Imágenes de página
PDF
ePub

Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Allgemeine Bemerkungen über das Verhältniß des neuen zum alten ContiUeberfahrt von den Küsten von Venezuela nach der Havana.

nent.

-

Ms ich nach meiner Rückkehr nach Deutschland den „Essai politique sur la nouvelle Espagne" herausgab, veröffentlichte ich zugleich einen Theil des von mir über den Bodenreichthum von Südamerika gesammelten Materials. Diese vergleichende Schilderung der Bevölkerung, des Ackerbaus und des Handels aller spanischen Colonien wurde zu einer Zeit entworfen, wo große Mängel in der gesellschaftlichen Verfassung, das Prohibitivsystem und andere gleich verderbliche Mißgriffe in der Regierungskunst die Entwicklung der Cultur niederhielten. Seit ich auseinandergefeßt, welch unermeßliche Hülfsmittel den Völkern des gedoppelten Amerika durch ihre Lage an sich und durch ihren Handelsverkehr mit Europa und Asien in Aussicht ständen, sobald sie der Segnungen einer vernünftigen Freiheit genößen, hat eine der großen Umwälzungen, welche von Zeit zu Zeit das Menschengeschlecht aufrütteln, die gesellschaftlichen Zustände in den von mir durchreisten gewaltigen Ländern umgewandelt. Gegenwärtig theilen sich, kann man wohl sagen, drei Völker europäischer Abkunft in das Festland der neuen Welt: das eine, das mächtigste, ist germanischen Stammes, die beiden andern

gehören nach Sprache, Literatur und Sitten dem lateinischen Europa an. Die Theile der alten Welt, die am weitesten gegen West vorspringen, die iberische Halbinsel und die britannischen Inseln, sind auch diejenigen, deren Colonien die bedeutendste Ausdehnung haben; aber ein viertausend Meilen langer, nur von Nachkommen von Spaniern und Portugiesen bewohnter Küstenstrich legt Zeugniß dafür ab, wie hoch sich die Välker der Halbinsel im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert durch ihre Unternehmungen zur See über die andern - seefahrenden Völker emporgeschwungen hatten. Die Verbreitung ihrer Sprachen von Californien bis an den Rio de la Plata, auf dem Rücken der Cordilleren wie in den Wäldern am Amazonenstrom ist ein Denkmal nationalen Ruhms, das alle politischen Revolutionen überdauern wird.

Gegenwärtig überwiegt die Bevölkerung des spanischen und portugiesischen Amerika die von englischer Race ums Doppelte. Die französischen, holländischen und dänischen Befizungen auf dem neuen Continent sind von geringem Umfang; zählt man aber die Völker her, welche auf das Geschick der andern Halbkugel Einfluß äußern können, so sind noch zwei nicht zu übergehen, einerseits die Ansiedler slavischer Abkunft, die von der Halbinsel Alaska bis nach Californien Niederlassungen suchen, andererseits die freien Afrikaner auf Haiti, welche wahr gemacht haben, was der Mailänder Reisende Benzoni schon im Jahr 1545 vorausgesagt. Daß die Afrikaner auf einer Insel, zweieinhalbmal größer als Sicilien, im Schoße des Mittelmeeres der Antillen hausen, macht sie politisch um so wichtiger. Alle Freunde der Menschheit wünschen aufrichtig, daß eine Civilisation, welche wider alles Erwarten nach so viel Gräueln und Blut Wurzel geschlagen,

sich fort und fort entwickeln möge. Das russische Amerika gleicht bis jest nicht sowohl einer Ackerbaucolonie als einem der Comptoirs, wie sie die Europäer zum Verderben der Eingeborenen auf den Küsten von Afrika errichtet. Es besteht nur aus Militärposten, aus Sammelpläßen für Fischer und sibirische Jäger. Allerdings ist es eine merkwürdige Erscheinung, daß sich der Ritus der griechischen Kirche auf einem Striche Amerikas festgesezt hat, und daß zwei Nationen, welche das Ost- und das Westende von Europa bewohnen, Russen und Spanier, Nachbarn werden auf einem Festlande, in das sie auf entgegengeseßten Wegen gekommen; aber beim halb wilden Zustand der Küsten von Ochotsk und Kamtschatka, bei der Geringfügigkeit der Mittel, welche die asiatischen Häfen liefern können, und bei der Art und Weise, wie bis jet die slavischen Colonien in der neuen Welt verwaltet worden, müssen diese noch lange in der Kindheit verharren. Da man nun bei nationalökonomischen Untersuchungen gewöhnt ist, nur Massen ins Auge zu fassen, so stellt es sich heraus, daß das amerikanische Festland eigentlich nur unter drei große Nationen von englischer, spanischer und portugiesischer Abkunft getheilt ist. Die erste derselben, die Angloamerikaner, ist zugleich nach dem englischen Volk in Europa diejenige, welche ihre Flagge über die weitesten Meeresstrecken trägt. Ohne entlegene Colonien hat sich ihr Handel zu einer Höhe aufgeschwungen, zu der niemals ein Volk der alten Welt gelangt ist, mit Ausnahme desjenigen, das seine Sprache, den Glanz seiner Literatur, seine Arbeitslust, seinen Hang zur Freiheit und einen Theil seiner bürgerlichen Einrichtungen nach Nordamerika hinübergetragen hat.

Die englischen und portugiesischen Ansiedler haben nur

die Europa gegenüberliegenden Küsten bevölkert; die Castilianer dagegen sind gleich zu Anfang der Eroberung über die Kette der Anden gedrungen und haben selbst in den am weitesten nach West gelegenen Landstrichen Niederlassungen gegründet. Nur dort, in Mexico, Cundinamarca, Quito und Peru, fanden sie Spuren einer alten Cultur, ackerbauende Völker, blühende Reiche. Durch diesen Umstand, durch die rasche Zunahme einer eingeborenen Gebirgsbevölkerung, durch den fast ausschließlichen Besiß großer Metallschäße, und durch die Handelsverbindungen mit dem indischen Archipel, die gleich mit dem Anfang des sechzehnten Jahrhunderts in Gang kamen, erhielten die spanischen Besißungen in Amerika ein ganz eigenes Gepräge. In den östlichen, von den englischen und portugiesischen Ansiedlern in Besiß genommenen Landstrichen waren die Eingeborenen umherziehende Jägervölker. Statt, wie auf der Hochebene von Anahuac, in Guatimala und im obern Peru, einen Bestandtheil der arbeitsamen, ackerbauenden Bevölkerung zu bilden, zogen sie sich vor den vorrückenden Weißen größtentheils zurück. Man brauchte Arbeiterhände, man baute vorzugsweise Zuckerrohr, Indigo und Baumwolle, und dieß, mit der Habsucht, welche so oft die Begleiterin des Gewerbfleißes ist und sein Schandfleck, führte den schändlichen Negerhandel herbei, der in seinen Folgen für. beide Welten gleich verderblich geworden ist. Zum Glück ist auf dem Festlande von spanisch Amerika die Zahl der afrikanischen Sklaven so unbedeutend, daß sie sich zur Sklavenbevölkerung in Brasilien und in den südlichen Theilen der Vereinigten Staaten wie 1 zu 5 verhält. Die gesammten spanischen Colonien, mit Einschluß der Inseln Cuba und Portorico, haben auf einem Areal, das mindestens um ein Fünftheil größer ist als Europa,

nicht so viel Neger als der Staat Virginien allein. Mit den vereinigten Ländern Neuspanien und Guatimala liefern die Hispano-Amerikaner das einzige Beispiel im heißen Erdstrich, daß eine Nation von acht Millionen nach europäischen Geseßen und Einrichtungen regiert wird, Zucker, Cacao, Getreide und Wein zumal baut, und fast keine Eklaven besißt, die dem Boden von Afrika gewaltsam entführt worden.

Die Bevölkerung des neuen Continents ist bis jezt kaum etwas stärker als die von Frankreich oder Deutschland. In ́ den Vereinigten Staaten verdoppelt sie sich in dreiundzwanzig bis fünfundzwanzig Jahren; in Mexiko hat sie sich, sogar unter der Herrschaft des Mutterlandes, in vierzig bis fünfundvierzig Jahren verdoppelt. Ohne der Zukunft allzuviel zuzutrauen, läßt sich annehmen, daß in weniger als anderthalbhundert Jahren Amerika so stark bevölkert seyn wird als Europa. Dieser schöne Wetteifer in der Cultur, in den Künften des Gewerbfleißes und des Handels wird keineswegs, wie man so oft prophezeien hört, den alten Continent auf Kosten des neuen ärmer machen; er wird nur die Consumtionsmittel und die Nachfrage darnach, die Masse der productiven Arbeit und die Lebhaftigkeit des Austausches steigern. Allerdings ist in Folge der großen Umwälzungen, denen die menschlichen Gesellschaftsvereine unterliegen, das Gesammtvermögen, das gemeinschaftliche Erbgut der Cultur, unter die Völker beider Welten ungleich vertheilt; aber allgemach stellt sich das Gleichgewicht her, und es ist ein verderbliches, ja ich möchte sagen gottloses Vorurtheil, zu meinen, es sey ein Unheil für das alte Europa, wenn auf irgend einem andern Stück unseres Planeten der öffentliche Wohlstand gedeiht. Die Unabhängigkeit der Colonien wird nicht zur Folge haben, sie zu isoliren,

« AnteriorContinuar »