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ging etwas Ostwind. Diese Zeichen deuteten auf einen bevorstehenden Witterungswechsel, und wir wollten uns nicht weit von der Mündung des Cassiquiare entfernen, da wir hoffen durften, in der folgenden Nacht den Durchgang eines Sterns durch den Meridian beobachten zu können. Wir sahen südwärts den Caño Daquiapo, nordwärts den Guachaparu und einige Seemeilen weiterhin die Stromschnellen von Cananivacari. Die Strömung betrug 6,3 Fuß in der Secunde, und so hatten wir im Raudal mit Wellen zu kämpfen, die ein ziemlich starkes Scholfen verursachten. Wir stiegen aus und Bonpland entdeckte wenige Schritte vom Ufer einen Almandron (Juvia), einen prachtvollen Stamm der Bertholletia excelsa. Die Indianer versicherten uns, in San Francisco Solano, Vasiva und Esmeralda wisse man nichts davon, daß dieser kostbare Baum am Cassiquiare wachse. Sie glaubten übrigens nicht, daß der Baum, der über 60 Fuß hoch war, aus Saamen aufgewachsen, die zufällig ein Reisender verstreut. Nach Versuchen, die man in San Carlos gemacht, weiß man, daß die Bertholletia wegen der holzigten Fruchthülle und des leicht ranzigt werdenden Dels der Mandel sehr selten zum Keimen zu bringen ist. Vielleicht war dieser Stamm ein Anzeichen, daß tiefer im Lande gegen Ost und Nordost eine Waldung von Bertholletia besteht. Wir wissen wenigstens bestimmt, daß dieser schöne Baum unter dem dritten Grad der Breite in den Cerros von Guanaya wild vorkommt. Die gesellig lebenden Gewächse haben felten scharf abgeschnittene Grenzen, und häufig stößt man, bevor man zu einem Palmar oder einem Pinal1 gelangt, auf einzelne Palmen oder Fichten. Dieselben gleichen Colonisten,

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Zwei spanische Worte, die, entsprechend einer lateinischen Form, Balmwälder (palmetum) und Fichtenwälder (pinetum) bedeuten.

die in ein mit andern Gewächsen bevölkertes Land sich hinausgewagt haben.

Vier Seemeilen von den Stromschnellen von Cananivaçari stehen mitten in der Ebene seltsam gestaltete Felsen. Zuerst kommt eine schmale, 80 Fuß hohe senkrechte Mauer, und dann, am südlichen Ende derselben, erscheinen zwei Thürmchen mit fast horizontalen Granitschichten. Diese Felsen von Guanari sind so symmetrisch gruppirt, daß sie wie die Trümmer eines alten Gebäudes erscheinen. Sind es Ueberbleibsel von Eilanden in einem Binnenmeer, das einst das völlig ebene Land zwischen der Sierra Parime und der Sierra dos Parecis bedeckte,1 oder wurden diese Felswände, diese Granitthürme von den elastischen Kräften, die noch immer im Innern unseres Planeten thätig sind, emporgehoben? Von selbst grübelt der Gedanke über die Entstehung der Berge, wenn man in Mexico Vulkane und Trachytgipfel auf einer langen Spalte stehen, in den Anden von Südamerika Urgebirgs- und vulkanische Bildungen in Einer Bergkette lang hingestreckt sah, wenn man der ungemein hohen Insel von drei Seemeilen Umfang gedenkt, die in jüngster Zeit bei Unalashka vom Boden des Weltmeeres aufgestiegen.

Eine Zierde der Ufer des Cassiquiare ist die Chirivapalme mit gefiederten, an der untern Fläche silberweißen Blättern. Sonst besteht der Wald nur aus Bäumen mit großen Lederartigen, glänzenden, nicht gezahnten Blättern. Diesen. eigenthümlichen Charakter erhält die Vegetation am Rio Negro,

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Ich nenne hier die zwei von Ost nach West streichenden Bergketten, welche zwischen dem 3°30′ nördlicher und dem 14° südlicher Breite die Thäler oder Beden des Cassiquiare, Rio Negro und Amazonenstroms begrenzen.

Tuamini und Cassiquiare dadurch, daß in der Nähe des Aequators die Familien der Guttiferen, der Sapotillen und der Lorbeeren vorherrschen. Da der heitere Himmel uns eine schöne Nacht verhieß, schlugen wir schon um fünf Uhr Abends unser Nachtlager bei der Piedra de Culimacari auf, einem frei stehenden Granitfelsen, gleich allen zwischen Atabapo und Cassiquiare, deren ich Erwähnung gethan. Da wir die Flußkrümmungen aufnahmen, zeigte es sich, daß dieser Fels ungefähr unter dem Parallel der Mission San Francisco Solano liegt. In diesen wüsten Ländern, wo der Mensch bis jezt nur flüchtige Spuren seines Daseyns hinterlassen hat, suchte ich meine Beobachtungen immer an einer Flußmündung oder am Fuße eines an seiner Gestalt leicht kenntlichen Felsen anzustellen. Nur solche von Natur unverrückbare Punkte können bei Entwerfung geographischer Karten als Grundlagen dienen. In der Nacht vom 10. zum 11. Mai konnte ich an ɑ des füdlichen Kreuzes die Breite gut beobachten; die Länge wurde, indessen nicht so genau, nach den zwei schönen Sternen an den Füßen des Centauren chronometrisch bestimmt. Durch diese Beobachtung wurde, und zwar für geographische Zwecke hinlänglich genau, die Lage der Mündung des Rio Pacimoni, der Schanze San Carlos und des Einflusses des Cassiquiare in den Rio Negro zumal ermittelt. Der Fels Culimacari liegt ganz genau unter 2°0′42′′ der Breite und wahrscheinlich unter 69° 33′ 50′′ der Länge. In zwei spanisch geschriebenen Abhandlungen, die ich dem Generalcapitän von Caracas und dem Minister Staatssekretär d'Urquijo überreicht, habe ich den Werth dieser astronomischen Bestimmungen für die Berichtigung der Grenzen der portugiesischen Colonien auseinandergeseßt. Zur Zeit von Solanos Expedition seßte man den Einfluß des

Cassiquiare in den Rio Negro einen halben Grad nördlich vom Aequator, und obgleich die Grenzcommission niemals zu einem Endresultat gelangte, galt in den Missionen immer der Aequator als vorläufig anerkannte Grenze. Aus meinen Beobachtungen ergibt sich nun aber, daß San Carlos am Rio Negro, oder, wie man sich hier vornehm ausdrückt, die Grenzfestung keineswegs unter 0° 20′, wie Pater Caulin behauptet, noch unter 0°53′, wie La Cruz und Surville (die officiellen Geographen der Real Expedicion de limites) annehmen, sondern unter 1° 53′ 42′′ der Breite liegt. Der Aequator läuft also nicht nördlich vom portugiesischen Fort San Jose de Marabitanos, wie bis jezt alle Karten mit Ausnahme der neuen Ausgabe der Arrowsmith'schen Karte angeben, sondern 25 Meilen weiter gegen Süd zwischen San Felipe und der Mündung des Rio Guape. Aus der handschriftlichen Karte Requenas, die ich besite, geht hervor, daß diese Thatsache den portugiesischen Astronomen schon im Jahr 1783 bekannt war, also 35 Jahre bevor man in Europa anfing dieselbe in die Karten aufzunehmen.

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Da man in der Capitania general von Caracas von jeher der Meinung war, der geschickte Ingenieur Don Gabriel Clavero habe die Schanze San Carlos del Rio Negro gerade. auf die Aequinoctiallinie gebaut, und da in der Nähe derselben die beobachteten Breiten, nach La Condamine, gegen Süd zu groß angenommen waren, so war ich darauf gefaßt, den Aequator einen Grad nördlich von San Carlos, demnach an den Ufern des Temi und Tuamini zu finden. Schon die Beobachtungen in der Mission San Balthasar (Durchgang dreier Sterne durch den Meridian) ließen mich vermuthen, daß diese Annahme unrichtig sey; aber erst durch die Breite

der Piedra Culimacari lernte ich die wirkliche Lage der Grenze kennen. Die Insel San Jose im Rio Negro, die bisher als Grenze zwischen den spanischen und portugiesischen Besißungen galt, liegt wenigstens unter 1° 38′ nördlicher Breite, und hätte Ituriagas und Solanos Commission ihre langen Verhandlungen zum Abschluß gebracht, wäre der Aequator vom Hofe zu Lissabon definitiv als Grenze beider Staaten anerkannt worden, so gehörten jezt sechs portugiesische Dörfer und das Fort San Jose selbst, die nördlich vom Rio Guape liegen, der spanischen Krone. Was man damals mit ein paar genauen astronomischen Beobachtungen erworben hätte, ist von größerem Belang, als was man jezt besißt; es ist aber zu hoffen, daß zwei Völker, welche auf einer ungeheuern Landstrecke Südamerikas oftwärts von den Anden die ersten Keime der Cultur gelegt haben, den Grenzstreit um einen 33 Meilen breiten Landstrich und um den Besit eines Flusses, auf dem die Schifffahrt frei seyn muß, wie auf dem Orinoco und dem Amazonenstrom, nicht wieder aufnehmen werden.

Am 12. Mai. Befriedigt vom Erfolg unserer Beobachtungen, brachen wir um halb zwei Uhr in der Nacht von der Piedra Culimacari auf. Die Plage der Moskitos, der wir jest wieder unterlagen, wurde ärger, je weiter wir vom Rio Negro wegkamen. Im Thale des Cassiquiare gibt es keine Zancudos (Culex), aber die Insekten aus der Gattung Simulium und alle andern aus der Familie der Tipulae sind um so häufiger und giftiger.1 Da wir, ehe wir in die Mission Esmeralda kamen, in diesem nassen, ungesunden Klima noch acht Nächte unter freiem Himmel zuzubringen hatten, so war

1 S. Bd. III. Seite 198.

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