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stellung in Jena Gutes für Sie selbst und für die Universität. Und nun (mir die Hand reichend) leben Sie recht wohl. Auf baldiges Wiedersehen.“

Ich mochte mich 12 bis 16 Schritte entfernt haben, als Goethe mir nachrief: Herr Professor Luden." Rasch kehrte ich um, und fragte nach seinen Befehlen.,,Ich habe Sie," sagte er, ,,gebeten, mich in Weimar zu besuchen; habe aber vergessen hinzuzusehen: kehren Sie ja nicht in einem Wirthshause ein, sondern fahren Sie bei mir vor. Es soll immer ein Couvert für Sie be= reit gehalten werden, und so oft Sie über Nacht in Weimar blei= ben können und wollen, sollen Sie auch ein Bette finden. Und so noch ein Mal: leben Sie recht wohl."

Hufeland, Knebel und Griesbach über meine

Gespräche mit Goethe.

Als ich Goethe verlassen hatte, blieb ich den ganzen Tag hindurch in einer wunderlichen Stimmung. Es war etwas Unheimliches und Unruhiges in mir, und ich sah nicht mit Heiterkeit, nicht mit Zufriedenheit auf den Morgen zurück. Ich ärgerte mich über mich selbst, daß ich mir erlaubt hatte, vor einem solchen Mann über sein eigenes Werk so offen und freimüthig zu sprechen, und zwar über ein Werk, das in der Welt als das Tiefsinnigste, das jemals geschrieben worden, anerkannt zu werden schien. Wie er selbst über das Werk denken oder vielmehr ursprünglich gedacht ha= ben, was er bei der Abfassung beabsichtigt, was er nach und nach hinein gelegt haben mochte, war freilich ungewiß, und vielleicht wußte er es selbst nicht mehr: jedes Falles wurde der Faust in der Welt mit der höchsten Bewunderung angestaunt und des Lobpreisens war kein Ende. Diese Feier konnte nicht ohne Wirkung auf Goethe geblieben sein. Er hätte sich, meinte ich, zuverlässig dadurch selbst überzeugt, daß er, wie er sich selbst ausdrückte, im Faust nicht eine wunderliche, sondern eine wunderbare Dichtung

geliefert habe, und daß in dieser Dichtung wirklich ein tieferer Sinn liege, als er selbst hinein zu legen beabsichtigt hatte. Nothwendig müßte es ihm angenehm sein, daß sich so viele, und auch gelehrte und geistreiche Männer mit dem Faust beschäftigten und sich jegliche Mühe gaben, das Gedicht nicht nur im Ganzen dem Erhabensten gleich zu deuten, das je der menschliche Geist gedichtet und gedacht hat, sondern auch an jedem Reim so lange herum zu klauben, bis er ihnen als eine hohe Offenbarung erscheint. Und deßwegen könnte es, wie mir schien, nicht anders sein: was ich gesagt hatte, müßte ihm wie ein greller Mißton in die Ohren geklungen und ihn gestört haben in der seligen Behaglichkeit, in welche er durch den Zauber überschwenglicher Schmeichelei hinein gerathen sei. Deßwegen war ich ärgerlich über mich selbst, sehr ärgerlich, weil ich solche verlegende Worte gegen einen Mann ausgesprochen hatte, für welchen meine Brust voll war von Verehrung und Bewunderung. Aber ich war auch ärgerlich über Goethe. Wenn ich den ganzen Gang des Gespräches überdachte, so konnte ich nicht umhin, auf Goethe den größten Theil der Schuld zu werfen, daß dasselbe eine solche Wendung genommen hatte. Er hatte mich ja zu meinen Äußerungen verlockt, ja fast gezwungen. Ohne sein Drängen würde ich mich nimmer so weit eingelassen haben. Und in dem zweiten Theile des Gespräches, über die Geschichte, hatte er es, wie mir in meinem Unmuthe vorkam, darauf angelegt, seinen Unmuth an mir auszulassen, mich zu verwirren, mir wehe zu thun.

Nun mußte ich mir allerdings selbst gestehen: Goethe's Be= nehmen gegen mich sei durchaus edel, fein und zart gewesen;

höchstens hätte sein Mienenspiel und der Ton seiner Stimme einige Gereiztheit verrathen. Aber in mein Grollen mit mir selbst mischte sich bald ein argwöhnischer Gedanke ein, und in dieser Durchkreuzung sah ich in Goethe's Benehmen nicht mehr bloßes Wohlwollen und Güte, sondern es kam mir vor, als sei es Herablassung gewesen; es kam mir vor, als hätte er es für anständig und seiner hohen Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft und in der Literatur für angemessen gehalten, einem jungen unbedeutenden Professor gegenüber sich gleich zu bleiben und seine Freundlichkeit vom vorigen Abend mit seiner Würde als Minister und als Fürsten der Dichter ins Gleichgewicht zu bringen oder im Gleichgewichte zu erhalten. Er würde sich ja Etwas vergeben haben, wenn er meine Urtheile anders als mit vollkommener Ruhe angehört und aufgenommen hätte. Und selbst seine Abschiedsworte schienen mir weniger Werth zu haben, als sie an und für sich in Anspruch nahmen. Sie waren ja nur auf meine Anrede erfolgt, und diese hatte ich mit etwas bewegter Stimme gesprochen, die wohl bewies, daß ich keineswegs ruhig und zufrieden war. Endlich konnte ich nicht umhin, Goethe's Einladung nur als eine höfliche Redensart zu betrachten, deren er sich oft und um so unbedenklicher bedienen möchte, da er gewiß sein könnte, Niemand würde einen unbescheidenen Gebrauch davon machen.

Zuverlässig war dieses Alles nichts als Grillenfängerei. Zu= verlässig hatte ich vollkommen Unrecht. Davon habe ich mich in der Folge völlig überzeugt, und ich würde mich früher davon überzeugt haben, wenn nicht bald nachher die Schlacht bei Jena, welche die Stadt überhaupt und mich im Besondern sehr hart traf, andere

Verhältnisse herbei geführt hätte. Jeßt aber fühlte ich mich, ich weiß es nicht anders auszudrücken, mit Goethe zerfallen; es stand Etwas zwischen ihm und mir, und ich hatte nicht das geringste Verlangen, ihm in Weimar meine Aufwartung zu machen.

Am Abend des Tages sah ich Hufeland nur einen Augenblick. Er forderte mich auf, ihn am anderen Morgen bis Dornburg zu begleiten.,,Ich fühle das Bedürfniß," sagte er,,,mich der köstlichen Aussicht vom Balcon des Herzoglichen Schlosses ein Mal wieder zu erfreuen, und ich möchte mir nicht gern das Vergnügen versagen, Sie mit derselben bekannt zu machen. Sie gehört auch zu den Schönheiten Jena's."

Am anderen Morgen um 6 Uhr saßen wir im Wagen und rollten bei dem schönsten Wetter dahin. Auf dieser Fahrt nun fragte Hufeland mich, wie ich denn gestern mit Goethe ausgekommen sei? Er habe die Ercellenz gestern Abend noch gesehen und von ihr erfahren, daß ich gar lange bei derselben gewesen sei. Goethe habe gesagt, er habe ein wahres Eramen mit mir angestellt, und dieses sei in eine Discussion, ja in eine Disputation übergegangen; wir hätten uns so in dem Gespräche verwickelt, daß das Neß zwei Male gewaltsam hätte durchbrochen werden. müssen. Auf meine Frage, ob denn Goethe nicht die Gegenstände unsers Gespräches genannt und kein Urtheil über meine Ansichten und Weisen hinzugefügt habe, erhielt ich eine verneinende Antwort. Es sei dazu auch keine Zeit und keine Gelegenheit gewesen. Goethe habe nur gesagt, ich sei nicht übel bestanden; er hoffe Gutes von meiner Anstellung für die Universität, und glaube, daß es mir gelingen werde, das Studium der Geschichte empor zu

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