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glückliche sich auf einem ganz nackten Baume längere Zeit hindurch aufhalten? ausserdem konnte man ihn dann auch an der äussersten Spitze eines Astes aufhängen und ihn dadurch um so eher gegen die Angriffe der Mäuse zu sichern suchen; uns aber erinnert das Ganze um so mehr an die ursprüngliche Todesart des Henkens. Dass sich jedoch in einigen andern Versionen der Baum in einen Thurm verwandelt hat, ist ganz natürlich; denn letzterer ist ein wahrscheinlicherer Zufluchtsort für einen längeren Aufenthalt als ersterer und selbst als ein frei in die Luft gehängtes Bett (wie oben in no. 4 u. 6; s. Hertz a. a. O. S. 106. 257), wobei jedoch nicht übersehen werden darf, dass in der polnischen Sage (no. 9) der Thurm ein hölzerner ist, also noch eine lebendige Erinnerung an den Galgenbaum darbietet.

Fassen wir also das Gesagte noch einmal zusammen, so sehen wir, wie sich als ursprüngliche Grundlage der Sage, dass ein König oder sonstiger Landesherr (Popiel, Snio, Hatto u. s. w.) bei Gelegenheit einer Landesplage namentlich Hungersnoth (wie Hatto und Snio) von Mäusen oder anderm Ungeziefer auf einem Baume (wie in der walisischen Wendung) gefressen worden sei, ein uralter Brauch ergiebt, bei eintretendem öffentlichem Unglück (wie z. B. Hungersnoth durch Mäusefrass) die Götter durch Opferung der Landeshäupter vermittels Hängens derselben zu versöhnen, wobei es gleichgiltig bleibt, ob von den oben angeführten Versionen (zu denen sich vielleicht noch andere finden werden) nur einige wenige oder auch nur eine auf einem wirklichen Ereignisse beruhen und der Mehrzal nach bloss eine wandernde Sage enthalten oder auch vielleicht keine einzige sich auf einen wirklichen Vorfall stützt; es genügt nachgewiesen zu haben, dass der Mythus sich auf einen ehemals vorhandenen Brauch gründet und eine dunkle Erinnerung, wenn man will, eine poetische Umschreibung desselben enthält.

Nachtrag.

(Aus den Heidelb. Jahrb. 1862, S. 936 ff.)

Grohmann in seiner Abhandlung 'Apollo Smintheus und die Bedeutung der Mäuse in der Mythologie der Indogermanen. Prag 1862' hat gegen Ende derselben (S. 76 ff.) ganz ins besondere nachzuweisen gesucht, dass aus ihren Ergebnissen die Unrichtigkeit meiner Deutung der Sage vom Mäusethurm hinlänglich hervorgehe, und dann eine andere vorgeschlagen. Gern hätte ich dieselbe angenommen, da es dem Zweck und der Würde der wissenschaftlichen Forschung gemäss ist, die

Wahrheit anzuerkennen, wo sie sich auch bietet, und deshalb gestehe ich auch unumwunden, dass die Weise, wie Grohmann seine Deutung vorträgt, derselben beim ersten Anblick ein recht empfehlendes Ansehen verleiht; indess will ich hier einige Einwendungen, die sich dagegen machen lassen, mittheilen; gelingt es diese zu beseitigen, so soll es mich freuen, die von mir vergeblich gesuchte Lösung durch ihn gefunden zu sehen. Bis dies aber geschehen, muss ich natürlich an meiner Ansicht zur Zeit noch festhalten; denn noch hat Grohmann, wie mir scheint, nicht blos die Richtigkeit der seinen, sondern auch die Unrichtigkeit der meinen nicht hinlänglich begründet.

Zunächst nun zu Grohmanns versuchter Widerlegung meiner Deutung der in Rede stehenden Sage übergehend, thut es mir leid, dass er meine Schlussworte durchaus missverstanden zu haben scheint; denn er sagt in Betreff derselben (S. 80): »Das Künstliche einer solchen Erklärung wird jedermann auffallen. Es ist schon an und für sich unwahrscheinlich, dass bei so vielen sprachlich geschiedenen Völkern für die Opferung der Landeshäupter dieselbe Ausdrucksweise im Schwange gewesen sei und dass diese Ausdrucksweise überall dieselbe Sage entwickelt habe.<< Habe ich dies aber wol behauptet? In meinem Aufsatze heisst es (oben S. 5): »Dass alle diese verschiedenen Fassungen eine gemeinschaftliche Grundlage haben müssen, leuchtet ein; es bleibt uns also diese und zwar in ihrer ältesten Gestalt zu suchen «<; und ferner am Schluss desselben (S. 10): » Fassen wir also das Gesagte noch einmal zusammen ...« bis »> eine poetische Umschreibung desselben enthält.« Mir sollte nun nur scheinen, dass in diesen Worten das gerade Gegentheil von dem gesagt ist, was Grohmann darin sieht; wie er dies aber darin sehen konnte, ist mir durchaus unbegreiflich; um so unbegreiflicher, da er ja selbst S. 82 anführt, dass ich von einer >> ältesten Fassung der Sage « ausgehe. Ich halte es daher für überflüssig, auf diesen Theil seiner Widerlegung einzugehen; er fällt von selbst und demgemäss auch, was Grohmann weiter fortfahrend bemerkt: >> Auch ist es ja nicht immer ein Landesherr, der von den Mäusen getödtet wird; in den meisten Versionen der Sage wird eben blos ein Ritter, ein Kriegsmann, ein rebellischer Vasall von der Rache der Mäuse betroffen.« Denn ganz abgesehen davon, dass gerade das Gegentheil stattfindet und fast sämmtliche Sagen sich auf Landesherren beziehen, so bleibt es, wie oben bemerkt, ganz gleichgiltig, ob von den angeführten Versionen nur einige oder auch nur Eine auf einem wirklichen Ereignisse beruhen, und es genügt offenbar zur Begründung meiner Ansicht, dass nur in letztern von einem Landeshaupt die Rede

sei; die übrigen daraus hervorgegangenen Fassungen hätten natürlich, wie dies ja so oft geschieht, weil der der Sage zu Grunde liegende Brauch vergessen war, sehr leicht an die Stelle jenes eine andere Person setzen können, z. B. wenn die Kirche in dem Auffressen durch Mäuse eine sehr willkommene Strafe für Kirchenraub erblickte; doch fand diese Umwandlung, wie wir gesehen, in vorliegendem Falle nur in einzelnen Fassungen statt. Allein es ist unnütz, auch hierauf weiter einzugehen; es ist ja allbekannt, dass Sagen im Verlauf der mündlichen Ueberlieferung sich häufig ganz umgestalten und es oft geradezu unmöglich wäre, die ursprüngliche Gestalt wiederzuerkennen, wenn diese sich nicht anderswoher darböte; so dass es mir daher auch keineswegs » ganz und gar unstatthaft dünkt, den Umstand, dass der von Mäusen Verfolgte in der Höhe in einem Thurme oder auf einem Baume Schutz sucht, auf die Todesart des Hängens zu deuten.» Der Galgen hiess ja, wie wir gesehen, geradezu Baum, und wie leicht konnte in der Sage der Baum sich in einen Thurm verwandeln. Was aber den Brauch selbst betrifft, welcher meiner Ansicht nach der in Rede stehenden Sage zu Grunde liegt, nämlich die Opferung der Landeshäupter, die man als Ursache einer öffentlichen Calamität ansah, so füge ich zu den von mir oben beigebrachten Beispielen hier noch folgende hinzu. Zuvörderst eine lokrische Sage bei Heraclid. Pont. c. 29 : » Πολέμαρχος ἐπιορκήσας τὸν τῶν Κορινθίων ἀπέφυγε στόλον. Καὶ μυθολογοῦσιν, ὅτε καθεύδοι νύκτωρ, τὰς γαλᾶς δάκνειν αὐτὸν, καὶ Téλos diαпороuvτa éautòv áveλetv.« Dies gehört, wie mir scheint, offenbar in den Sagenkreis, den ich hier behandle; denn das Wiesel tritt in den Sagen häufig an die Stelle der Mäuse, z. B. wenn es, wie letztere, als Verkörperung der menschlichen Seele erscheint; s. zu Gervas. S. 114; Grohmann S. 21; vgl. 15; O. Keller, Unters. über die Gesch. d. griech. Fabel in den Jahrb. f. klass. Philol. 4. Supplementbd. S. 345. Wenn aber yaλ an jener Stelle 'Katze' bedeutet,

so vertreten auch diese zuweilen die Mäuse, s. Grohmann S. 18 und vgl. folgenden siamesischen Volksglauben: »Il y a dans ce pays une espèce d'hommes et de femmes qu'on appelle Chi lo man. Ces Chi lo man ressemblent parfaitement aux autres hommes, mais ils n'ont pas de pupille dans les yeux. Les gens du pays les épousent et engendrent des fils et des filles avec eux. Pendant la nuit, quand ils sommeillent, leurs âmes se changent en chats sauvages ou en chiens et se tiennent, à l'instar de ces animaux, auprès des latrines où elles avalent toutes sortes d'immondices. A l'approche du jour, l'âme revient au corps; si elle le trouve tout-à-fait endormi, elle tourne au

tour de lui et n'y peut plus rentrer «; s. Nouv. Journ. asiat. XI, 44 f. In der lokrischen Sage ist nun freilich ebensowenig wie in einer gleichfalls hierhergehörigen isländischen bei Maurer S. 95 von einem Baum, Thurm u. s. w. die Rede; jedoch mag sich dieser Zug verloren haben; dahingegen leidet Polemarchos seine Strafe wegen begangenen Eidbruchs; sie geht daher von den Göttern aus und die Thiere (um mit Grohmann S. 80 zu reden) » treten als Rächerinnen begangenen Frevels auf«. Die griechische Sage stimmt also auch in diesem Zuge mit allen übrigen überein. Die altnordische auf Snio bezügliche Fassung, die ich für die älteste gehalten, wird dies demnach nicht sein, obschon ich diese gleichwol immer noch als zu unserm Sagenkreis gehörig betrachten muss, was Grohmann S. 80 nicht annimmt, ohne einen Grund für seine Meinung anzuführen; denn die alte Sage kann sich meiner Ansicht nach sehr leicht mit einer andern der altnordischen Mythologie angehörigen vermischt haben. Dahingegen glaube ich nun den Ursprung jener jetzt um so mehr in eine Urzeit zurückversetzen zu müssen und zwar in die, wo die arische Völkerfamilie noch ungetrennt ihre älteste Heimath (d. i. Turfan u. s. w.) bewohnte. Diese Ansicht erhält aber eine sehr bedeutende Unterstützung dadurch, dass gerade dort gleichfalls eine Mäusesage sich nachweisen lässt. Chinesische Annalen berichten nämlich folgende, Khotan (in Turfan) betreffende Sage: »Une armée de Hioung-nou (Turcs) très-considérable vint faire une invasion dans le royaume de Khotan. Le roi de ce pays n'avait pas des forces suffisantes pour s'opposer à l'ennemi. Il fit donc préparer un sacrifice aux rats du désert et les supplia d'être ses auxiliaires. La même nuit il vit en songe un gros rat qui lui dit: 'Vous avez reclamé notre secours; disposez vos troupes pour livrer bataille demain matin et vous serez vainqueur'. Le lendemain le roi attaqua à l'improviste les Hioung-nou. Ceux-ci surpris voulurent monter à cheval et endosser leurs armures, mais il se trouva que les harnais de leur chevaux, les habits des soldats, les cordes des arcs, les courroies de leur cuirasses, tout ce qui était fait d'étoffe ou de fil avait été entièrement rongé et mis en pièces par les rats. Ainsi privés de tout moyen de défense, ils tombèrent sous les coups de leurs ennemis. Leur général fut tué et l'armée entière faite prisonnière.« Weiter wird nun erzält, wie der König von Khotan aus Dankbarkeit einen Tempel baut und Opfer darbringt, die seitdem noch fortdauern; s. Journ. asiat. Ire serie 3, 307. Klaproth bemerkt hierzu: »Pendant mon séjour à Irkoutsk en 1806 on reçut un rapport du commandant d'Okhotsk qui portait qu'une troupe innombrable de rats, ayant traversé la mer, était

venue manger non seulement tout ce qui se trouvait dans les magasins du gouvernement mais les magasins eux-mèmes.« In dieser Nachricht Klaproths bietet sich uns eine Mäusesage*) neuester Zeit, wenigstens sehen wir die Ratten gleichfalls ein Wasser durchschwimmen und sogar ganze Magazine auffressen. Man wird es daher auch nicht überraschend finden, wenn ältere Sagen sie einen Menschen verzehren lassen. Jene chinesisch-khotanische Sage nun muss bereits in frühester Zeit nach Aegypten gedrungen sein; denn wir begegnen ihr schon bei Herodot 2, 141, wovon die bei Grohmann S. 49 angeführte Stelle des Polemo nur eine abgeschwächte Fassung bietet. Wir finden hier eine neue Bestätigung des alten Zusammenhanges zwischen Aegypten und dem innern Asien, wobei besonders auch noch der Umstand hervorzuheben ist, dass in der chinesischen Fassung ebenso ein Traumorakel erscheint wie in der ägyptischen; doch tritt in ersterer kein Gott auf, sondern ein Rattenkönig, so dass wir ersehen, wie alt und weitverbreitet die auch jetzt noch vorhandene Vorstellung von einem solchen sein muss. Was aber die alten Arier betrifft, so ist es höchst wahrscheinlich, dass sie in ihren Ursitzen neben der Viehzucht auch bereits Ackerbau trieben (s. Grimm, Gesch. d. Spr. S. 21 f.), und wenn nun Mäuse und Ratten ihrem Vieh (vgl. Grohmann S. 13 f.) und ihren Feldern mancherlei theils wirklichen theils eingebildeten Schaden zufügten, so darf es nicht Wunder nehmen, dass sie die Landesplage in Folge eines, wie ich oben gezeigt, bei ihnen heimischen Glaubens an ihren Landeshäuptern rächten, indem sie nämlich letztere als die Ursache jener betrachteten und demgemäss für das zu leiden glaubten, was die Häuptlinge verschuldet, also bereits der Ansicht waren 'quidquid delirant reges etc.' Wie weit verbreitet sich aber letztere fand und auch noch jetzt findet, erhellt ausser den bereits angeführten auch noch aus folgenden Beispielen. >> In China drought is one of the most serious of disasters. By native custom the Emperor is deemed responsible if the drought be at all severe, and numerous are the self-condemnatory Imperial edicts on this subject published in the pages of the venerable Peking Gazette.<< Dennys, The Folk-Lore of China. Lond. 1876, p. 12 f. >> In Loango und am weissen Nil glaubt man das Wetter vom König abhängig, was jedoch am Nil die bedenkliche Seite hat, dass man ihn umbringt, wenn der Regen ausbleibt. Bei den Banjars (Feluper) wird der König, der zugleich höchster Priester, d. h. im Besitz der höchsten

vielmehr wol Thatsache; man erinnere sich an die Wanderratte oder Wassermaus, den Lemming.

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