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geschoben sind. Der in der Ecke angebrachte polygone Treppenthurm mit feinen Pilastern und reich gekrönten Fenstern, oben mit Candelabersäulchen auf den Ecken, scheint einer mittleren Periode anzugehören. Im Innern bewahrt das sogenannte Zimmer der Guillemette d'Assy einen der prachtvollsten Kamine der Frührenaissance. Eine Attika, mit ornamentirten Pilastern, dazwischen Muschelnischen mit vier Statuetten (die heilige Margarethe und eine andere Heilige, Maria und der Engel der Verkündigung), darüber ein schöner Akanthusfries, Alles mit eleganten Arabesken bedeckt, bildet den oberen Haupttheil. An solchen kleineren Werken befriedigt die überschwängliche Decorationslust der Zeit mehr als an den Façaden der Gebäude, von welchen man grösseren Ernst, ruhigere architektonische Haltung verlangen darf. Ein anderer Kamin, noch prachtvoller, weil zu den Pilastern, den Arabesken, den geschmückten Nischen mit Statuetten noch vier figürliche Reliefs kommen, ist in einem Hause der Rue de la Croix de fer erhalten. 1

Von dem unübertroffenen Prachtstück, welches die Schulevon Rouen in dieser Epoche hervorgebracht, dem Hôtel de Bourgtheroulde, war in §. 15 schon die Rede. Dieser Bau ist freilich der glänzendste Beweis, wie die im Ornament schwelgerische Phantasie der Frührenaissance alles architektonische Gesetz in ein allerdings das Auge durch seine Anmuth berückendes decoratives Spiel auflöst.

Noch ist in Andelys die sogenannte Grand Maison2 als ansehnlicher Bau der Frührenaissance zu erwähnen, indessen nur in den Zeichnungen der Voyages erhalten. Die Renaissance ringt hier noch stark mit der Gothik, wesshalb das Haus dem Anfang der Epoche, wenn nicht noch dem Ausgang der Zeit Ludwigs XII zugeschrieben werden muss. Am Aeusseren war ein polygoner Erker von besonders reicher und zierlicher Durchbildung. Im Innern gestaltete sich derselbe als Kapelle des grossen, prächtigen Saales, in den üppigsten Formen des Flamboyants durchgeführt, aber mit Renaissancemotiven gemischt.

§. 45.

Das Haus der Agnes Sorel zu Orleans.

Keine andere Stadt hat für die Renaissance in Frankreich eine bedeutendere Rolle gespielt als Orleans. Was Rouen in der ersten Epoche unter Ludwig XII für den Norden war, wurde diese damals mächtige Stadt für die mittleren Provinzen.

1 Abgeb. in den Voyages, Normandie, Vol. II, pl. 174. 175. 2 Ebend. pl. 190-192.

Im Herzen des Landes an dem grossen belebten Strome gelegen, für Handel und Verkehr wie in politischer Beziehung der Schlüssel des Südens, Hauptstadt der Provinz, in welcher damals der Hof seine Lieblingssitze hatte, zeigt die Stadt noch jetzt nach mancher Zerstörung eine Anzahl interessanter Beispiele der Profanarchitektur aus jenen glänzenden Tagen. Zu den frühesten derselben gehört das in der Rue du Tabourg gelegene sogenannte Haus der Agnes Sorel. 1 Die Franzosen, in ihrem charakteristischen Eifer, den schönsten Privatbauten jener Zeit den Namen irgend einer königlichen Maitresse beizulegen, haben im vorliegenden Fall, den augenscheinlichen Anachronismus übersehend, wenigstens die Façade nach der Strasse und die vordere Hälfte des Gebäudes der Zeit Karls VII vindiciren wollen, 2 ohne zu bemerken, dass die innere Hoffaçade kaum wenige Decennien später ausgeführt sein kann als die vordere.

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Fig. 43. Orleans. Haus der Agnes Sorel. (Mon. hist.)

Offenbar war das Haus (Fig. 43) von einem reichen Kaufmann der Stadt erbaut, denn nur einem solchen und nicht der Geliebten des Königs konnten die beiden grossen, den engen Hausflur einschliessenden Verkaufsläden dienen, deren jeder durch zwei weite rundbogige Oeffnungen ein volles Licht erhält. An den links liegenden stösst ein Gemach, welches sein Licht von einem kleinen Hofe A empfängt, hinter welchem das Treppenhaus mit seiner Wendelstiege liegt. Von dem rechts vom Hausflur befindlichen Kaufladen ist ein geräumiges Zimmer mit Kamin abgetrennt, welches nach dem innern Hofe B ein grosses Fenster und eine Thür besitzt und zugleich mit dem Flur und dem vordern Raume in Verbindung steht. Die ungleiche Tiefe beider Haushälften macht es höchst unwahrscheinlich, dass der nun

1 Archives des monum. hist. und Verdier et Cattois, archit. civ. et domest. T. I, letztere Aufnahme in mehreren Punkten von ersterer abweichend. Wir folgen den mon. hist 2 So Verdier und Cattois I, p. 165 s.

folgende Theil des Gebäudes, wie behauptet wird, viel später hinzugefügt sei. Wenn an der Façade gewisse mittelalterliche Formen stärker zur Geltung kommen, so darf man nicht vergessen, dass in jener Zeit oft wenige Jahre den völligen Umschwung zur Renaissance bewirkten. Ausserdem aber werden wir finden, dass auch die Hoffaçade nicht ganz frei von gothischen Reminiscenzen ist.

Der innere Theil des Hauses zeigt uns eine beträchtliche

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Verlängerung des Flures, der indess in der Mitte auf drei Säulen mit Rundbögen sich gegen den Hof B öffnet und dadurch nicht bloss für sich in seiner ganzen Länge, sondern auch für das Treppenhaus genügendes Licht gewinnt. Dem Hofe gegenüber führt eine Thür in einen Saal von bedeutender Ausdehnung, der auf drei Seiten mit Fenstern versehen ist. Ihm gegenüber, den Hof abschliessend, ist ein geräumiges Gemach mit Kamin angeordnet. Andere geringfügigere Theile schliessen sich der Tiefe nach um einen dritten Hof C.

An der Strassenfaçade fällt uns zunächst auf, dass die beiden oberen Geschosse mit ihren Fenstern ziemlich symmetrisch eingetheilt sind, während die grossen Bogenöffnungen des Erdgeschosses keine Rücksicht auf die obere. Anordnung nehmen, eine in gut mittelalterlichem Sinne benutzte Freiheit. Ausserdem zeigen die Profile der Bögen sammt ihren Pfeilern sowie die Fenstereinfassungen gothische Kehlen und Stabwerke. Auch die Pfosten der Fenster nehmen an dieser Bildung Theil, und

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selbst die Krönung der letzteren durch ein verkröpftes auf Kragsteinen mit Figürchen ruhendes Gesimse ist gothischer Abkunft. Aber die delikaten Ornamente der Fensterrahmen an Laubwerken und Blätterfriesen sind im ächten Geist der Renaissance ausgeführt, und die graziösen korinthischen Pilaster der Dachfenster mit ihren feinen Arabesken athmen dieselbe Richtung. Unmotivirt und unorganisch sind nur die Giebel der letztern, ein Uebelstand der indess ursprünglich wohl durch ornamentale Zusätze gemildert wurde. Noch ist der prachtvollen Steinbalken

Kugler, Gesch. d. Baukunst. IV.; Frankreich.

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zu gedenken, die im Erdgeschoss sowohl die grossen Bogenöffnungen in der Kämpferlinie theilen als auch das horizontale Portal abschliessen. 1 Sie waren sämmtlich mit allerliebsten Relieffriesen geschmückt. Ueber dem Thürbalken ist noch ein eleganter arabeskengezierter Fries mit krönendem Gesims durchgeführt, der das Portal von dem flachbogigen Fenster trennt, welches dem Flur sein Licht giebt. In den oberen Geschossen wiederholen sich zu demselben Zweck kleine viereckige Fenster, auch sie mit reich decorirter Laibung. Um das Bild dieser originellen und malerischen Façade zu vollenden, sei noch der Thürflügel gedacht, welche das Portal und die grossen Bogenöffnungen schlossen. Sie zeigen in rechtwinklig umschlossenen Rautenfeldern kräftig geschnitzte Rosetten.

Die Hoffaçade ruht auf Säulen, welche sammt ihren Bögen mittelalterliche Verhältnisse und Profile zeigen, obwohl die Kapitäle mit graziösen Renaissancemotiven, Arabesken, Sirenen und anderen Phantasiegebilden decorirt sind. Auch die Fenster und Thüren des Erdgeschosses haben gothische Profile, an ersteren aber verbinden sich damit elegante Blumen und verschlungene Bänder, die der Renaissance angehören. Die beiden oberen Stockwerke ein Dachgeschoss giebt es nicht sind wie an der Hauptfaçade unabhängig vom Erdgeschoss in drei Systeme von Kreuzfenstern eingetheilt. Auch ihre Fenster haben an den Pfosten und dem Rahmenwerk gothische Rundstäbe und Hohlkehlen, wenn auch ohne Laubschmuck; aber sie fügen dazu ein ausgebildetes Pilastersystem, das nach französischer Sitte lisenenartig in vertikalen Zusammenhang gebracht ist und hart über den Arkaden in Consolen von feinstem Geschmack endigt. Die Pilaster und ihre Fortsetzungen haben rautenartige Füllungen und erstere sind mit eleganten Frührenaissance-Kapitälen von grosser Mannigfaltigkeit bekrönt. Unter jedem Fenster aber sieht man, von Laubkränzen umgeben und von flatternden Bändern umspielt, ein Wappen. Diese Façade, die in ihrer strengeren Regelmässigkeit die frische Anmuth der Frühzeit noch bewahrt hat, muss um 1530 entstanden sein.

Von unübertroffenem Reiz endlich sind die holzgeschnitzten Decken des Erdgeschosses und des ersten Stocks. Erstere (Fig. 44) zeigen von kräftigen Rundstäben mit Rosetten eingefasste viereckige Felder, jedes mit einer andern Arabeske vom zartesten Relief und der glücklichsten Erfindung ausgefüllt. Im oberen Geschoss (Fig. 45) ist die Auffassung eine andere. Breite Flachbänder, von schildartigen Knöpfen gehalten und mit köstlichen Arabesken geschmückt, trennen Cassetten von flacherem

1 Die beiden uns vorliegenden Aufnahmen weichen in der Restauration dieser Theile merklich von einander ab.

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