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keineswegs nur nach der Verschiedenheit in Abstammung, Sitten und Culturstufe; überall, wo er sehr stark ausgesprochen ist, erscheint er als die Folge geographischer Verhältnisse und der damit gegebenen widerstreitenden Interessen. Man verabscheut sich etwas weniger, wenn man weit auseinander ist und bei wesentlich verschiedenen Sprachen gar nicht in Versuchung kommt, mit einander zu verkehren. Diese Abstufungen in der gegenseitigen Stimmung neben einanderlebender Völker fallen Jedem auf, der Neucalifornien, die innern Provinzen von Mexico und die Nordgrenzen Brasiliens bereist.

Als ich mich am spanischen Rio Negro befand, war, in Folge der auseinander gehenden Politik der beiden Höfe von Lissabon und Madrid, das systematische Mißtrauen, dem die Commandanten der benachbarten kleinen Forts auch in den ruhigsten Zeiten gerne Nahrung geben, noch stärker als gewöhnlich. Die Canoes kamen von Barcelos bis zu den spanischen Missionen herauf, aber der Verkehr war gering. Der Befehlshaber einer Truppenabtheilung von 16 bis 18 Mann plagte „die Garnison“ mit Sicherheitsmaßregeln, welche „der Erust der Lage" erforderlich machte, und im Fall eines Angriffs hoffte er „den Feind zu umzingeln.“ Sprachen wir davon, daß die portugiesische Regierung in Europa die vier kleinen Dörfer, welche die Franciscaner am obern Rio Negro angelegt, ohne Zweifel sehr wenig beachte, so fühlten sich die Leute durch die Gründe, mit denen wir sie beruhigen wollten, nur verlegt. Völkern, die durch alle Wechsel im Lauf von Jahrhunderten ihren Nationalhaß ungeschwächt erhalten haben, ist jede Gelegenheit erwünscht, die demselben neue Nahrung gibt. Dem Menschen ist bei Allem wohl, was sein Gemüth

aufregt, was ihm eine lebhafte Empfindung zum Bewußtseyn bringt, sey es nun ein Gefühl der Zuneigung, oder jener eifersüchtige Neid, wie er aus althergebrachten Vorurtheilen entspringt. Die ganze Persönlichkeit der Völker ist aus dem Mutterlande in die entlegensten Colonien übergegangen, und der gegenseitige Widerwille der Nationen hat nicht einmal da ein Ende, wo der Einfluß der gleichen Sprache wegfällt. Wir wissen aus Krusensterns anziehendem Reisebericht, daß der Haß zweier flüchtigen Matrosen, eines Franzosen und eines Engländers, zu einem langen Krieg zwischen den Bewohnern der Marquesasinseln Anlaß gab. Am Amazonenstrom und Rio Negro können die Indianer in den benachbarten portugiesischen und spanischen Dörfern einander nicht ausstehen. Diese armen Menschen sprechen nur amerikanische Sprachen, fie wissen gar nicht, was „am andern Ufer des Oceans, drüben über der großen Salzlache" vorgeht; aber die Kutten ihrer Missionäre sind von verschiedener Farbe, und dieß mißfällt ihnen im höchsten Grade.

Ich habe bei der Schilderung der Folgen des Nationalhasses verweilt, den kluge Beamte zu mildern suchten, ohne ihn ganz beschwichtigen zu können. Diese Eifersucht ist nicht ohne Einfluß auf den Umstand gewesen, daß unsere geographische Kunde von den Nebenflüffen des Amazonenstromes bis jezt so mangelhaft ist. Wenn der Verkehr unter den Eingeborenen gehemmt ist, und die eine Nation an der Mündung, die andere im obern Flußgebiet sißt, so fällt es den Kartenzeichnern sehr schwer, genaue Erkundigungen einzuziehen. Die periodischen Ueberschwemmungen, besonders aber die Tragepläge, über die man die Canoes von einem Nebenfluß zum andern schafft, dessen Quellen in der Nähe

liegen, verleiten zur Annahme von Gabelungen und Verzweigungen der Flüsse, die in Wahrheit nicht bestehen. Die Indianer in den portugiesischen Missionen zum Beispiel schleichen sich (wie ich an Ort und Stelle erfahren) einerseits auf dem Rio Guaicia und Rio Tomo in den spanischen Rio Negro, andererseits über die Tragepläße zwischen dem Cababuri, dem Pasimoni, dem Jdapa und dem Mavaca in den obern Orinoco, um hinter Esmeralda den aromatischen Samen des Pucherylorbeers zu sammeln. Die Eingeborenen, ich wiederhole es, sind vortreffliche Geographen; sie umgehen den Feind trop der Grenzen, wie sie auf den Karten gezogen sind, troß der Schanzen und Estacamentos, und wenn die Missionäre sie von so weither, und zwar in verschiedenen Jahreszeiten kommen sehen, so machen sie sich daran, Hypothesen über vermeintliche Flußverbindungen zu schmieden. Jeder Theil hat ein Interesse dabei, nicht zu sagen, was er ganz gut weiß, und der Hang zu allem Geheimnißvollen, der bei rohen Menschen so gemein und so lebendig ist, thut das Seinige dazu, um die Sache im Dunkeln zu lassen. Noch mehr, die verschiedenen Indianerstämme, welche dieses Wasserlabyrinth befahren, geben den Flüssen ganz verschiedene Namen, und diese Namen werden durch Endungen, welche „Wasser, großes Wasser, Strömung" bedeuten, unkenntlich gemacht und verlängert. Wie oft bin ich beim nothwendigen Geschäft, die Synonymie der Flüsse ins Reine zu bringen, in größter Verlegenheit gewesen, wenn ich die gescheitesten Indianer vor mir hatte und sie mittelst eines Dolmetschers über die Zahl der Nebenflüsse, die Quellen und die Tragepläße befragte! Da in derselben Mission drei, vier Sprachen gesprochen werden, so hält es sehr schwer, die Aussagen in Uebereinstimmung

zu bringen. Unsere Karten wimmeln von willkürlich abgekürzten oder entstellten Namen. Um herauszubringen, was darauf richtig ist, muß man sich von der geographischen Lage der Nebenflüsse, fast möchte ich sagen von einem gewissen etymologischen Takt leiten lassen. Der Rio Uaupe oder Uapes der portugiesischen Karten ist der Guapue der spanischen und der Ucayari der Eingeborenen. Der Anava der älteren Geographen ist Arrowsmiths Anauahu, und der Unanauhau oder Guanauhu der Indianer. Man ließ nicht gerne einen leeren Raum auf den Karten, damit sie recht genau aussehen möchten, und so erschuf man Flüsse und legte ihnen Namen bei, ohne zu wissen, daß dieselben nur Synonyme waren. Erst in der neuesten Zeit haben die Reisenden in Amerika, in Persien und Indien eingesehen, wie viel darauf ankommt, daß man in der Namengebung correkt ist. Liest man die Reise des berühmten Ralegh, so ist es eben nicht leicht, im See Mrecabo den See Maracaybo und im Marquis Paraco den Namen Pizarros, des Zerstörers des Reichs der Incas, zu erkennen.

Die großen Nebenflüsse des Amazonenstroms heißen, selbst bei den Missionären von europäischer Abstammung, in ihrem obern Lauf anders als im untern. Der Jça heißt weiter oben Putumayo; der Jupura führt seinen Quellen zu den Namen Caqueta. Wenn man in den Missionen der Andaquies sich nach dem wahren Ursprung des Rio Negro umsah, so konnte dieß um so weniger zu etwas führen, da man den indianischen Namen des Flusses nicht kannte. In Javita, Maroa und San Carlos hörte ich ihn Guainia nennen. Southey, der gelehrte Geschichtschreiber Brasiliens, den ich überall sehr genau fand, wo ich seine geographischen Angaben

mit dem, was ich selbst auf meinen Reisen gesammelt, vergleichen konnte, sagt ausdrücklich, der Rio Negro heiße auf seinem untern Laufe bei den Eingeborenen Guiari oder Curana, auf seinem obern Lauf Ueneya. Das ist soviel wie Gueneya statt Guainia; denn die Indianer in diesen Landstrichen sprechen ohne Unterschied Guanaracua und Uanaracua, Guarapo und Uarapo. Aus dem letteren haben Hondius 1 und alle alten Geographen durch ein komisches Mißverständniß ihren Europa fluvius gemacht.

Es ist hier der Ort, von den Quellen des Rio Negro zu sprechen, über welche die Geographen schon so lange im Streit liegen. Diese Frage erscheint nicht allein darum wichtig, weil es sich vom Ursprung eines mächtigen Stromes handelt, was ja immer von Interesse ist; sie hängt mit einer Menge anderer Fragen zusammen, mit den angeblichen Gabelungen des Caqueta, mit den Verbindungen zwischen dem Rio Negro und dem Orinoco, und mit dem örtlichen Mythus vom Dorado, früher Enim oder das Reich des Großen Paytiti geheißen. Studirt man die alten Karten dieser Länder und die Geschichte der geographischen Irrthümer genau, so sieht man, wie der Mythus vom Dorado mit den Quellen des Orinoco allmählich nach Westen rückt. Er entstand auf dem Oftabhang der Anden und seßte sich zuerst, wie ich später nachweisen werde, im Südwesten vom Rio Negro fest. Der tapfere Philipp de Urre ging, um die große Stadt Manoa zu entdecken, über den Guaviare. Noch jezt erzählen die Indianer in San Jose de Maravitanos, fahre man vierzehn Tage lang auf dem Guape oder Uaupe nach Nordost,

Auf seiner Karte zu Naleghs Reise.

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