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Seit 1767 kamen regelmäßig jedes Jahr zwei bis drei Piroguen von der Schanze San Carlos über die Gabeltheilung des Orinoco nach Angostura, um Salz und den Sold für die Truppen zu holen. Diese Fahrten von einem Flußbecken in das andere durch den natürlichen Canal des Cassiquiare machen jezt bei den Colonisten so wenig Aufsehen mehr, als wenn Schiffe die Loire herab auf dem Canal von Orleans in die Seine kommen.

Seit Pater Romans Fahrt im Jahr 1744 war man in den spanischen Besißungen in Amerika von der Richtung des obern Orinoco von Ost nach West und von der Art seiner Verbindung mit dem Rio Negro genau unterrichtet, aber in Europa wurde lettere erst weit später bekannt. Noch im Jahr 1750 nahmen La Condamine und d'Anville an, der Orinoco sey ein Arm des Caqueta, der von Südost herkomme, und der Rio Negro entspringe unmittelbar daraus. Erst in einer zweiten Ausgabe seines Südamerika läßt d'Anville, ohne gleichwohl eine Verzweigung des Caqueta vermittelst des Iniricha (Inirida) mit dem Orinoco und dem Rio Negro aufzugeben, den Orinoco im Osten in der Nähe der Quellen des Rio Branco entspringen und gibt er den Rio Caffiquiare an, der vom obern Orinoco zum Rio Negro läuft. Wahrscheinlich hatte sich der unermüdliche Forscher durch seinen starken Verkehr mit den Missionären, die damals, wie noch jezt, für das eigentliche Herz der Festländer die einzigen geographischen Autoritäten waren, Nachweisungen über die Art der Gabeltheilung verschafft. Hinsichtlich des Zusammenflusses des Cassiquiare mit dem Rio Negro irrte er sich um 32 Breitegrade, aber die Lage des Atabapo und der bewaldeten Landenge, über die ich von Javita an den Rio Negro gekommen, gibt

er schon ziemlich richtig an. Durch die in den Jahren 1775 und 1778 veröffentlichten Karten von la Cruz Olmedilla 1 und Surville sind, neben Pater Caulins Werke, die Arbeiten der Grenzerpedition am besten bekannt geworden; denn die zahlreichen Widersprüche darauf beziehen sich auf die Quellen des Orinoco und des Rio Branco, nicht auf den Lauf des Cassiquiare und des Rio Negro, die so richtig angegeben sind, als man es beim gänzlichen Mangel an astronomischen Beobachtungen verlangen kann.

So stand es mit den hydrographischen Entdeckungen im Innern von Guyana, als kurze Zeit vor meinem Abgang von Europa ein Gelehrter, dessen Arbeiten die Geographie so bedeutend gefördert haben, Acuñas Bericht, die Karte des Paters Samuel Friß und la Cruz Olmedillas „Südamerika“ noch einmal näher prüfen zu müssen glaubte. Die politischen Verhältnisse in Frankreich machten vielleicht, daß sich Buache nicht verschaffen oder nicht benüßen konnte, was Caulin und Gili geschrieben, die zwei Missionäre, die am Orinoco lebten, als die Grenzerpedition zwischen der spanischen Schanze am Rio Negro und der Stadt Angostura, über den Cassiquiare und den obern Orinoco, den Verkehr eröffnete, der über ein halbes Jahrhundert regelmäßig im Gange war. Auf der im Jahr 1798 erschienenen Carte générale de la Guyane ist der Cassiquiare und das Stück des obern Orinoco ostwärts von

1 Die Karte von la Cruz liegt allen neuen Karten von Amerika zu Grunde. (Mapa geografica de America meridional por D. Juan de la Cruz Cano y Olmedilla. 1775.) Die Originalausgabe, die ich besize, ist desto seltener, als, wie man allgemein glaubt, die Kupferplatten auf Befehl eines Colonialministers zerbrochen worden sind, weil derselbe besorgte, die Karte möchte allzu genau seyn. Ich kann versichern, daß sie diesen Vorwurf nur hinsichtlich weniger Punkte verdient.

Humboldt, Reise. IV.

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Esmeralda als ein Nebenfluß des Rio Negro, der mit dem Orinoco gar nicht zusammenhängt, dargestellt. Eine Bergkette streicht über die Ebene, welche die Landenge zwischen dem Tuamini und dem Pimichin bildet. Diese Kette läßt die Karte gegen Nordost fortlaufen und zwischen den Gewässern des Orinoco und denen des Rio Negro und Cassiquiare, zwanzig Meilen westlich von Esmeralda, eine Wasserscheide bilden. In einer Anmerkung auf der Karte heißt es: „die schon lange her angenommene Verbindung zwischen dem Orinoco und dem Amazonenstrom sey eine geographische Ungeheuerlichkeit, die Olmedillas Karte ohne allen Grund in der Welt verbreitet, und um die Vorstellungen über diesen Punkt zu berichtigen, habe man die Richtung der großen Bergkette, welche die Wasserscheide bilde, zu ermitteln."

Ich war so glücklich, diese Bergkette an Ort und Stelle zu ermitteln. Ich übernachtete am 24. Mai mit meiner Pirogue am Stücke des Drinoco, wo nach Buaches Annahme eine Cordillere über das Flußbett laufen sollte. Befände sich an diesem Punkt eine Wasserscheide, so hätte ich die ersten zwanzig Meilen westwärts von Esmeralda einen Fluß hinauf, statt, wie ich gethan, mit rascher Strömung hinabfahren müssen. Derselbe Fluß, der oftwärts von dieser Mission entspringt und einen Arm (den Caffiquiare) an den Rio Negro abgibt, läuft ohne Unterbrechung Santa Barbara und San Fernando de Atabapo zu. Es ist dieß das Stück des Orinoco, das von Südost nach Nordwest gerichtet ist und bei den Indianern Rio Paragua heißt. Nachdem er seine Gewässer mit denen des Guaviare und des Atabapo vermischt, wendet sich derselbe Fluß gegen Norden und geht durch die großen Katarakten. Alle diese Punkte sind auf der großen Karte von la Cruz im Ganzen

gut angegeben; ohne Zweifel hat aber Buache vorausgeseßt, bei den verschiedenen Fahrten, die zwischen Amazonenstrom und Orinoco ausgeführt worden seyn sollten, seyen die Canoes von einem Nebenfluß zum andern über irgend einen Trageplag (arastradero) geschleppt worden. Dem geachteten Geographen lag die Annahme, die Flüsse laufen in Wirklichkeit nicht so, wie die neueren spanischen Karten angeben, desto näher, als auf denselben Karten um den See Parime herum (das angebliche, 600 Quadratmeilen große weiße Meer) die feltsamsten, unwahrscheinlichsten Flußverzweigungen vorkommen. Man könnte auf den Orinoco anwenden, was Pater Acuña vom Amazonenstrom sagt, dessen Wunder er beschreibt: Nacieron hermanadas en las cosas grandes la novedad y el descredito." 1

Hätten die Völker in den Niederungen von Südamerika Theil gehabt an der Cultur, welche in der kalten Alpregion verbreitet war, so hätte dieses ungeheure Mesopotamien zwischen Orinoco und Amazonenstrom die Entwicklung ihres Gewerbfleißes gefördert, ihren Handel belebt, den gesellschaftlichen Fortschritt beschleunigt. In der alten Welt sehen wir überall einen solchen Einfluß der Dertlichkeit auf die keimende Cultur der Völker. Die Insel Meroe zwischen dem Astaboras und dem Nil, das Pendjab des Indus, das Duab des Ganges, das Mesopotamien des Euphrat sind glänzende Belege dafür in den Annalen des Menschengeschlechts. Aber die schwachen Völkerstämme, die auf den Grasfluren und in den Wäldern von Südamerika herumziehen, haben aus den Vorzügen ihres Bodens und den Verzweigungen ihrer Flüsse gar wenig Nußen

In großen Dingen (bei außerordentlichen Naturerscheinungen) gehen Neuheit und Unglauben Hand in Hand.

gezogen. Die Einfälle der Caraiben, die weither den Orinoco, den Cassiquiare und Rio Negro heraufkamen, um Sklaven zu rauben, rüttelten ein paar versunkene Völkerschaften aus ihrer Trägheit auf und zwangen sie Vereine zur gemeinsamen Vertheidigung zu bilden; aber das wenige Gute, das diese Kriege mit den Caraiben (den Beduinen der Ströme Guyanas) mit sich gebracht, war ein schlechter Ersaß für die Uebel, die sie zur Folge hatten, Verwilderung der Sitten und Verminderung der Bevölkerung. Unzweifelhaft hat die Terrainbildung Griechenlands, die mannigfaltige Gestaltung des Landes, seine Zertheilung durch kleine Bergketten und Busen des Mittelmeers, in den Anfängen der Cultur die geistige Entwicklung der Hellenen bedeutend gefördert. Aber dieser Einfluß des Klimas und der Bodenbildung äußert sich nur da in seiner ganzen Stärke, wo Menschenstämme mit glücklicher Begabung nach Geist und Gemüth einen Anstoß von außen erhalten. Gewinnt man einen Ueberblick über die Geschichte unseres Geschlechts, so sieht man diese Mittelpunkte antiker Cultur da und dort gleich Lichtpunkten über den Erdball verstreut, und gewahrt mit Ueberraschung, wie ungleich die Gesittung unter Völkern ist, die fast unter demselben Himmelsstriche wohnen und über deren Wohnsize scheinbar die Natur dieselben Seg= nungen verbreitet hat.

Seit ich den Orinoco und den Amazonenstrom verlassen habe, bereitet sich für die gesellschaftlichen Verhältnisse der Völker des Occidents eine neue Aera vor. Auf den Jammer der bürgerlichen Zwiste werden die Segnungen des Friedens und eine freiere Entwicklung aller Gewerbthätigkeit folgen. Da wird denn die europäische Handelswelt jene Gabeltheilung des Orinoco, jene Landenge am Puamini, durch die so leicht

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