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§. 70.

Das Schloss Vallery.

Noch etwas strenger, selbst nicht frei von Nüchternheit ist der architektonische Styl in dem fünf Meilen von Fontainebleau und fast eben so weit von Sens gelegenen Schlosse von Vallery.1 Es stand hier aus dem Mittelalter eine ansehnliche Burg, welche der Marschall von St. André um die Mitte des XVI Jahrhunderts zum Theil niederreissen und durch ein Gebäude im neueren Styl vergrössern liess. An die alten Theile, die sich um zwei äussere Höfe gruppiren und durch eine mit zahlreichen Thürmen bewehrte Mauer umschlossen wurden, fügte er einen grossen quadratischen Hof, auf zwei Seiten von dem Neubau umgeben, dessen beide Flügel durch einen hohen Pavillon verbunden wurden. Die Architektur dieser Theile ist ein neuer Beweis von dem Einfluss. welchen der gerade im Entstehen begriffene Bau des Louvre auf die gleichzeitige Architektur ausübte. Namentlich gilt diess von den äusseren Theilen, die in der Behandlung eine unverkennbare Aehnlichkeit mit der nach dem Fluss liegenden Lescot'schen Façade des Louvre verrathen. Nur dass die Mauermassen hier aus Ziegeln bestehen, während der hohe Sockel bis zur Fensterbank im Erdgeschoss, die derbe Rustikaeinfassung der Ecken und der Fenster, sowie die Gesimse in Haustein ausgeführt sind. Die Fenster im Erdgeschoss sind mit Bogengiebeln, die im oberen Stockwerk am Pavillon mit geraden Giebeln, im Uebrigen mit einem kräftigen Gesims auf Consolen abgeschlossen. Ebenso zeigen die Dachfenster mit ihren Bogengiebeln und den langgestreckten Voluten an den Seiten dieselbe streng antike Behandlung, und das Ganze würde nicht frei sein von einer gewissen Nüchternheit, wenn nicht die kräftige Profilirung der Formen. die bedeutenden Verhältnisse und die lebendige Bewegung der Massen ihm das Gepräge einer frischen Energie verliehen.

Drei Zugbrücken führten über den breiten Graben, die eine zum Nebenhof, die beiden andern in den herrschaftlichen Hof. Von diesen gehörte die am Ende des rechten Flügels angebrachte noch dem mittelalterlichen Bau an, wie schon aus den sie flankirenden runden Thürmen ersichtlich wird. Offenbar sollte der Bau hier weiter geführt werden und allmählich die ganze mittelalterliche Anlage verdrängen. Denn wie im Louvre, in Ancy-le-Franc und Ecouen war es auf ein Viereck mit hohen Pavillons auf den Ecken abgesehen. Der andere Eingang mit antikisirendem Portal liegt in der Mitte des linken Flügels, und man gelangte von ihm in eine grosse mit Wandnischen decorirte Halle, die

1 Aufn. bei du Cerceau, Vol. I.

sich mit fünf auf Pfeilern ruhenden Bögen gegen den Hof öffnete (vgl. Fig. 72). Jedes dieser Arkadensysteme ist an der inneren

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Fig. 72.

Aus dem Hofe des Schlosses Vallery. (Baldinger nach du Cerceau.)

Façade durch einen krönenden Giebel ausgesprochen. Die Architektur der Hofseiten befolgt dieselbe streng classische Auffassung

wie die Façaden, nur dass die Rustika hier unterdrückt ist und an passender Stelle, namentlich in den Nischen des oberen Stockwerkes und den eingerahmten Wandfeldern des untern, feines Ornament einen edlen Schmuck hinzufügt. Schon du Cerceau ist die Verwandtschaft mit dem Louvre nicht entgangen und er sagt: >> Ce pavillon a esté suivy en partie sur celuy du Louvre, non pas que ce soit la mesme ordonnance, ny aux enrichissements. ny aux commoditez: mais pour ce que il n'y a rien que beau et bon.<<

Ausserordentlich umfangreich waren die Parks, Gärten und Weinberge, welche in weitem Umkreis nach allen Seiten die schöne Besitzung umgaben. Besonders prächtig der grosse Ziergarten in der Nähe des Hauses, mit reichem Blumenparterre, in der Mitte in ganzer Länge ein Wasserbassin. Breite schön gepflasterte Terrassen umgaben ihn von allen Seiten, abgeschlossen durch eine Mauer mit Blendarkaden in Backstein. Dem Eingang gegenüber an der Mittagsseite war eine bedeckte Halle zwischen zwei hohen Pavillons angebracht, die sich mit neunundzwanzig Arkaden gegen den Garten öffnete, zur Sommerzeit ein schattiger Spaziergang. Die Architektur der Arkaden und der Pavillons ist in demselben einfach classischen Sinn durchgeführt, wie die des Schlosses.

§. 71.

Das Schloss Verneuil.

Eine der grossartigsten Schöpfungen der gesammten französischen Renaissance ist das Schloss Verneuil, dessen Bekanntschaft wir du Cerceau verdanken. Mit dem vollen Verständniss der antiken Formenwelt ausgeführt, zeigt es dieselben in einer Freiheit der Behandlung, die auf einen bedeutenden Architekten der Zeit schliessen lässt. Wenn Bullant beim Schloss zu Ecouen die antiken Elemente nur gleichsam als glänzende Zuthat, um seine Studien zu documentiren, verwendet hatte, wenn de l'Orme in Anet der Antike manche Eigenheiten der französischen Auffassung zum Opfer brachte, so hat der Meister von Verneuil jene hohe Freiheit der Behandlung erreicht, die sich zwar innerhalb des antiken Formenkreises bewegt, aber das nationale Gepräge zum vollkommenen Ausdruck bringt. Freilich müssen wir in einzelnen Theilen uns gewisse barocke Elemente gefallen lassen; aber wir dürfen nicht vergessen, dass auch in Italien durch Michelangelo damals schon mancherlei Willkür in die Architektur eingedrungen war.

In einem anmuthigen Thale der Picardie, zwei Meilen von

1 Les plus excellents bastimens. Vol. I.

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Senlis lag das alte Schloss Verneuil, ein stattlicher, grösstentheils aus dem Mittelalter stammender Bau, den um die Mitte des XVI Jahrhunderts Philipp de Boulainvillier besass. Dieser

Herr, den du Cerceau als »homme fort amateur de l'architecture bezeichnet, beschloss mit Beibehaltung der alten Theile einen neuen Prachtbau hinzuzufügen, für welchen er den neben dem alten Schloss befindlichen Hügel ausersah. Gleichwohl wurden die unerlässlichen Gräben, welche den neuen Bau von allen Seiten umgeben sollten, ausgestochen, wobei sich der Vortheil ergab, dass man treffliche, leicht zu bearbeitende Steine für den Bau in Fülle vorfand. Wir geben nach du Cerceau den ursprünglichen Plan des Baues, der das Programm des damaligen französischen Schlosses in grossartiger Weise verwirklicht (Fig. 73)

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Ueber die Zugbrücke gelangt man zu einer prachtvollen Eingangshalle, die als Rotunde mit nischenförmigen Ausbauten und hohem Kuppelgewölbe charakterisirt ist, wohl das früheste Beispiel dieser Art in Frankreich. Offene Arkaden auf gekuppelten Säulen verbinden dieselbe mit den Seitenflügeln des Schlosses. Man tritt nun in einen quadratischen Hofraum von bedeutender Ausdehnung, 108 Fuss im Geviert. Um ihn gruppiren sich die einzelnen Flügel,. auf den Ecken nicht wie gewöhnlich durch einen, sondern durch zwei Pavillons flankirt. Diese vorgeschobenen Massen, mit runden Dächern bedeckt (Fig. 74) eines der ersten

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