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Das weils ich",

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erwiederte Rosas, der sich keine Gelegenheit entgehen liefs, Andere ihre Irrthümer oder ihre Unwissenheit fühlen zu machen. Die Unitarier", fuhr er

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fort, ,haben bis heute nicht erreicht und werden nie erreichen, was ihnen fehlt, um stark und mächtig zu sein, mögen sie auch noch so zahlreich sein und noch so gute Unterstützung finden. Sie haben Männer von grofser Fähigkeit, sie haben die besten Militärs der Republik; aber es fehlt ihnen an einem gemeinsamen Centrum der Action; Alle befehlen, und eben deshalb gehorcht Niemand. Alle gehen auf dasselbe Ziel los; aber jeder auf einem anderen Wege, und daher werden sie es niemals erreichen. Ferrer gehorcht nicht dem Lavalle, weil er Gouverneur einer Provinz ist; und Lavalle nicht dem Ferrer, weil er der, Anführer der Unitarier, der General Libertador ist, wie sie ihn nennen. Lavalle bedarf der Mitwirkung des Rivera, denn Rivera versteht sich auf unsere Kriegsführung; aber seine Eigenliebe macht ihn glauben, dafs er sich allein genüge, und so verachtet er Rivera. Rivera mufs seine Operationen im Einverständnifs mit Lavalle ausführen, denn dieser ist eines der hiesigen Parteihäupter und hat ein besseres Officiercorps als Rivera; aber Rivera verachtet den Lavalle, weil er ein Montonero 1) ist, und verabscheut ihn, weil er aus Buenos-Aires stammt (porque es porteño). Die Männer der Feder, die Männer des Cabinets, wie sie sich nennen, berathen den Lavalle; Lavalle ist geneigt ihrem Rathe zu folgen; aber die Männer des Schwerts, die ihn umgeben, verachten jene die nicht im Heere dienen; und Lavalle, der nicht zu befehlen versteht, leiht sein Ohr dem Geschrei seiner Subalternen, und um diese nicht zu verstimmen, lebt er lieber in Anarchie mit den Männern des Wissens, deren es in seiner Partei gibt. All die neugebacknen Unitarier in den Provinzen, eben deshalb weil sie Unitarier sind, kranken an demselben Uebel wie jene; d. h. jeder hält sich für einen Chef, einen Minister, einen Gouverneur, und keiner will sich blofs als Soldaten, als Beamten, als Bürger ansehen. Alsdann, Herr Minister Ihrer Majestät der Königin von England, wenn man solche Feinde hat, ist das Mittel sie zu verderben, ihnen Zeit zu geben, dafs sie sich selbst verderben; und das ist's was ich thue."

1) Montonera ist die irreguläre Reiterei, hauptsächlich aus den halbwilden Bewohnern der Pampas zusammengesetzt.

O! ganz vortrefflich! Das ist ein herrlicher Plan!"

rief Mandeville ganz aufgeregt.

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Erlauben Sie, ich bin noch nicht zu Ende",

Rosas mit demselben Phlegma,

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sagte

wenn man solche Feinde hat", fuhr er fort, „dann schätzt man sie nicht nach der Anzahl, sondern nach dem Werthe, den jede Fraction, jeder Kreis, jeder Mann vorstellt; und vergleicht man nun diese Fractionen mit der gegentheiligen Macht, einer soliden, organisirten, wo nur Einer befiehlt und alle Uebrigen gehorchen, wie die Arme dem Willen, alsdann wird man zu dem Schlusse kommen, dass der Triumph dieser letzteren Macht gesichert ist, unfehlbar, auch wenn sie kleiner schiene im Vergleich mit der Gesammtsumme ihrer Feinde in Masse. Verstehen Sie nun völlig, in welcher Weise man die Situation meiner Feinde und die meinige würdigen muss?" frug Rosas, der nicht einen Augenblick den Gleichmuth verloren hatte, womit er seinen originellen Feldzugsplan zu entwickeln begonnen hatte, welcher das Resultat seiner ausführlichen Studien war, die er, während seines öffentlichen Lebens, über die Feinde gemacht hatte, die ihn bekämpften und die, indem sie ihn verderben wollten, selbst ihm jene grofse Macht und die Mittel lieferten, die ihm solch ein Ansehen in den Augen der Welt gaben, und die er allein nie weder das Talent noch die Kraft gehabt hätte, zu erwerben.

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Am 31. October 1840 wurde in der That durch Lord Palmerston's Vermittlung Rosas' Zwist mit Frankreich beigelegt und die französische Blokade von Buenos Aires aufgehoben; und im November 1840 wurde, wie bemerkt, Lavalle wiederholt von Rosas geschlagen, zur Flucht nach Tucuman genöthiget und bei Jujuy überfallen und getöd

tet.

Nun erst konnte Rosas seiner Blutherrschaft die Zügel schiefsen lassen, und bis zum Jahre 1843 liefs er gegen 6000 Menschen (5 Procent der Bevölkerung von ganz Buenos Aires) hinrichten; dennoch wurde er abermals durch das Suffrage universel1) im Jahre 1849 mit noch unumschränkterer Gewalt wieder gewählt!

1) Dies ging so weit, dafs sich in den Pfarren von Buenos Aires Vereine bildeten, die Parroquiales genannt, die in Procession das Bildnifs des Rosas in die Kirche trugen, wo es von den Geistlichen im Ornate empfangen und auf einem Altare aufgestellt wurde; denn Rosas hatte auch die

182 Ferdinand Wolf, Der erste histor. Roman im span. Süd-Amerika.

Man sieht, auch in Amerika gibt es Männer die Studien zu machen verstehen; so manche europäische Diplomaten könnten, gleich Herrn Mandeville, zu ihnen noch in die Schule geschickt werden; und auch unsere Unitarier könnten sich an dem Schicksal der amerikanischen ein Beispiel nehmen, die erst nach vielen Niederlagen, nachdem sie die blutigste Tyrannei erduldet, einsehen lernten, dass eben in ihrer Uneinigkeit und gegenseitigen Scheelsucht die gröfste Stärke ihres Gegners bestand, und dafs nur ein aufrichtiges Zusammenwirken im Stande war, den Restaurador de las leyes) wie Rosas von seinen fanatischen Anhängern und den Revolutionsmüden genannt wurde zu besiegen und zu verjagen 2).

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Geistlichkeit, mit Ausnahme der Jesuiten, völlig gewonnen. Unser Verf. sagt davon mit gerechter Indignation: „En los brazos de los federales de los federales dignificados con la casaca de nuestros generales, é con el barton de nuestros magistrados, pero plebeyos y corrompidos de corazon el retrato del dictador fué conducido hasta los templos, y recibido en la puerta de ellos por los sacerdotes en sobrepelliz: paseado por entre las naves bajo el Santo Palio, y colocado en el altar al lado del Dios crucificado por los hombres".

1) Durch welche Art von Gesetzen er die Ruhe herstellte, beweist z. B. das berüchtigte Hunger-Gesetz (Ley de hambre) vom 16. September 1840, wodurch die Unitarier völlig rechtlos, aller ihrer beweglichen und unbeweglichen Güter durch die Confiscation verlustig erklärt, und im eigentlichen Sinne dem Hungerto de preisgegeben wurden, wenn sie nicht eher von der Henkerbande (Mas-horca) erschlagen und geplündert worden waren.

2) Nachdem Rosas im Jahre 1852 endlich völlig besiegt worden war, entkam er als Matrose verkleidet und rettete sich nebst seinen beiden Söhnen und seinen beiden Töchtern auf das englische Kriegsschiff Locust, das ihn bei Cork in Irland landete, wo er von seinem Verbündeten und Gönner, dem edlen Lord Palmerston, mit offenen Armen aufgenommen wurde.

Ferdinand Wolf.

Das Neueste zur Ossian-Frage.

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Wem auf dem Continent die schottischen und irischen Zeitschriften und Abhandlungen, in welchen über die Aechtheit oder Unächtheit des Macphersonschen Ossian herumgestritten wird, und ihre Zahl ist Legion nicht zu Gebote stehen, der greift wohl, auch nach der übersichtlichen Geschichtsdarstellung der berühmten Streitfrage von Löbell (Entwickelung der deutschen Poesie seit Klopstock's erstem Auftreten bis zu Göthe's Tode, 1856. Bd. I, 122-125, 272-311), wenn er sich ein gründliches Urtheil über dieselbe bilden will, nach dem Buch von Talvj (Mad. Robinson, geb. T. A. L. von Jakob), die Unächtheit der Lieder Ossians und des Macphersonschen Ossians insbesondere. Leipzig 1840. 8° ❝. Die Verfasserin folgt hauptsächlich den Untersuchungen der irischen Gelehrten, namentlich O'Reilly's (Irish Transactions Vol. XVI. Part. II. pol. Lit.) und Drummond's (ebenda), sowie einigen Schotten, die, durch Patriotismus nicht verblendet, sich gegen die Aechtheit des Macphersonschen Ossian auszusprechen gewagt haben, unter ihnen Walter Scott. Das Ergebnifs, welches sich herausstellt, gibt sie selbst in ihrer Vorrede in folgendem Satze an: Vermittelst der Aufsätze O'Reilly's und Drummond's liegt es nun ganz unwidersprechlich zu Tage, dafs Macpherson's sogenannte englische Uebersetzung ein aus Jugenderinnerungen hochländischer Liederbrocken, mannichfacher Lectüre, besonders aber irischer Volkssagen und Liedermärchen, zusammengesetztes Original, die sogenannten gälischen Originale aber eine von ihm im heutigen corrumpirten ersischen Dialecte verfasste Uebersetzung des englischen Originals sind." Im Buche selbst sucht die Verfasserin, zur Begründung dieses Satzes, ganz besonders nachzuweisen, dafs Macpherson, wo ihm bei Abfassung seines englischen Ossian alte Handschriften zu Gebote standen, einzig und allein irische Manuscripte gehabt haben könne, deren Lieder nur in den Thatsachen mit dem Macphersonschen Machwerk Aehnlichkeit haben, in der Fassung und im Wortlaut aber durchaus abweichen. Zu diesem Zwecke sagt sie S. 101: „Macpherson behauptete allerdings einen Theil der Dichtungen in alten ersischen Handschriften gefunden zu haben. Auch geht aus der durch die hochländische Commission angestellten Untersuchung hervor, dafs er wirklich Manuscripte in Händen gehabt, die alt und bestaubt aussahen. Ob dies aber erstens wirklich Manuscripte von einigem Alterthum, zweitens ob es ersische,

drittens ob es überhaupt Handschriften der Ossianischen Dichtungen waren, viertens inwiefern Macpherson befähigt war, alte Manuscripte zu entziffern, ist eine andere Frage. In seinem Nachlafs hat sich durchaus kein Manuscript gefunden, welches nicht von ihm selbst oder von einem Schreiber in seinem Auftrage geschrieben gewesen wäre. Es ist jedoch wiederholt von einer Handschrift gälischer Gedichte die Rede, welche in der Familie Clanronald aufgehoben und im Anfange des vierzehnten Jahrhunderts von dem Barden derselben, Paul Mac Mhusich, gesammelt worden sei. Dies Manuscript, aus mehreren kleinen Octavbänden bestehend, soll Macpherson von einem der Clanronalds erhalten haben. Kein Mensch kann sagen, was daraus geworden. Die Untersuchungs-Commission bezeugt, dass nur ein Band davon gefunden worden, der zum Theil englische, zum Theil gälische Gedichte enthalten; kein Wort von Ossian". S. 103: Wenn Macpherson alte Manuscripte besafs, so hätten diese irisch-gälische sein müssen“. S. 104: Was er von älteren Manuscripten in Händen hatte, waren ohne Zweifel irische, und namentlich wohl eine Abschrift vieler Finnianischen Gedichte. Die meisten seiner Ossianischen Dichtungen sind auf dieselben gegründet, d. h. so, dafs sich der Gang der Begebenheiten darin erkennen lässt, und da ihm Alles daran lag, gerade das zu verbergen, und erstere für ächte schottische Nationalproducte gelten zu lassen, so wird jeder natürlich finden, dafs er die Manuscripte sorglich vernichtete ". S. 107: „Merkwürdig ist, dafs sich für alle Gedichte seines ersten Bandes eine Art von Autorität finden läfst; so für „Carthon" die irische Erzählung Conloch (s. Miss Brooke); der Tod Oskar's im ersten Buche von Temora ist aus einem der irischen Gedichte auf die Schlacht bei Gabhra genommen, wovon ein Bruchstück als ein eigenes Lied in Umlauf war."

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Ganz besonders aber mufste die Ansicht der irischen Gelehrten, dass Macpherson nur aus irischen Handschriften diejenigen seiner Gedichte, welchen solche alte Quellen zu Grunde liegen, geschöpft haben könne, der Umstand stützen, dass, während irische Manuscripte alter, vorzüglich Ossian zugeschriebener Lieder sich in den Bibliotheken Dublins u. s. w. befinden, schottische Handschriften dagegen, welche nur annähernd eines jener Gedichte enthalten hätten, nicht nachweisbar waren. Mit Bezug auf den (schon oben erwähnten) im Jahre 1805 erschienenen und aus einer Arbeit von 8 Jahren hervorgegangenen Bericht der

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