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Wir geben unter Figur 4 als Probe ein Kapitäl von Fontainebleau, mit welchem man das Kapitäl in §. 45 vergleichen möge.

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Das Innere dieser prächtigen Gebäude erhielt eine künstlerische Ausstattung, in welche ebenfalls das Mittelalter Anfangs noch stark hineinspielt. Gewölbe und Holzdecken strahlten in Gold und Azur, und es ist erstaunlich, z. B. aus den Rechnungen von Gaillon zu sehen, welch umfassende Verwendung namentlich vom Golde gemacht wurde. 2 Ebenso wurden die Skulpturwerke, welche man nach italienischem Vorbild nunmehr in Marmor ausführte, reichlich vergoldet. 3 Nicht minder leuchteten in den kleinen Fensterscheiben die Arbeiten der Glasmaler in Bildern, Wappen, Devisen und Emblemen mannichfacher Art, und diess finden wir nicht bloss in dem noch halb gothischen Gaillon, sondern selbst noch in dem die neue Richtung entschieden vertretenden Fontainebleau. 5 Was sodann die Form der Decken betrifft, so zeigen dieselben in Treppenhäusern, Vestibuls, Corridoren und Kapellen noch lange die gothischen Rippengewölbe, oft mit prachtvoll sculpirten, gemalten und vergoldeten schwebenden Schlusssteinen, wie im Treppenhause des Schlosses Nantouillet, in der Kirche zu Tillières 7 und in manchen andren Beispielen. Die Wohnräume, Zimmer, Säle und Galerien erhalten dagegen Holzdecken mit prächtigem Kassettenwerk und eleganten Reliefs, wie man deren sehr schöne in den Schlössern von Chenonceau und Beauregard, vor Allem auch in Fontainebleau bewundert. Proben solcher Decken von ausgezeichneter Feinheit des Geschmacks und der Ausführung geben wir in §. 44. Auch an den Portalen, Kapellengittern, endlich an den Täfelungen der Wände kommt die vom Mittelalter her trefflich geschulte Holzschnitzerei zur Anwendung, aber der Styl dieser Werke zeigt durchweg statt des Naturalismus der spätgothischen Zeit die edle harmonische Kunstweise der Renaissance. Endlich dringt von Italien aus auch die eingelegte Arbeit (Intarsia) ein, von welcher sich ebenfalls Beispiele von unübertrefflicher Anmuth erhalten haben, wie im Schloss Ancyle-Franc, 10 oder es finden sich prachtvolle Goldverzierungen in den schönsten Mustern wie Schloss Anet deren besass. 11

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1A. Deville, comptes des dépenses de la construction du château de Gaillon, p. CXXX: «paindre et dorer le demourant du plancher de la gallerie haulte, c'est assavoir les courbes, les ogives et les rencos d'or et d'azur. 2 Ebendaselbst p. CXLVI. 3 Ebend. p. CXXXV. 4 Ebend. Cte. de Laborde, la renaissance des arts à la cour de châteaus etc. Vol. III.

p. CXXXVII.
France, p. 281. 377. Sauvageot, choix de palais,

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Rouyer et Darcel, l'art architectural, Vol. II. 8 Ebend. Vol. I. eine Anzahl vorzüglicher Muster. Pfnor, Monogr. du palais de Fontainebleau, Vol. II. 10 Rouyer et Darcel, Vol. I. 11 Ebend. Vol. II.

An den Wänden herrscht in der ersten Epoche bis gegen Mitte des XVI Jahrhunderts die Holzschnitzerei, daneben aber in ausgedehnter Anwendung die Dekoration mit aufgehängten Teppichen, wie sie das benachbarte Flandern, vorzüglich Arras in ausgezeichneten Arbeiten lieferte. Brantôme erzählt mit Begeisterung von den herrlichen Tapeten, welche die Schlösser Franz I schmückten. 1 In Gaillon waren nicht weniger als zwanzig Tapeziere und Sticker mit der Ausstattung des Schlosses beschäftigt. 2 Genua, Mailand, Florenz und Tours lieferten die Prachtstoffe, die grünen, blauen, carmoisinrothen Velours, die weissen Damaste, grünen Taffetas, die mit Wappen, Namenszügen und Emblemen in Farben, Gold und Silber gestickt wurden. Die Wände nicht bloss, auch die Möbel, Sessel, Betten, Baldachine, Vorhänge zeigten durchweg solche kostbare Stoffe. Besondere Prachtstücke waren die Kamine, die man ganz im Sinne der Renaissance aufbaute. mit Pilastern oder Säulen eingefasst, die Friese mit Arabesken, darüber ein Feld mit einem Gemälde, oder einem plastischen Werk, alles in Marmor ausgeführt. Fügt man endlich hinzu. dass die Fussböden in Sälen, Kapellen, Galerieen und selbst im herrschaftlichen Hofe mit emaillirten Platten bedeckt waren, für welche man wohl florentinische Meister kommen liess, dass die Schmiede kunstvolle. prächtig vergoldete Gitter und andre Arbeiten lieferten, dass die Firsten der Dächer und die Spitzen der zahlreichen Thürme von ebenfalls vergoldeten Bleiverzierungen strahlten, so haben wir ein Bild von der alle Theile durchdringenden künstlerischen Ausstattung dieser Bauten.

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Es ist wahr: diese fröhliche Zeit kennt noch kein strenges Gesetz der Composition, noch keine klassische Durchbildung der Form. Aber so wenig mustergiltig die Einzelheiten sind, so selbständigen Werth hat diese Architektur als treuer Spiegel der Sitten und Anschauungen ihrer Zeit, als Ausdruck der Lebensgewohnheiten der Fürsten und ihres Kreises, deren Charakter wir oben geschildert haben. Stylreinheit darf man hier nicht suchen, ebensowenig eine correkte Behandlung und Anwendung der Antike; aber eine originelle Anmuth, malerischen Reiz, den Ausdruck heiteren Lebensgenusses in naiver Verschmelzung und pikanter Verarbeitung heterogener Formen wird man diesen liebenswürdig zwanglosen Bauten in hohem Grade zugestehen.

Gegen Ende der Regierung Franz I, also gegen Mitte des Jahrhunderts, beginnt die Antike einen stärkeren Einfluss zu

1 Capit. Français, art. François I. 2 Deville, comptes p. CLVI sq. 3 Girolamo della Robbia für das Schloss Madrid, Vasari, V. di Luca della Robbia III, p. 72.

üben. Man strebt nach grösserer Regelmässigkeit der Anlage, wie sie sich z. B. im Schloss von Ancy-le-Franc (vgl. den Grundriss in §. 67) zu erkennen giebt. Die Reste mittelalterlicher Ueberlieferung schwinden, die zahlreichen vorspringenden Ausbauten, Eckthürme und Treppenthürme werden unterdrückt, die Treppen mehr ins Innere gezogen, aber immer noch einfach angelegt, nach Art derer in den florentinischen Palästen, mit einfachem. durch ein steigendes Tonnengewölbe bedecktem Lauf, mit ziemlich steilen Stufen. Jene Treppe im Louvre, auf welcher man zur Gemäldegalerie aufsteigt, ist ein bezeichnendes Beispiel. Besonders werden aber die Details in antikem Sinn durchgebildet, die klassischen Säulenordnungen strenger beobachtet, reiner nachgeahmt. übereinstimmender gehandhabt, die Wandflächen erhalten durch Säulen- und Pilasterordnungen sammt reichem Gebälk und Gesims und durch Nischenwerk eine regelmässige Gliederung. Auch dafür bietet der Louvre in seinen Hoffaçaden das schönste Beispiel. Aber trotz der antikisirenden Physiognomie werden die steilen Dächer und die hohen Pavillons mit ihren gewaltigen Kaminen beibehalten, nur die Dachfenster nicht mehr in gothisirender Weise behandelt, sondern mit einem strengeren Pilastersystem eingerahmt und etwa durch antiken Giebel geschlossen. Ueberall das Streben nach grösserer Einfachheit und Ruhe, aber mit der fröhlichen Ungebundenheit der früheren Epoche geht viel von dem naiven Reiz dieser Bauweise verloren, und bei den Nachfolgern Heinrichs II schon schleicht sich frostige Nüchternheit ein. Zu gleicher Zeit aber kommen hässliche, willkürliche, gradezu barocke Formen auf, schwulstige Glieder, gebrochene Gesimse. Säulenschäfte mit horizontalen Ringen und willkürlichen Ornamenten, endlich Verkröpfungen aller Art, so dass der Barockstyl hier fast früher auftaucht als in Italien. Namentlich gilt dies von der Ausstattung des Innern, bei welcher die Holztäfelungen und Teppiche der Wände, sowie die kunstreichen holzgeschnitzten Decken mehr und mehr von der aus Italien eingeführten Stuckarbeit, verbunden mit Malerei, freilich zumeist schon in übertriebenem Pomp und manierirten Formen zurückgedrängt werden. Im Ganzen aber, besonders am Aeusseren bleibt immer noch eine gewisse Tüchtigkeit, Kraft und Grösse, vertreten durch bedeutende Meister wie Lescot, Bullant, De l'Orme, und die französische Architektur bewahrt bis in die ersten Decennien des XVII Jahrhunderts ein unverkennbares Gepräge von Originalität.

II. Kapitel.

Der Uebergangstyl unter Karl VIII und Ludwig XII.

§. 9.

Nachblühen der kirchlichen Gothik.

Wie schon bemerkt, halten die Volkskreise, die Gemeinden und der Klerus bis in die Mitte des XVI Jahrhunderts der Renaissance Widerpart. Sie beharren bei den Traditionen des Mittelalters und lassen ihre Kirchen, Rath- und Wohnhäuser in gothischem Styl aufführen. Der Kirchenbau zunächst behält in Grundrissanlage und Construction das alte System bei, und nur in dem übermüthigen Dekorationstrieb des Flamboyantstyles verräth es sich, dass die erwachte Weltlust, der profane Sinn der realistisch gewordenen Zeit seinen starken Antheil auch am kirchlichen Leben fordert. Um einen Begriff von der Ueppigkeit zu geben, mit welcher dieser Nachsommer der Gothik in Frankreich auftritt, genügt es auf die Reihenfolge der in Kugler's Geschichte der Baukunst an betreffendem Ort aufgezählten Monumente hinzuweisen. Werke wie St. Maclou zu Rouen, und die Façade der dortigen Kathedrale (1485-1507), wie die Pariser Kirchen2 St. Germain l'Auxerrois, St. Séverin, St. Gervais. St. Médard, St. Merry, letztere erst seit 1520 erbaut, endlich der Thurm von St. Jacques de la Boucherie (1508-1522), ferner die seit 1506 ausgeführte überschwänglich reiche Façade der Kathedrale von Troyes und die übrigen in demselben Jahrhundert erbauten Kirchen dieser alterthümlichen Stadt, 3 vor allem aber das Prachtstück der Notre Dame zu Brou (1506-1536) geben nebst vielen andern Kirchenbauten dieser Epoche ein glänzendes Bild von der Nachblüthe der Gothik.

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In dieser spätmittelalterlichen Form erschöpfte sich zunächst jener phantastische dekorative Trieb, der diesem Jahrhundert überall, am meisten im Norden eigenthümlich war. Man hat die Werke dieses Flamboyantstyles bisher in der Regel schlecht“hin als »Verfallkunst«, als »gothischen Zopf« wegwerfend behandelt. Mit Unrecht fürwahr, wenn man die Fülle schöpferischer Kraft, das Ueberströmen genialer Erfindungen ins Auge fasst,

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1 Bd. III, S. 90-114.

2 M. F. de Guilhermy, descript. archéol. des monum. de Paris. 2. édit. 8. Paris 1856. p. 140. 154. 178. 184. 171. 224. 3 A. Aufauvre, Troyes et ses environs. 8. Troyes et Paris 1860. Dupasquier, Monogr. de Notre Dame de Brou. Fol. Paris.

die sich darin ankündigen. Gewiss dürfen diese Arbeiten nicht mit dem Maasstabe des streng constructiven frühgothischen Styles des XIII Jahrhunderts gemessen werden. In der Construction sind sie ungleich lockerer als jene, und vor allem hat ihre Ornamentik sich im kecken Uebermuth von der constructiven Grundlage losgesagt und führt, unbeirrt von jener, auf eigene Faust ihre bunten Verschlingungen wie ein loses Spiel darüber hin. Aber welch unversiegliche Lust am mannichfaltigsten Ausdruck dekorativen Lebens, welch unabsehbare Reihe von Variationen über dasselbe Thema, und mit welcher Virtuosität des Meissels vorgetragen, ja jedem Material abgetrotzt und abgeschmeichelt! Ohne Zweifel ist diese Virtuosität wie jede andere nicht das Höchste in der Kunst; aber es steckt in ihr ein gutes Stück Steinmetzenpoesie, und der phantastische Sinn des Jahrhunderts fand in ihr seinen glänzendsten Ausdruck. Vor Allem wird das Eine klar: dieser dekorationslustigen Schule kam es zunächst darauf an, in der Ornamentik Alles zu übertreffen. Es liess sich erwarten, dass, nur erst mit den Formen der Renaissance bekannt, sie keinen Augenblick Bedenken tragen werde, auch dieses Ausdrucksmittel dem schon vorhandenen Vorrath von Zierformen einzuverleiben. Wir werden sehen, dass es so kam.

§. 10.

Spätgothischer Profan bau.

Wichtiger aber für uns sind die Privathäuser dieser Epoche, weil in ihnen, bei völligem Festhalten an gothischen Formen, an gewissen mittelalterlichen Eigenheiten des Grundrisses, die Lebensfreude der Zeit in der stattlicheren Anlage und der reicheren Ausführung charakteristisch zur Erscheinung kommt. Eins der schönsten Beispiele ist das wohlerhaltene Haus des Jacques Coeur zu Bourges1 (1443-1453). Die Mitte haltend zwischen einem feudalen Schloss und einer Stadtwohnung, lehnt es sich an die Stadtmauer mit ihren Thürmen, die es in seinen Grundplan hineinzieht. Ein unregelmässiger Hof trennt die Wohnräume von der Strasse. Drei in den Hof vortretende Treppenthürme gewähren den einzelnen Theilen bequemen Zugang und unterstützen die reichliche Anlage von Degagements, auf die man schon im mittelalterlichen Burgenbau grosse Stücke hielt. Ueber dem breiten Thorweg mit seinem schmalen Seiteneingang für Fussgänger liegt die Kapelle, die ihren eigenen Treppenzugang

1 Aufnahmen bei Gailhabaud, Denkm. der Baukunst, Bd. III. Vgl. die treffenden Bemerkungen in Viollet-le-Duc's Dictionn. de l'archit. unter dem Artikel <maison». T. VI, p. 277 ff.

Kugler, Gesch. d. Baukunst. IV.; Frankreich.

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