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über den wir von den Thälern von Aragua nach San Fernando am Apure gegangen waren. In der trockenen Jahreszeit, welche hier Sommer heißt, obgleich dann die Sonne in der südlichen Halbkugel ist, weht der Seewind in den Steppen von Cumana weit stärker als in denen von Caracas; denn diese weiten Ebenen bilden, gleich den angebauten Fluren der Lombardei, ein nach Ost offenes, nach Nord, Süd und West durch hohe Urgebirgsketten geschlossenes Becken. Leider kam uns dieser erfrischende Wind, von dem die Llaneros (die Steppenbewohner) mit Entzücken sprechen, nicht zu gute. Nordwärts vom Aequator war Regenzeit; in den Llanos selbst regnete es freilich nicht, aber durch den Wechsel in der Abweichung der Sonne hatte das Spiel der Polarströmungen längst aufgehört. In diesen Landstrichen am Aequator, wo man sich nach dem Zug der Wolken orientiren kann, und wo die Schwankungen des Quecksilbers im Barometer fast wie eine Uhr die Stunde weisen, ist Alles einem regelmäßigen, gleichförmigen Typus unterworfen. Das Aufhören der Seewinde, der Eintritt der Regenzeit und die Häufigkeit elektrischer Entladungen sind durch unabänderliche Geseze verknüpfte Erscheinungen.

Beim Einfluß des Apure in den Orinoco, am Berge Sacuima, hatten wir einen französischen Landwirth getroffen, der unter seinen Heerden in völliger Abgeschiedenheit lebte. 1 Es war das der Mann, der in seiner Einfalt glaubte, die politischen Revolutionen in der alten Welt und die daraus entsprungenen Kriege rühren nur vom langen Widerstande der Observanten" her. Kaum hatten wir die Llanos von Neu

'S. Bd. IV. Seite 192.

Barcelona betreten, so brachten wir die erste Nacht wieder bei einem Franzosen zu, der uns mit der liebenswürdigsten Gastfreundlichkeit aufnahm. Er war aus Lyon gebürtig, hatte das Vaterland in früher Jugend verlassen und schien sich um Alles, was jenseits des atlantischen Meeres, oder, wie man hier für Europa ziemlich geringschäßig sagt, „auf der andern Seite der großen Lache" (del otro lado del charco) vorgeht, sehr wenig zu kümmern. Wir sahen unsern Wirth beschäftigt, große Holzstücke mittelst eines Leims, der Guayca heißt, an einander zu fügen. Dieser Stoff, dessen sich auch die Tischler in Angostura bedienen, gleicht dem besten aus dem Thierreich gewonnenen Leim. Derselbe liegt ganz fertig zwischen Rinde und Splint einer Liane aus der Familie der Combretaceen.1 Wahrscheinlich kommt er in seinem chemischen Verhalten nahe überein mit dem Vogelleim, einem vegetabilischen Stoff, der aus den Beeren der Mistel und der innern Ninde der Stechpalme gewonnen wird. Man erstaunt, in welcher Masse dieser klebrigte Stoff ausfließt, wenn man die rankenden Zweige des Vejuco de Guayca abschneidet. So findet man denn unter den Tropen in reinem Zustand und in besondern Organen abgelagert, was man sich in der gemäßigten Zone nur auf künstlichem Wege verschaffen kann. 2

Erst am dritten Tage kamen wir in die caraibischen Missionen am Cari. Wir fanden hier den Boden durch die Trockenheit nicht so stark aufgesprungen wie in den_Llanos von Calabozo. Ein paar Regengüsse hatten der Vegetation neues Leben gegeben. Kleine Grasarten und besonders jene krautartigen Sensitiven, von denen das halbwilde Vieh so

1 Combretum Guayca.

2 S. Bd. III. Seite 331.

fett wird, bildeten einen dichten Rasen. Weit auseinander standen hie und da Stämme der Fächerpalme (Corypha tectorum), der Rhopala (Chaparro) und Malpighia mit lederartigen, glänzenden Blättern. Die feuchten Stellen erkennt man von weitem an den Büschen von Mauritia, welche der Sagobaum dieses Landstrichs ist. Auf den Küsten ist diese Palme das ganze Besißthum der Guaraons - Indianer, und, was ziemlich auffallend ist, wir haben sie 160 Meilen weiter gegen Süd mitten in den Wäldern am obern Orinoco, auf den Grasfluren um den Granitgipfel des Duida angetroffen. Der Baum hing in dieser Jahreszeit voll ungeheurer Büschel rother, den Tannenzapfen ähnlicher Früchte. Unsere Affen waren sehr lüstern nach diesen Früchten, deren gelbes Fleisch schmeckt wie überreife Apfel. Die Thiere saßen zwischen unserem Gepäck auf dem Rücken der Maulthiere und strengten sich gewaltig an, um der über ihren Köpfen hängenden Büschel habhaft zu werden. Die Ebene schwankte wellenförmig in Folge der Luftspiegelung, und als wir nach einer Stunde Wegs diese Palmstämme, die sich am Horizont wie Masten ausnahmen, erreichten, sahen wir mit Ueberraschung, wie viele Dinge an das Daseyn eines einzigen Gewächses geknüpft find. Die Winde, vom Laub und den Zweigen im raschen Zuge aufgehalten, häufen den Sand um den Stamm auf. Der Geruch der Früchte, das glänzende Grün locken von weitem die Zugvögel her, die sich gern auf den Wedeln der Palme wiegen. Ringsum vernimmt man ein leises Rauschen. Niedergedrückt von der Hiße, gewöhnt an die trübselige Stille der Steppe, meint man gleich einige Kühlung zu spüren,

1. Bd. I. Seite 198. 216. II. 87. 389.

wenn sich das Laub auch nur ein wenig rührt. Untersucht man den Boden an der Seite abwärts vom Winde, so findet man ihn noch lange nach der Regenzeit feucht. Insekten und Würmer, sonst in den Llanos so selten, ziehen sich hieher und pflanzen sich fort. So verbreitet ein einzeln stehender, häufig verkrüppelter Baum, den der Reisende in den Wäldern am Orinoco gar nicht beachtete, in der Wüste Leben um sich her.

Wir langten am 13. Juli im Dorfe Cari 2 an, der ersten der caraibischen Missionen, die unter den Mönchen von der Congregation der Observanten aus dem Collegium von Piritu3 stehen. Wir wohnten, wie gewöhnlich, im Kloster, das heißt beim Pfarrer. Wir hatten, außer den Pässen des Generalcapitäns der Provinz, Empfehlungen der Bischöfe und des Gardians der Missionen am Orinoco. Von den Küsten von Neu-Californien bis Valdivia und an die Mündung des Rio de la Plata, auf einer Strecke von 2000 Meilen, lassen sich alle Schwierigkeiten einer langen Landreise überwinden, wenn man des Schußes der amerikanischen Geistlichkeit genießt. Die Macht, welche diese Körperschaft im Staate ausübt, ist zu fest begründet, als daß sie in einer neuen Ordnung der Dinge so bald erschüttert werden könnte. Unserem

1 Zu welcher Gattung gehören die Würmer (arabisch Loul), welche Capitän Lyon, der Reisebegleiter meines muthigen, unglücklichen Freundes Ritchie, in der Wüste Fezzan in Lachen gefunden, die von den Arabern gegessen werden und wie Caviar schmecken? Sollten es nicht Insekteneier seyn, ähnlich dem Aguautle, den ich in Mexico auf dem Markt habe verkaufen sehen und der an der Oberfläche des Sees Tezcuco gefischt wird ?

2 Nuestra Señora del Socorro del Cari, gegründet im Jahr 1761. 3 Diese Missionäre nennen sich Padres Missioneros Observantes del Colegio de la purissima Conception de propaganda fide en la Nueva Barcelona.

Wirth war unbegreiflich, „wie Leute aus dem nördlichen Europa von den Grenzen von Brasilien her, über Rio Negro und Orinoco, und nicht auf dem Wege von Cumana her zu ihm kamen." Er behandelte uns ungemein freundlich, verläugnete indessen keineswegs die etwas lästige Neugier, welche das Erscheinen eines nicht spanischen Europäers in Südamerika immer rege macht. Die Mineralien, die wir gesammelt, mußten Gold enthalten; so sorgfältig getrocknete Pflanzen konnten nur Arzneigewächse seyn. Hier, wie in so vielen Ländern in Europa, meint man, die Wissenschaft sey nur dann eine würdige Beschäftigung für den Geist, wenn dabei für die Welt ein materieller Nußen herauskomme.

Wir fanden im Dorfe Cari über 500 Caraiben und in den Missionen umher sahen wir ihrer noch viele. Es ist höchst merkwürdig, ein Volk vor sich zu haben, das, früher nomadisch, erst kürzlich an feste Wohnsiße gefesselt worden und sich durch Körper- und Geisteskraft von allen andern Indianern unterscheidet. Ich habe nirgends anderswo einen ganzen so hochgewachsenen (5 Fuß 6 Zoll bis 5 Fuß 10 Zoll) und so colossal gebauten Volksstamm gesehen. Die Männer, und dieß kommt in Amerika ziemlich häufig vor, sind mehr bekleidet als die Weiber. Diese tragen nur den Guayuco oder Gürtel in Form eines Bandes, bei den Männern ist der ganze Untertheil des Körpers bis zu den Hüften in ein Stück dunkelblauen, fast schwarzen Tuches gehüllt. Diese Bekleidung ist so weit, daß die Caraiben, wenn gegen Abend die Temperatur abnimmt, sich eine Schulter damit bedecken. Da ihr Körper mit Onoto bemalt ist, so gleichen ihre großen, malerisch drapirten Gestalten von weitem, wenn sie sich in der Steppe vom Himmel abheben, antiken Broncestatuen.

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