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Diesem in die Cyclopenmauer der Porta Bellona eingemeisselten und gesteinigten Marzo, bei dem auch der Name des Thors nicht zu übersehen ist, entspräche der an die Mauer gestellte Caramantran (carêmeentrant carême-prenant Wintergott) im Depart. Finisterre (Usener S. 201) sowie das von Herod. 2, 121 Angeführte, welches um so wichtiger ist, als es in so uralte Zeit zurückreicht und mit klaren Worten den Winter nennt. Es heisst dort nämlich, dass der ägyptische König Rhampsinit geradeüber von den Propyläen des Hephästos-Tempels zwei 25 Ellen hohe Bildsäulen aufstellte, sowie dass die Aegypter die nach Norden zu stehende Sommer, die nach Süden zu stehende Winter nannten und jener Zeichen von Verehrung und Zuneigung, letzterer aber geradezu das Gegentheil erwiesen. Hier wird nun Hier wird nun zwar nicht ausdrücklich gesagt, dass die Bildsäule des Winters mit Steinen geworfen wurde, doch ist es sehr wahrscheinlich, dass das Volk dieselbe mit irgend welchen Gegenständen bewarf, vielleicht mit Koth oder kleinen Kieseln, wodurch die Statue nicht beschädigt wurde. Hierbei ist auch der von Schröer (Germ. 17, 459) besprochenen, neben dem Wiener Thor zu Heimburg (dem römischen Carnunthum) in der Mauer befindlichen zwei Steinbilder zu gedenken, welche das Volk jetzt als Attila oder Winter und (Krimhilde?) oder Sommer bezeichnet und von denen ehedem letztere alljährlich zu Pfingsten durch die Knaben gesteinigt wurde. Stellte die geharnischte Mannsfigur in der früheren römischen Mauer den Mars vor? Die weibliche Figur, ein Seitenstück des dem Marzo an der Porta Bellona zu Alatri als Pendant dienenden Aprile, wäre dann seine Gemahlin Nerio oder Bellona gewesen. Warum aber wurde Nerio gesteinigt, zumal man sie doch als Sommergöttin bezeichnete, wie sie es auch war? Lag hierbei nur eine spätere Verwechslung vor und galt die Steinigung ursprünglich dem Mars als Wintergott? Doch genug der Fragen, schon wegen der bekannten Sprichwörter (Simrock No. 7318-9 u. s. w.). Nur dás möchte ich noch hinzufügen, dass Steinopfer, Steinigung und Heidenwerfen in späterer Zeit oft in einander übergegangen sein mögen, sowie ferner dass in einer kleinen nicht näher bezeichneten Ortschaft der spanischen Provinz Alcarría (Guadalajara) einem Steinbilde des Judas alljährlich zur Fastenzeit von den jungen Burschen die Nase abgeschlagen, dann aber für

lingens und seiner Umgegend. Ein Beitrag zur deutschen Alterthumskunde.' Zweite Aufl. Stuttg. 1869. Tafel III zu S. 72. Etwas grösser dargestellt sind diese Figuren in J. W. Wolf's Beiträgen zur deutschen Mythol. Göttingen u. Leipz. 1852. Bd. I Tafel IV zu S. III; s. dazu noch S. 307-311.

das kommende Jahr aus Gyps erneut wird. Composiciones jocosas etc. P. 142 f.

Der Humor im Recht.

(Ztschr. f. Deutsche Philologie VI, 137.)

Bei Gelegenheit von Homeyer's funfzigjährigem Doctorjubiläum hat Prof. Gierke unter dem Titel 'Der Humor im deutschen Recht' (Berlin 1871) eine kleine in mehrfacher Beziehung höchst anziehende Schrift herausgegeben, die mir Anlass zu näherer Erörterung einiger einzelner Punkte gibt, woraus zugleich erhellt, dass mancher Rechtsbrauch, der einen humoristischen Anstrich besitzt, genauer betrachtet, denselben verliert und ihn zuweilen sogar in sein Gegentheil umschlagen lässt. Gleich der erste Brauch gewährt ein solches Beispiel, indem es (S. 14 f.) heisst:

I. >>Sodann entstehen mancherlei Besonderheiten von unverkennbar poetischem Gehalt durch die deutsche Neigung, dem Leblosen ein gewisses Leben, dem Gegenständlichen eine selbständige Wesenheit anzudichten. . . Hier wurzelt die uralte Satzung, dass, um die geheiligte Schwelle des Hauses nicht zu entweihen, der Leib des darin erschlagenen Missethäters oder des. Selbstmörders durch ein Loch unter der Schwelle herausgezogen werden soll.<< Hier handelt es sich jedoch keineswegs von der Heiligkeit der Schwelle; der ursprüngliche Grund dieses weitverbreiteten und auch ausserhalb Deutschlands sich findenden Brauches ist nämlich ein ganz anderer und beruht in der Vorstellung von der Wiederkehr Verstorbener, namentlich gewaltsam Getödteter*),

Diese Wiederkehr wird von den mit solchem Tode Bedrohten auch ihrerseits oft angedroht, so z. B. in einer neuisländischen Sage, wo es sich von dem Kampfe eines gewissen Jón mit einem Aechter (Geächteten, Banditen, Strassenräuber) auf freiem Felde handelt: »Da brüllte der Aechter entsetzlich und drohte nach seinem Tode wiederzukommen und Jón todtzuschlagen, wenn er ihn todtschlüge.« Jón schützte sich aber gegen den Wiedergänger durch das gewöhnliche gleichfalls humoristische Mittel: »Jón setzte den abgeschlagenen Kopf des Aechters an den Hintern desselben und sagte, er dächte, dass er nun nicht wiederkommen würde.< Árnason, Ísl. Þjóðs. etc. 2, 167. Dieses Verfahren, um sich gegen das Wiederkommen eines Todten zu schützen, geht in sehr alte Zeit zurück; denn bei Saxo 1. VIII p. 139 sq. (Francof. 1576) wird berichtet, dass Gunno sich mit seinem Freunde Jarmerich dadurch aus der Gefangenschaft bei dem Wendenkönig Ismar rettet, dass er die berauschten Wächter erschlägt, wobei es heisst: »Sub noctem vero vigiles epularum hilaritate ac vino provehit largiore, abscissaque dormientium capita, quo turpiore eos morte consumeret, inguini sociavit.« Der Zweck dieses

wenn diese gefürchtet wird und welche dadurch gehindert werden soll, dass man die Leichname aus der Wohnstätte durch eine solche frisch gemachte Oeffnung (wie z. B. die angeführte unter der Schwelle) fortschafft, die man leicht wieder zumachen kann, was bei der Thür nicht der Fall ist; s. hier Isländischer Aberglaube' No. 31. Noch will ich erwähnen, dass die von Gierke (S. 36 Anm. 121 u. S. 53) angeführte Durchziehung der Leiche eines getödteten Lauschers durch die Traufe und eines säumigen Schöffen unter der Schwelle sicherlich auf ein späteres noch viel vollständigeres Vergessen der ursprünglichen Bedeutung des in Rede stehenden Gebrauches hinweist.

forte liciscam!

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2. An einer andern Stelle (S. 17) bemerkt Gierke: »Der Ersatz für ein getödtetes Thier wird als ein Wergeld aufgefasst, und wie einst in vorgeschichtlicher Zeit beim Manne, so soll noch bis über das Mittelalter hinaus nach uralter Tradition beim Thiere das Wergeld durch Beschütten des todten Körpers mit rothem Weizen ermittelt werden.<< Auch diese Art Wergeld findet sich weithin, s. Grimm RA. 670 f.; füge hinzu Waltharius v. 403-7 (Grimm u. Schmeller S. 16): >> Dixerat 'o si quis mihi Waltharium fugientem Afferat evinctum, ceu nequam Hunc ego mox auro vestirem saepe recocto, Et tellure quidem stantem hinc inde onerarem, - Atque viam penitus clausissem vivo talentis.' «< Der von Grimm RA. 672 aus Fredegar angeführten Stelle entspricht eine andere in Meibom. Scr. rer. Germ. 2, 332 über Markgraf Otto mit dem Pfeil und Bischof Günther von Magdeburg; vgl. ferner einen spanischen Rechtsgebrauch, angeführt von Ferd. Wolf, Ein Beitrag zur Rechtssymbolik aus spanischen Quellen (Sitzungsberichte der Wiener Akad. 51, 109): »Quicumque gatum furatus fuerit, et dominus gati eum invenerit cum latrone, secundum forum dominus gati debet habere funem unius palmi, que collo gati ligata ab una parte, ab alia ligetur in quodam ligno acuto, quod debet figi ibi ubi ligatus fuerit in aliqua planicie, que LX pedes contineat circumquaque: et latro debet cooperire milio gatum sic ligatum «; ein russisches Märchen bei Ralston, Russian

Verfahrens erhellt aus der isländischen Sage, scheint aber Saxo selbst, der nur eine Verhöhnung der Todten darin sieht, nicht mehr deutlich gewesen zu sein, wenn er ihn nicht etwa absichtlich bei Seite lässt und einen andern unterschiebt. Auch in Schweden pflegte man ehedem, um das Wiederkommen des Todten zu verhindern, ihm den Kopf abzuhauen und ihm denselben zwischen die Beine oder unter den Arm zu legen, wenn man ihm nicht einen Eichenpfahl durch den Leib bohrte; Hyltén-Cavallius, Wärend etc. 1, 472. Gleiches geschah auch bei Vampyren, jedoch wird das Hinsetzen des Kopfes an den Hintern oder zwischen die Beine dabei nicht erwähnt; s. mehrfache Beispiele in Mannhardt's Aufsatz über Vampyrismus in d. Ztschr. d. Myth. 4, 259 ff.

Folk-Tales Lond. 1873 p. 45, wo es heisst: »I'll make the beastie stand on his hind legs while I hold him up by his forelegs, and you shall pile gold pieces around him — I shall be content with that«<; eine im 15. Jahrh. erlassene Verordnung des Nürnberger Raths, worin es heisst, dass wer einen Hund muthwilligerweise erschlägt, dem, des der Hund gewesen, nach folgender Art verbüssen soll:« nämlich, soll derjenige, der den Hund erschlagen, denselben mit dem Schwanz unter dem Himmel auf ebener Erde aufhängen so hoch dass der Hund mit dem Maul auf die Erde rühre, alsdann auf den hängenden Hund so lange Waitzen schütten, bis der ganze Hund mit dem Schwanz bedeckt und überschüttet sei,<«< s. Deutsche Roman-Zeitung 1876, Bd. I, S. 79; und endlich noch bestimmen die Leges Wallicae (gegeben im J. 914 von Howel Dda), dass wer ein Frauenzimmer verführt, »si factum denegaverit, jurabit super campanam ecclesiae malleo destitutam; quod si fassus fuerit, compensabit denariis totidem quot nates foeminae operientur. « Wie weit verbreitet übrigens die in Rede stehende Weise zu messen u. s. w. einst gewesen sein muss, erhellt daraus, dass sie sich sogar jetzt noch bei den Timani (östlich von Sierra Leone) findet, in Bezug auf welche berichtet wird: »Les dépendans de quelques chefs sont obligés de leur fournir annuellement autant de riz qu'il en faut pour couvrir le sommet de leur tête, eux étant débout, en pleine air, et le riz entassé comme on ferait d'une charge de pistolet pour cacher la balle dans la paume de la main. «< S. Laing's Reise nach Timani u. s. w. bei Albert Montémont, Bibliothèque univ. des voy. 28, 40. Vgl. auch noch Benfey's Or. et Occ. 2, 682.

3. »Zur Zeit der erwähnten Weisthümer überhaupt nur noch als Ueberlieferung fortlebend, ist jenes Recht (auf die erste Nacht) auch in der alten Zeit der strengsten Unfreiheit nicht etwa wörtlich gemeint gewesen« (S. 27). - Hierzu bemerke ich, dass das jus primae noctis im europäischen Mittelalter bekanntermassen nicht nur in Deutschland sondern auch sonst noch weithin beansprucht und auch geübt wurde, wie in Schottland, Nordengland, Russland, Frankreich und Italien; s. ausser den von Gierke angeführten Schriftstellern auch noch Weinhold, Die deutschen Frauen im Mittelalter S. 194 f.; die Erklärer zu Shakespeare Henri VI Act 4 Sc. 7; über das italienische cazzaggio s. Roquefort Gloss. Supplem. p. 106. Dass dieses Recht auch in Spanien. einst wirklich bestand und ausgeübt wurde, zeigt Ferd. Wolf, Ein Beitrag zur Rechtssymbolik u. s. w. S. 24 ff., wo es so heisst : >>7. (Symbolische Handlungen) zur Bezeichnung des jus primae noctis (in Galicien Peyto Bordelo, in Catalonien Ferma d'espoli forzada

[1. forçat] oder Derecho de prelibacion genannt; ausserdem galt dieses Recht nur noch in Aragon, aber hier im ausgedehntesten Masse, indem es sich hier nicht bloss auf die Brautnacht beschränkte, sondern dem Herrn jederzeit über die Weiber und Töchter seiner Hörigen zustand): Pragmatica de Cataluña, lib. IV. tit. XIII (aus der Sentencia arbitral Ferdinands des Katholischen, wodurch dieser sowie andere malos usos für immer abgestellt wurden). No pugan la primera nit, que lo pagés pren muller, dormir ab ella, ó en senyal de senyoria la nit de las bodas, apres que la muller será colgada en lo llit, pasar sobre aquel sobre la dita muller' [d. h. Sie sollen in der ersten Nacht, wo der Bauer ein Weib nimmt, nicht bei ihr schlafen, noch auch als Zeichen der Oberherrlichkeit in der Hochzeitsnacht, nachdem das Weib sich ins Bett gelegt hat, über dieses und das besagte Weib hinwegsteigen dürfen]. Vgl. Hist. de la legisl. Tomo VI, p. 67-68. 498. und 500; Helfferich, Westgothenrecht S. 408-414.« Endlich führe ich noch folgende Stelle an aus einer Besprechung der 'Histoire du droit dans les Pyrenées par M. G. B. Lagrèze. Paris, imprimé par l'ordre de l'Empereur à l'imprimerie imperiale 1867' in der Beilage zur Augsb. Allg. Zeit. vom 18. April 1868 S. 1661 f., wo es so heisst: >>Das andere noch seltsamere Institut ist das droit du seigneur [es heisst auch 'droit de prélibation, de marquette, de jambage, de braconnage, de cuissage, de défloration, de deflorement'] oder jus primae noctis. Seit geraumer Zeit wurde in Frankreich viel geschrieben über die Frage, ob dieses Recht als solches jemals existiert habe. Während Bouthors 1854 seine Existenz nachzuweisen gedachte, bestritt dieselbe Veuillot mit aller Entschiedenheit in einem 467 Seiten starken Werke. Die Frage kam mehr als ein Mal im Schosse des Instituts zur Sprache. Lagrèze selbst betheiligte sich an diesem Streite durch eine 1855 erschienene Monographie; seitdem hat er die Forschungen fortgesetzt und das Ergebniss in vorliegendem Werke niedergelegt. In Deutschland hat ein solches Recht niemals bestanden, wenn sich auch in einzelnen Gegenden Andeutungen finden, dass es per nefas in Anwendung gebracht worden [man vergleiche jedoch das oben in Betreff des Westgothenrechts Angeführte]; dagegen hat es sich in mehrern romanischen Ländern zu einem förmlichen Rechte fixiert [vielmehr, wie wir sehen werden, aus urältester Zeit erhalten]. So übte es der Adel von Piemont unter dem Namen cazzagio aus, und obwol es im übrigen Spanien unbekannt ist, konnte es erst Ferdinand der Katholische durch Gesetz vom 11. April 1468 in Catalonien mit einigen andern harten Abgaben aufheben und an ihre Stelle eine Geldleistung setzen. Hier war es

Liebrecht, Zur Volkskunde.

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