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Künstler zur Rückkehr in die Heimath zu bewegen; 1536 finden wir ihn in seiner Vaterstadt Lyon mit der Ausführung verschiedener Bauten beschäftigt, und um 1542 begann er das Portal an St. Nizier, als der Cardinal du Bellay ihn nach Paris zog und ihn mit dem Bau seines Schlosses zu St. Maur betraute.

Aber es blieb nicht bei diesen künstlerischen Unternehmungen. Im Jahr 1546 lernen wir de l'Orme als Ingenieur und Festungsbaumeister kennen, in welcher Eigenschaft er beauftragt wurde, alljährlich zweimal die ganze Küste der Bretagne mit ihren Festungen zu inspiciren. Er hat die Schiffsbauten in Havre de Grâce zu beaufsichtigen, die in den Häfen der Normandie vorhandenen Fahrzeuge zu untersuchen, das Lager von Boulogne mit Proviant zu versehen, die Festungen in Stand zu setzen und hat dabei Gelegenheit, die Stadt Brest vor einem drohenden Angriff der Engländer zu schützen. Er war also, ähnlich wie Lionardo da Vinci und andre grosse italienische Künstler, auch in der Kriegswissenschaft und Befestigungskunst seiner Zeit wohl erfahren. Nahm er diese Stellung schon unter Franz I ein, so wurde er im Beginn der Regierung Heinrichs I durch einen Erlass vom 3 April 1548 zum Oberaufseher der königlichen Bauten von Fontainebleau. St. Germain, Villers Coterets u. A. ernannt. Seit dieser Zeit bleibt er in der Gunst Heinrichs II und der Diana von Poitiers, für welche er bedeutende Bauten ausführte. Es fehlte auch nicht an Belohnungen und Gunstbeweisen. Schon 1548 ist er Rath und Almosenier des Königs, erhält mehrere Abteien, namentlich die von Jvry und wird neben Pierre Lescot zum Canonicus von Notre Dame ernannt. Wie früh sein Ruf sich verbreitet haben muss, sieht man aus einer ehrenvollen Erwähnung bei Rabelais, wo von den Belagerungsmaschinen der Alten die Rede ist und de l'Orme als Autorität angerufen wird. 2

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Das Wohlwollen Heinrichs II und mehr noch der Diana von Poitiers verwandelte sich gleich nach dem Tode des Königs in sein Gegentheil, als Katharina endlich zur vollen Herrschaft gelangte. Kabalen und Verleumdungen brachten es dahin, dass Franz II schon am dritten Tage nach dem Tode seines Vaters de l'Orme aus seiner Stellung entfernte und Primaticcio zum Oberaufseher der königlichen Bauten ernannte. Wie man dem trefflichen Künstler mitgespielt, erfahren wir aus einer Denkschrift von seiner Hand, deren Veröffentlichung wir Berty verdanken. 4 Sie ist ein kostbares Dokument, welches uns Einblicke in die Geschichte seines Lebens und Schaffens gestattet. Er vertheidigt

1 De Laborde. la renaiss. I, p. 410. De l'Orme heisst in diesem Erlass: «nostre amé et féal conseiller et aumosnier ordinaire, maistre Philbert de 3 De Lorme, nostre architecte ordinaire. >> 2 Pantagruel, IV, ch. 61. Laborde, a. a. O. p. 458. — Les grands architectes, p. 49 ff.

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sich gegen ungerechte Beschuldigungen, gegen die Verleumdung, dass er sich im königlichen Dienst bereichert habe, während in Wahrheit kaum seine Auslagen ihm ersetzt worden seien. Denn er habe für seine vielen Reisen im königlichen Dienst immer zehn bis zwölf Pferde halten und auf seine Rechnung eine grosse Anzahl von Werkleuten und untergebenen Beamten beköstigen müssen. Ausserdem habe er fünf Neffen studiren lassen, auch Gelehrte habe er sich gehalten und besoldet, um mit ihnen wissenschaftliche Arbeiten zu betreiben. Theure Modelle, die manchmal zwei- bis dreihundert Thaler gekostet, habe er für die Bauten des Königs anfertigen lassen, und für alles diess nicht, wie man ihm nachsage, zwanzig, sondern nur sechstausend Livres. Jahrgehalt und etwa noch seinen grauen Bart« bekommen. In gerechtem Selbstgefühl zählt er dagegen seine Leistungen auf: nicht bloss die wichtigen Dienste, die er bei Beaufsichtigung der Häfen und Befestigungen dem Lande erwiesen habe, sondern auch die zahlreichen königlichen Bauten, die von ihm geleitet worden seien. Er habe »die gute Baukunst in Frankreich eingeführt << und die barbarischen Formen beseitigt. Wichtige Erfindungen zum Vortheil des Königs und des Landes habe er in der Construction der Dächer gemacht, wodurch es möglich geworden, mit kürzeren Balken und viel geringeren Kosten die Gebäude einzudecken.

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Seine Rechtfertigung muss schliesslich durchgedrungen sein, denn 1564 erhält er von Katharina von Medici den Auftrag zum Bau eines neuen Palastes, der Tuilerien, die sein Hauptwerk sein würden, wenn sie nach seinen Plänen zur Vollendung gekommen wären. Er war daran beschäftigt bis zu seinem Tod, der am 8 Januar 1570 (1571), wie neuerdings 2 ermittelt worden, erfolgte. Aus seiner früheren Zeit (seit 1552) stammt das Schloss Anet, die glänzende Wohnung der Diana von Poitiers, in der Revolution grösstentheils zerstört. Noch früher fällt sein erster bedeutenderer Bau, das Schloss von St. Maur, welches ebenfalls nicht mehr vorhanden ist. Rechnen wir dazu das Portal der Kirche St. Nizier zu Lyon, die Kapelle im Park von Villers Coterets, bei welcher er zum erstenmal eine von ihm erfundene und als »französische Ordnung« bezeichnete Säulenstellung zur Anwendung brachte, ferner die Bauten an den Schlössern von St. Germain, La Muette, Monceaux, Madrid, St. Leger, wo er eine grosse Galerie, die Kapelle und die Pavillons erbaute, Limours, Vincennes, de Couci und Folembray, wozu endlich noch

Les grands architectes, p. 54: «Et oultre tout cecy, n'ay-je pas faict tant d'aultres services, quant ce ne seroyt que d'avoir porté en France la façon de bien bastir, osté les façons barbares et grandes commissures, monstré á tous comme l'on doibt observer les mesures de architecture.»>

2 Ebend. p. 44.

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seine Betheiligung am Grabmal Franz I zu St. Denis und ein Entwurf zum Refectorium der Abtei von Montmartre, sowie Privatbauten in Lyon und Paris kommen, so haben wir das Bild einer überaus umfangreichen Thätigkeit. Dazu gehören endlich noch seine Schriften, die eine gesonderte Betrachtung verdienen.

§. 63.

De l'Orme's Schriften.

De l'Orme's Neigung zur theoretischen Betrachtung, zur wissenschaftlichen Begründung seiner Kunst führte ihn auch zu schriftstellerischer Thätigkeit, und das erste literarische Werk, welches wir von ihm besitzen, bezieht sich auf seine Erfindung einer neuen Dachconstruction, die er zuerst im Schloss von Monceaux bei Bedeckung eines Saales zum Ballspiel für Katharina von Medici in Anwendung brachte. Die Königin und ihr Gemahl nahmen lebhaften Antheil an dieser Arbeit, und letzterer forderte den. Künstler auf, seine Erfindung in einem Buche der Welt mitzutheilen. Diess Werk erschien indess erst nach dem Tode Heinrichs II unter dem Titel: »NOVVELLES INVENTIONS POVR BIEN BASTIR et à petit fraiz, trouvées n'aguères par Philibert de l'Orme, Lyonnois. Paris MDLXI«.

Wichtiger als Zeugniss seiner gesammten künstlerischen Anschauung ist jedoch das zweite, grössere Werk, auf welches er in dem Text des ersteren bereits hindeutet. Es sollte in zwei Foliobänden eine vollständige Lehre der Architektur enthalten, nach dem Vorgang Vitruvs und L. B. Alberti's. Der erste Band, zu dessen Ausarbeitung de l'Orme die unfreiwillige Musse, während er bei Hof in Ungnade gefallen war, benutzte, erschien 1567 in Paris unter dem Titel: »LE PREMIER TOME DE L'ARCHITECTVRE DE PHILIBERT DE L'ORME conseiller et avmosnier ordinaire du Roy.« Es beginnt mit einer Widmung an die Königin Mutter und einer Epistel an die Leser, in welcher er darüber klagt, dass es so wenig tüchtige Architekten gebe, weil die meisten nur eine einseitig theoretische oder ausschliesslich praktische Bildung besässen. Indem er die Würde und Herrlichkeit der Architektur begeistert rühmt, leitet er die richtigen Maasse und Verhältnisse derselben direkt von Gott, dem erhabenen Weltenbaumeister, ab und bekennt bescheiden, dass die Werke, die er selbst geschaffen und mit denen er allgemeine Anerkennung gefunden habe, ihm so wenig genügten, dass er sie von Neuem besser und schöner aufzuführen wünsche. Interessant ist, was er dann in der Vorrede zum ersten Buche von den architektonischen Zuständen seiner Zeit berichtet, wie Mauer- oder Zimmermeister, oder gar »irgend ein Maler oder Notar« sich als Architekten

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aufwerfen und durch Geschwätz und Schmeicheleien die Bauherren zu bethören wissen. Wie sehr ihm, besonders die Anmassung der Maler, der zahlreichen »donneurs de protraicts et faiseurs de dessings, dont la pluspart n'en sçauroit bien trasser ou descrir aucun« zuwider ist, zeigt er nochmals im zehnten Kapitel des ersten Buches, und man wird ihm diese scharfen Worte gegen den Dilettantismus um so weniger verargen, man bedenkt, dass jahrelang der intriguante Primaticcio ihn zu verdrängen wusste. Die anmassende Oberflächlichkeit architektonischer Pfuscher musste einem Manne doppelt zuwider sein, der in gerechtem Selbstgefühl von sich sagt, dass er fünfunddreissig Jahre und darüber sich mit dem Studium der Architektur beschäftigt habe, und dessen Werk auf jeder Seite den Beweis seiner gründlichen wissenschaftlichen Bildung, seiner umfassenden künstlerischen Studien und seiner grossen praktischen Erfahrung liefert. Er dringt desshalb überall auf Verbindung der Theorie mit der Praxis, will von denen, die durch schön ausgeführte Zeichnungen den Bauherrn bestechen, nichts wissen. und empfiehlt dringend, bei wichtigen Bauten nicht bloss ein sondern mehrere Modelle zu machen, um sich über die Wirkung klar zu werden. 2 Dass er selbst ein trefflicher Zeichner ist, geht aus den in ganz grossem Maassstab ausgeführten Holzschnitten seines Buches hervor, die er nach seiner Angabe 3 eigenhändig gezeichnet hat. Nach den schönsten antiken Ueberresten in Rom selbst entworfen und genau vermessen, geben sie einen neuen Beleg für die gründlichen und mühevollen Studien, welche die grossen Meister der Renaissance ohne Ausnahme gemacht haben, und wodurch sie die Bequemlichkeit der heutigen Architektengeneration beschämen. De l'Orme's Darstellungen der antiken Säulenordnungen gehören zum Vorzüglichsten, was wir aus jener Zeit an solchen Arbeiten besitzen. Mit welcher Aufmerksamkeit er die Monumente erforscht hat, beweist unter anderm die von ihm gemachte Entdeckung eines nur angefangenen antik-ionischen Säulenkapitäls der Kirche Sta. Maria in Trastevere, wo er den Punkt zum Einsetzen des Zirkels und zur Beschreibung der Volutenkreise angegeben fand. 4

Sein Werk zerfällt in neun Bücher. In dem ersten spricht er von den Materialien, der Prüfung und Wahl des Bauplatzes und Orientirung der Gebäude. Das zweite handelt von der Fundamentirung und den Werkzeugen, deren der Architekt sich bedient; das dritte und vierte beschäftigt sich in gründlicher Weise mit dem Steinschnitt; die drei folgenden behandeln die vier Säulenordnungen, denen er aus eigener Erfindung noch eine fünfte hinzufügt;

'Livre d'architecture, fol. 6. 2 Ebend. fol. 21. 3 Ebend. fol. 5. 4 Ebend. fol. 162.

das achte giebt Anweisung über die Verhältnisse und Formen von Triumphbögen und Portalen, sowie der Fenster, das neunte endlich über Anlage und Ausschmückung der Kamine in den Zimmern und Sälen, sowie der Schornsteine auf den Dächern. Der wichtigste Theil besteht aus den beiden Büchern, welche vom Steinschnitt handeln. Das Mittelalter hatte in seinen Bauhütten diese Wissenschaft als eine geheime behandelt, und die neue Baukunst musste die Wissenschaft der Stereotomie auf neuer Basis aufbauen und begründen. Es ist das grosse Verdienst de l'Orme's, diese Aufgabe für die Architektur seines Landes und für seine Zeit in ebenso wissenschaftlicher als klarverständlicher Weise gelöst und damit der Baukunst eine allgemeine feste Grundlage gegeben zu haben. Die Stellung, welche er in dieser Arbeit gegenüber der alten nationalen Kunst einnimmt, verdient bemerkt. zu werden. Er sagt, er wolle jene Gewölbe »a la mode Française << nicht verachten, da manche gute und schwierige Construction in ihr ausgeführt sei; allein die, welche die wahre Architektur kännten, befolgten nicht mehr diese Bauweise. 1 Trotzdem bezeugt er in seinem Werke zur Genüge, dass er die gothische Construction gründlich versteht, denn er giebt vollständige geometrische Schemata für die Ausführung gothischer Rippengewölbe complizirtester Art, wobei er selbst die schwebenden Schlusssteine nicht vergisst. Er zieht aber die nach antiker Weise im Halbkreis geführten Wölbungen als stärker, besser und dauerhafter vor, und setzt ihre Vortheile auseinander, die er nicht bloss in statisch constructiver Leichtigkeit, sondern auch in der reicheren und geschmackvolleren Decoration, deren sie fähig seien, findet. 3 In demselben Sinne spricht er sich gegen die gedrückten und die. korbhenkelförmigen Bögen aus. 4 Dass aber noch genug vom Geist mittelalterlicher Meister in ihm ist, um Freude an den complizirtesten Constructionen zu finden, beweist er namentlich durch die Angabe verschiedenartiger Wendeltreppen und besonders der schwierigen zur Unterstützung vorspringender Bautheile der oberen Stockwerke dienenden Muschel- oder Zwickelgewölbe (Trompen). 5

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Was den künstlerischen Charakter de l'Orme's betrifft, so lässt derselbe den Adel und die Feinheit Lescot's vermissen. Seine Formenwelt, wie sie sowohl in den mitgetheilten Proben von Portalen und Kaminen, als in seinen ausgeführten Bauwerken hervortritt, ist nicht bloss eine derbere, sondern auch schon mehrfach zu barocken Formen, zu allerlei Verkröpfungen und Auflösungen der Glieder neigende. Geradezu wunderlich erscheint eine Säule in Form eines rohen Baumstammes mit krausem Laub

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1 Livre d'architecture, fol. 107. 2 Ebend. fol. 111. 3 Ebend. a. a. O. 4 Ebend. fol. 112. 5 Ebend. fol. 88.

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