Images de page
PDF
ePub

als solche zu betrachten sind, die überall von selbst entstehen können (wie namentlich die letzte sich auf den Zahnschmerz beziehende, die sich übrigens auch in Indien findet), will ich nicht entscheiden; mir genügt es, auf dieselben hingewiesen zu haben.

Neugriechische Sagen.

(Zeitschr. für deutsche Philologie II, 177.)

In einer von dem Metropolitan von Malvasia, Dorotheos, verfassten allgemeinen Weltgeschichte, die im J. 1763 zu Venedig in 'vermehrter und verbesserter Auflage erschien, befindet sich eine Anzal Sagen eingeflochten, welche ich aus dem Wuste der sechstehalbhundert Quartseiten herauszusuchen mir die Mühe genommen und hier deshalb mittheile, weil sie manches nicht Uninteressante bieten und gelegentlich auch für germanistische Studien einigen Werth haben möchten. Das Buch selbst trägt folgenden Titel: »Bißλíov 'IoTopixòv περιέχον ἐν συνόψει διαφόρους καὶ ἀξιακούστους ἱστορίας. Ἀρχόμενον ἀπὸ κτίσεως κόσμου μέχρι τῆς ἁλώσεως Κωνσταντινοπόλεως καὶ ἐπέ κεινα. Συλλεχθέν παρὰ τοῦ Ἱερωτάτου Μητροπολίτου Μονεμ βασίας κυρίου Δωροθέου. Νῦν μετατυπωθέν, αὐξηθέν, καὶ μετὰ πλείστης ἐπιμελείας διορθωθέν. Ενετίησι. αψξγ'. Seine Quellen hat der Verfasser nirgends angeführt und nur in einzelnen Fällen bin ich im Stande gewesen, diesem Mangel Abhilfe zu leisten; dagegen habe ich sonst hier und da einige Nachweise hinzuzufügen vermocht.

I. Kain.

Obwol im Alter erblindet, lässt Lamech trotzdem von seinem Lieblingsvergnügen, der Jagd, nicht ab, auf der ihn dann stets jemand begleiten und ihm den Bogen richten muss. So geschieht es denn eines Tages, dass er durch ein Versehen seines Führers den Kain mit einem Pfeile tödtet und sich darüber sehr grämt. Der Leichnam Kain's blieb jedoch im Walde unbegraben liegen und aus seinem Kopfe entsprang eine stinkende Quelle, aus der sich eine Art bis dahin unbekannter Würmer erzeugte; sie hatten vier Füsse, Kopf und Ohren aber waren so gross wie die der grossen Thiere (μeɣáλa woàv (wov); und einige Leute glauben, dass von jenen Würmern (oxovλíxia) die Hunde (oxõλoi) herkommen. Man sieht, dass der Gleichklang der letzten beiden Worte sowie überhaupt der von Káïv und xówv Anlass zu dem Entstehen des letzten Theils dieser Sage gegeben, während der erstere aus dem Talmud stammt; denn in Baring-Gould's Legends of Old Testa

ment Characters from the Talmud and other sources. Lond. 1871. I, 103 heisst es: >>Now Lamech became blind in his old age, and he was led about by the boy Tubal-cain. Tubal-cain saw Cain in the distance, and supposing from the horn on his forehead that he was a beast, he said to his father: 'Span thy bow and shoot!' Then the old man discharged his arrow, and Cain fell dead.<<

II. Der bekehrte Geizhals.

Einem hartherzigen Geizhals wird einst von einem Schriftgelehrten in der Weisheit Salomonis der Spruch gezeigt: >>Wer barmherzig ist wider den Armen, der leiht Gott.« Da vertheilt er alsobald seine ganze Habe unter die Bedürftigen und behält blos zwei Geldstücke übrig, so dass er von der Zeit ab nur sehr kümmerlich leben muss. Endlich wird seine Noth so gross, dass er voll Bitterkeit des Herzens nach Jerusalem zu gehen und Gott darüber Vorwürfe zu machen beschliesst, weil sein Wort ihn in so tiefes Elend gestürzt. Unterwegs begegnet er zweien Männern, die zusammen einen Edelstein gefunden hatten und darüber stritten, wem er gehören solle. Als jener die Ursache des Zwistes vernommen, kauft er ihnen den Stein für die zwei noch in seinem Besitz befindlichen Geldstücke ab, welche sie nun friedlich unter einander theilen können, während er selbst seinen Weg fortsetzt. In Jerusalem angelangt, zeigt er den Edelstein einem Goldschmied, der denselben sogleich als den nämlichen erkennt, welchen vor längerer Zeit schon der Oberpriester von seinem Leibrocke verloren hatte, so dass die ganze Stadt darüber in die grösste Bestürzung versenkt war; er räth deshalb dem derzeitigen Besitzer des Edelsteins, ihn ohne Verzug dem Oberpriester wiederzubringen, da er des reichsten Finderlohns sicher sein könne. Jener folgt dem Rathe, der sich auch als ein ganz vortrefflicher erweist; denn ein Engel des Herrn hatte bereits den Oberpriester von dem Vorgefallenen in Kenntniss gesetzt und ihm befohlen, den Wiederbringer des Steines mit jeglichem Reichthum zu überhäufen, zugleich aber auch ihn wegen seines geringen Vertrauens auf Gott und die heilige Schrift zurechtzuweisen, was denn auch geschieht; so dass der nun wieder reich Gewordene voll Freude, und mit erneutem Glauben den Tempel verlässt.

III. Jeremias.

Auf Befehl Gottes zieht Jeremias mit dem ganzen jüdischen Volke bei Nacht und Nebel aus der babylonischen Gefangenschaft fort und nach Jerusalem zurück (?), woselbst er eines Tages während des Ge

Liebrecht, Zur Volkskunde.

6

betes todt niederfällt. Als man sich nun anschickt ihn zu begraben, erschallt vom Himmel eine Stimme, welche dies untersagt, da Jeremias noch lebe. Man bewacht ihn also drei Tage lang, worauf er wirklich wieder lebendig wird und Gott den Vater sowie seinen Sohn Jesus. Christus, den Wiedererwecker der Todten, laut zu lobpreisen beginnt. Als das Volk dies vernimmt und sich erinnert, dass der nämlichen Verkündigung wegen der Prophet Jesaias von ihren Vätern mit hölzerner Säge durchsägt worden war, so will es auch Jeremias zu Tode steinigen. Er aber fleht zu Gott, dass ein von seinen Jüngern Baruch und Abimelech auf sein Begehren herbeigebrachter Stein, der ungefähr ebenso gross ist, wie er selbst, so lange seine Gestalt annehme und die ihm zugedachte Strafe erdulde, bis er alles, was er im Himmel gesehen und gehört, laut verkündet habe. Sein Gebet wird erhört, und das Volk kommt erst dann von seiner Verblendung zurück, als Jeremias selbst nach Beendigung seiner Rede freiwillig aus seiner Unsichtbarkeit heraustritt, worauf er den Steinigungstod erleidet. Seine beiden Jünger begraben ihn alsdann und setzen auf sein Grab jenen Stein, der seine Gestalt angenommen, mit der Inschrift: »Outos síval ó Xídos ó βοηθὸς Ἱερεμίου.

IV. Augustus.

Der römische Kaiser Augustus war der Buhlerei sehr ergeben, und namentlich zwang er Ehemänner ihm ihre schönen Frauen in den Palast zu bringen. Sein weiser Lehrer Athenodoros hatte ihm oft schon Vorstellungen über dieses Laster gemacht, stets aber vergeblich; da begegnete er eines Tages einem vornehmen Mann, der bittere Thränen vergoss, und welcher ihm auf Befragen mittheilte, dass der Kaiser ihm befohlen, sein Weib in eine Kiste eingeschlossen in den Palast zu senden. Athenodoros heisst den Klagenden gutes Muthes sein; er wolle selbst statt der Frau in die Kiste steigen und es so einrichten, dass jenem daraus keine üblen Folgen erwüchsen. Das Anerbieten wird angenommen und die den Athenodoros enthaltende Kiste dem Kaiser überbracht, welcher, allein geblieben, dieselbe voll lüsterner Erwartung öffnet; da mit einem Male springt sein Lehrmeister mit gezücktem Schwerte aus der Kiste hervor und überhäuft Augustus mit den heftigsten Vorwürfen wegen seines Thuns. Voll Todesfurcht wirft sich dieser ihm zu Füssen und schwört einen feierlichen Eid, nimmer wieder die Ehre fremder Ehefrauen antasten zu wollen, welchem Gelöbniss er dann auch wirklich treu bleibt, indem er »von jener Zeit an dem Teufelswerk des Ehebruchs entsagt«.

V. Titus.

Als Titus einst im Sommer an der Spitze seines Heeres den ganzen Tag hindurch marschiert war, bekam er in Folge der Anstrengung und der brennenden Sonnenhitze so heftiges Nasenbluten, dass er darob dem Tode nahe war. Als nun sein Bruder Domitian sah, dass er durch den grossen Blutverlust und den übermässigen Sonnenbrand so schwer litt, liess er eine hölzerne Kiste mit Schnee anfüllen und ihn hineinlegen. Aber umsonst, denn Titus starb trotzdem. Der Zug mit der Schneekiste stammt aus Dio Cassius 66, 26, wo aber die andern Umstände ganz verschieden sind, auch Domitian durch jenes Verfahren den Tod des Bruders vielmehr beschleunigen will.

VI. Die standhafte Jungfrau.

Bei der allgemeinen Christenverfolgung zur Zeit Diocletians widerstand auch eine Jungfrau allen Lockungen und Martern, durch die man sie zum Abfall von ihrer Religion zu verleiten suchte, so dass man sie endlich einem Soldaten überlieferte, damit dieser sie zur Unkeuschheit verführen sollte. In dem Hause desselben angelangt, versprach sie ihm, wenn er sie unangetastet liesse, eine Salbe, die ihn gegen jede Waffe unverwundbar machen würde und welche sie dann auch alsobald aus Wachs und Oel bereitete; zum Beweise aber, dass diese Salbe die ihr zugeschriebene Eigenschaft besässe, bestrich sie damit ihren Hals und hiess dann den Soldaten mit seinem Schwerte aus allen Kräften einen Streich gegen denselben führen. Dies geschah; das Ergebniss aber entsprach keineswegs der Erwartung des Soldaten, wenn auch vollkommen dem Wunsche der Jungfrau; denn ihr Kopf flog ohne Verzug vom Rumpfe, so dass sie den doppelten Zweck erreichte, ihre unbefleckte Reinheit bewahrt und die Krone des Märtyrerthums erworben zu haben. Diese wahrscheinlich aus dem Orient stammende Legende findet sich auch bei Giraldo Giraldi Nov. 5, deren Inhalt in der Ueberschrift folgendermassen angegeben ist: »Samelic stellt der Ehre der von ihm aus Sardinien geraubten Costanza nach; diese aber, die den Tod der Schande vorzieht, entflieht der Gefahr, indem sie sich auf schreckliche Weise das Leben nimmt«<. Wesselofsky in seiner Ausgabe von Giovanni da Prato's Paradiso degli Alberti Vol. I, P. 1 p. 46 verweist hierbei auf Lodovico Domenichi's Nobiltà delle Donne. Venezia 1551 fol. 41 v°., worin eine ganz ähnliche Novelle vorkommt, indem nämlich ein Mädchen, Namens Brasilla, einen Soldaten, der ihr Gewalt anthun will, dadurch abzuhalten sucht, dass sie ihm eine unverwundbar

machende Salbe verspricht und, nachdem sie sich mit dem Saft des ersten besten Krautes den Hals eingerieben, ihn zuhauen heisst, damit er die Kraft ihres Mittels prüfe. Dies geschieht; allein der gegen den Hals geführte Schwertstreich des Soldaten schlägt der Jungfrau das Haupt ab und ihre Ehre ist gerettet. Domenichi bemerkt hierzu, dass Ariost (Orl. Fur. c. 29) die Geschichte Isabellens dér Brasilla's entliehen habe; dieser Stoff findet sich aber auch sonst noch wieder; so bei Herbelot s. v. Marvan (Deutsch 3, 325) und bei Tettau und Temme, Die Volkssagen Ostpreussens u. s. w. S. 84 No. 85.

VII. Eine seltsame Sitte.

In Rom herrschte ehedem die Sitte, dass man jede Ehebrecherin in das öffentliche Bordell brachte und ihr zur Schande dort mit Pauken und andern Instrumenten Musik machte. Kaiser Theodosius schaffte jedoch diese Sitte ab. Genaueres über dieselbe berichtet Socrates, Hist. Eccles. 5, 18, wonach die schuldigen Ehefrauen sich in einer kleinen Zelle jedem, der da kam, preiszugeben gezwungen waren und dabei mit Glöckchen geschellt werden musste, damit ihre Schande offenbar würde. Auch Sokrates nennt Theodosius als den, der diese seltsame Strafe aufhob *). Was es übrigens mit jener Strafe, namentlich dem Glockenschellen für eine Bewandtniss gehabt, scheint aus dem Umstand zu erhellen, dass in den römischen Lupanarien wirklich Glocken gebraucht wurden; eine solche nämlich fand sich zu Pompeji in einem Gebäude der genannten Art; s. Philologus 21, 702, wo es heisst: >> Im oberen Stockwerk war gleichfalls ein lupanarium, aber für feinere Leute; denn hier hat man nicht die gemauerten Bettstellen gefunden; dagegen ist hier am Boden liegend die Glocke angetroffen worden, von welcher es bei Paulus Diac. XIII, 2 heisst: 'includebant in angusto prostibula, et admittentes tintinnabula percutiebant ut eorum sono illarum injuria fieret manifesta.« Die hier angeführte Stelle ist unvollständig und daher unverständlich; gemeint ist (nicht etwa die Hist. Longob., an welche man zunächst denkt, sondern) die Historia Miscella

*) » Εἰ ἥλω ἐπὶ μοιχείᾳ γυνὴ, οὐ διορθώσει ἀλλὰ προσθήκῃ τῆς ἁμαρτίας ἐτιμωροῦντο τὴν πταίσασαν. Ἐν γὰρ πορνείῳ στενῷ κατάκλειστον ποιήσαντες, ἀναιδῶς ἐποίουν πορνεύεσθαι, κώδωνάς τε σείεσθαι κατὰ τὸν καιρὸν τῆς ἀκαθάρτου πράξεως ἐποίουν, ὅπως ἂν μὴ λανθάνῃ τοὺς παρόντας [1. παριόντας] τὸ γινόμενον· ἀλλ ̓ ἐκ τοῦ ἤχου τῶν σειομένων κωδώνων ἡ ἐφύβριστος τιμωρία τοῖς πᾶσιν ἐγνωρίζετο. Ταῦτα οὐκ ἤνεγκεν ὁ Βασιλεὺς πυθόμενος τὴν ἀναιδῆ συνήθειαν· ἀλλὰ κατέλυσε τὰ σεῖστρα (οὕτω γὰρ ἐνομάζετο τὰ τοιαῦτα πορνεῖα), τοῖς ἄλλοις ὑποπίπτειν νόμοις τὰς ἁλούσας ἐπὶ μοιχεία κελεύσας.«

« PrécédentContinuer »