weiss aber im übrigen von der uralten Königsstadt nur zu berichten, dass sie ungemein reich an Klöstern sei. Von Burgos geht die Reise am 1. Mai weiter über Zlada, Quintana de la Puente, Torquemada, Dueñas, Cabezón nach Valladolid, wo in

1. Ueber die Betten informiert uns folgende Stelle (fol. 10 recto): Sunt ibi lecta nimis imunda, posset aliquis morbum contrahere.... Lecta in hospitiis oportet cavere et sportulas suas bene custodire, tam in conventis quam in hospitiis.

2. Allas tardes hemos habido un sonador con los balos spagnuolos di dos mozzodanzantes alla manera di spagna, wie die Handschrift (fol. 10 recto) in italienisch spanischem Kauderwelsch bemerkt.

dem dortigen Redemptoristenkloster vorerst das Ziel der langen Wanderung erreicht ist. Mit dem üblichen Spruche omnia ad maiorem Dei gloriam, der hier - wir vermögen das lebhaft nachzufühlen wirklich aus frohem, dankerfüllten Herzen kam, schliesst der erste Teil des Reisetagebuches ab.

Mit Fol. 16 der Handschrift beginnt unter neuer Blattzählung der Reditus Vallisoleto in Bavariam et Monachium. Der Aufenthalt in Valladolid selbst erstreckte sich fast auf die Dauer eines Monats. Am 16. Mai begannen die Sitzungen des Ordenskapitels mit des Wahl des Ordensgenerals, des Generalkommissarius und des Provinzials für Kastilien. Ueber den sonstigen Verlauf der Tagung enthält das Buch nur noch folgenden charakteristischen Eintrag : (in Capitulo) satis bene tractati fuimus, cum semper duplicis sortis vinum nobis appositum (!). Die Stadt Valladolid selbst beherbergte zu damaliger Zeit-wenn anders unser Mönch recht berichtet wurde - nicht weniger als sechzig Klöster, was sogar für die damalige Zeit und spanische Verhältnisse eine aussergewöhnlich stattliche Anzahl bedeutet. Am Freitag den 31. Mai um Mitternacht brachen die deutschen Franziskaner (33 an der Zahl) wieder zur Heimreise auf. Wo sie immer zu einem Bauern oder in ein Dorf kamen, war es natürlich bei der Gutmütigkeit des Landvolkes den Mönchen gegenüber um den Wein dortselbst geschehen, und es klingt wie versteckte Ironie, wenn Simon Gänsler gleichzeitig in sein Tagebuch einträgt, dass die dortigen Bewohner um jene Zeit von den schwarzen Heuschrecken viel Schaden an ihren Weinbergen zu erleiden hatten. In Palencia trennten sich unsere beiden Mönche wieder von der Schar der übrigen und setzten ihre Reise allein fort, da es wiederholt vorkam, dass die Klöster einer solchen Schar ungebetener Gäste einfach ihre Pforten verschlossen. In Burgos, das sie schon auf dem Herwege passiert hatten, nahmen die zwei Wanderer einige Tage Aufenthalt, um die dortige Frohnleichnamsprozession, ein für sie besonders anziehendes Schauspiel, zu geniessen. Die Beschreibung derselben ist ein kleines Kulturdokument für sich und möge deshalb hier unverkürzt folgen:

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